Mit Tahnee durch Ehrenfeld„Köln ist nicht die schönste Stadt, aber die herzlichste“

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Die gekachelte und mit Plakaten bepflasterte Hauswand am Drügge Pitter ist für Tahnee typisch Ehrenfeld. 

  • Im Jahr 2011 belegte Tahnee den zweiten Platz beim Comedy-Grand Prix von RTL.
  • Seitdem ist sie auf den Bühnen der Republik zu sehen.
  • „Köln ist vielleicht nicht die schönste Stadt, aber die herzlichste“, sagte die Comedienne. Wir waren mit ihr in Ehrenfeld unterwegs.

Ehrenfeld – Sie ist 300 Tage von 365 Tagen im Jahr auf den Bühnen und in Fernsehshows unterwegs. Trotzdem ist Köln ihre Heimat. „Auch wenn es so ein richtiges Kölsch-Ding ist, ich freue mich immer riesig, wenn ich zurückkomme und den Dom sehe“, erzählt Tahnee. Die 27-Jährige ist Stand-up-Comedienne, Moderatorin und Schauspielerin.

Seit sieben Jahren lebt sie in Köln. Die ersten Jahre habe sie in einer Nebenstraße an den Ringen gewohnt. „Doch direkt an einer Rocker-Bar. Da kam es schon mal vor, dass ich aus der Türe rauskam und da jede Menge Polizeiautos wegen einer Razzia standen.“ Danach hat sie für zweieinhalb Jahre in Ehrenfeld gelebt. Auch wenn es sie zurück in die Innenstadt gezogen hat, fühlt sie sich noch eng verbunden mit dem Veedel. „Es ist einfach so unheimlich bunt hier, das liebe ich.“ 

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Die trubelige Venloer Straße in Ehrenfeld.

Die Vespa mit dem Parmesan

Den ersten Halt bei unserem Spaziergang machen wir bei der „Salumeria Toscana“ in der Leyendeckerstraße. „Es liegt zwar ein bisschen versteckt, doch der Weg dahin lohnt sich.“ Tahnee schwärmt von den original italienischen Sachen, die es hier gibt. „Brot, Wurst und Käse sind super. Und hier kann es auch mal passieren, dass der Opa mit der Vespa vor der Türe vorfährt, mit einem Laib Parmesan hinten drauf.“ 

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Tahnee war schon als Kind gerne auf der Bühne, spielte seitdem sie fünf Jahre alt gewesen ist beim „Jungen Musical“ in ihrer Heimatstadt Heinsberg mit und machte eine Ausbildung in Ballett und Tanz. 2011 machte sie Abitur und stolperte eher zufällig in die Stand-up-Comedy. Ihr erster Auftritt war gleich beim Comedy-Grand-Prix. „Ich dachte ich probiere das einfach mal aus“, sagt sie. Prompt kam sie auf den zweiten Platz. Seitdem ist sie auf kleineren und mittlerweile auch auf größeren Bühnen unterwegs.

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Tahnee im Café Woanders

Im Oktober 2019 moderierte sie die XXL-Comedy-Nacht vor 14.000 Zuschauern. Fünf Jahre hatte es gedauert, bis sie ihr erstes abendfüllendes Programm zusammen hatte. Nach ihrem ersten Solo-Programm spielt Tahnee seit September „Vulvarine“. „Die Tour geht wahrscheinlich noch bis 2022. Im März bin ich auch im E-Werk in Köln.“ Die Show ist schon längst ausverkauft. 

Im Tartine entstehen ihre Texte

Wir biegen auf die Venloer Straße ab, hier kann Tahnee fast zu jedem Laden etwas erzählen. Beim Café Madame Tartine stoppt sie. „Das ist ein ganz kleiner Laden, aber super süß und perfekt für morgens – hier schreibe ich auch schon mal an meinen Texten.“ Ihr Job sei eine Berufung für sie. „Ich habe einfach eine unglaubliche Freiheit, das hat man nirgendwo sonst. Es ist mein Abend, meine Zeit auf der Bühne und ich entscheide, was ich sage. Das ist ein großes Privileg“, sagt Tahnee glücklich. Vor der Kneipe „Em Drügge Pitter“ fängt sie breit zu grinsen an. Hier habe sie auch schon ihren Geburtstag gefeiert. „Das ist so ein richtig uriger Rock-Schuppen mit Charme – außen die Kacheln bis zum ersten Stock, die bunten Lichterketten an der Theke und die Kicker im Raum.“

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Schokoladen-Eis von der Eisdielerin geht immer. 

Alle an einem Tisch – das ist Ehrenfeld

Hier kämen alle Leute zusammen und das gehöre auch zu Ehrenfeld: „Es ist ganz egal, wo du herkommst, alle sitzen an einem Tisch.“ Auch von „Die Eisdielerin“ schwärmt die Comedienne. Sie liebe die ausgefallenen Eissorten und „mit dunkler Schokolade kriegt man mich immer“, sagt sie lachend. Als wir weitergehen, antwortet Tahnee auf die Frage, was sie mit Köln verbinde, plötzlich: „Geflieste Hausfassaden – Köln ist vielleicht nicht die schönste Stadt, aber die herzlichste.“  Dann sei da noch die offene Art, die sie besonders an Köln mag: „Es ist ein entspanntes Miteinander, hier leben alle Kulturen zusammen.“ Dann spricht sie von den Snobs in der Südstadt und den Hipstern in Ehrenfeld – „Klar, das sind alles Klischees, aber manchmal sind Klischees ja auch einfach schön.“ Jedes Veedel habe seine Charakteristika und da könne jeder schauen, welches am besten zu einem passt.

Tahnee - Biografie

Tahnee wurde 1992 in Heinsberg geboren, machte dort 2011 ihr Abitur und hatte im gleichen Jahr ihren ersten Fernsehauftritt beim RTL-Comedy Grand Prix,wo sie den zweiten Platz belegte. Auf der Bühne macht sie klassischen Stand-up, parodiert verschiedenste Persönlichkeiten und bringt Gesangs- und Rapeinlagen. Seit 2019 ist sie mit dem Soloprogramm „Vulvarine“ auf Tour.

Kindheit in Heinsberg

Wir gehen weiter die Venloer Straße hinunter. Tahnee lacht viel und albert bei den Fotos gerne ein bisschen herum. Auf der Bühne wechselt sie oft die Dialekte und spielt mit unterschiedlichen Stimmen, das macht sie auch im Gespräch – zum Beispiel, wenn sie vom Landleben in ihrer Heimatstadt Heinsberg spricht. „Es war super cool in Heinsberg aufzuwachsen. Als Kind hatte man eine unglaubliche Freiheit. Ich bin morgens mit dem Rad los und bin abends erst wiedergekommen – und es ist nichts passiert.“ Doch erst in Köln konnte sie sie selbst sein. Seit 2014 macht sie ihre sexuelle Orientierung auch auf der Bühne zum Thema und outete sich bei der Fernsehshow „TV Total“ als lesbisch. „Auf dem Dorf gibt es keine offene Gesellschaft. Wer da nicht der Norm entspricht, hat es schwer.“ In Köln sei aber alles möglich, „hier ist alles easy.“

Das Parfüm vom Kebapland

Dann atmet sie tief durch die Nase ein: „Riecht ihr das?“, fragt sie strahlend. „Kölns richtiges Parfüm“, wie Tahnee sagt, gehört zum Kebapland. „Es ist einfach unfassbar lecker – das beste Adana und die rauchige Soße dazu ist perfekt.“  Als sie den kleinen, aber bekannten Laden auf der Venloer Straße betritt, gibt es erst einmal eine lange Umarmung von Mit-Inhaber Ozan. Sie sind seit Jahren befreundet. Sie gehöre hier schon zur Familie, so Tahnee. Trotz des Trubels, der in dem Kult-Lokal Standard ist, sei es hier wie ein Wohnzimmer für Tahnee. „Nach einem stressigen Tourtag kann ich auch spätabends hier noch vorbeikommen und bekomme noch etwas zu essen. Und egal wie stressig der Tag war, danach ist alles wieder gut.“

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Das Kepabland an der Venloer Straße ist für  Tahnee eine Institution in Ehrenfeld. Für Mit-Inhaber Ozan gehört sie schon zur Familie.

Trauer ums Underground

Wir gehen noch ein Stück die Venloer Straße zurück und biegen in die Heliosstraße ab. Unser Gespräch fällt auf das Underground. „Es ist einfach schade, wenn so ein Laden verschwindet. So Läden wie das Underground prägen das Stadtbild und machen den Unterschied. Wir müssen aufpassen, dass nicht nur schicke Wohnungen entstehen, sondern Kultur auch erhalten bleibt.“  Auch wenn ihr die Kultur wichtig ist, feiert die Comedienne nicht mehr gerne Karneval. „Ich habe gefühlt jeden Tag Karneval und habe jeden Tag Alarm.“ Aber zu einer einzelnen Karnevalsparty würde sie dann auch nicht nein sagen: „Auf Verkleiden und ausgefallenes Make-up stehe ich halt voll.“ Wir gehen über die Vogelsanger Straße zur Lichtstraße zum „Café Woanders“. „Sonst stand hier ein VW-Bus vor der Türe, der als Terrasse genutzt wurde, das war super“, erzählte Tahnee. Doch das sei nicht mehr erlaubt, einen Oldtimer dürfe man nicht als Terrasse nutzen.

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Tahnee in der Salumeria Toscana, die italiensiche Spezialitäten führt 

Tahnee liebe es, frühstücken zu gehen oder zu brunchen. Sie habe das Glück bei ihrem Job nicht um sechs Uhr morgens aufstehen zu müssen. „Dann finde ich es super, mal später frühstücken zu gehen. Und hier gibt es einfach die ausgefallensten Kombinationen wie die »Chicken Waffle« oder die »Hinrichtung des Katers« – die Kombination von salzig und süß ist genau nach meinem Geschmack“, schwärmt die 27-Jährige. Studiert hat Tahnee nie, erzählt sie. Sie hat gleich mit 19 Jahren angefangen die Bühnen zu erobern. Ein wenig findet sie das auch schade: „Ich glaube, das wäre eine spannende Zeit gewesen.“ Doch es komme alles, wie es kommen soll. „Und wer weiß, vielleicht hole ich das mit 70 Jahren einfach nach und sitze als Rentnerin an der Uni und gebe den Hörsaal-Clown.“ 

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