Neue Kölner Gesamtschule gestartetBüffeln in tristen Containern und Baustellen-Chaos

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Ein neugieriger Blick ins Container-Innere: Die neuen Fünftklässler schauen am ersten Schultag vorm Unterrichtsbeginn durchs Fenster.

Ein neugieriger Blick ins Container-Innere: Die neuen Fünftklässler schauen am ersten Schultag vorm Unterrichtsbeginn durchs Fenster.

  • Die Schulen in Köln sind veraltet und platzen aus allen Nähten. Mehr als 40 neue Schulen werden gebraucht.
  • Eine Gesamtschule in Vogelsang ist gerade neu an den Start gegangen.
  • Dort zeigt die Stadt Köln, was in Zeiten des Mangels und der Not möglich ist – wenn man nur will.

Köln-Vogelsang – „Wir freuen uns, wenn es laut wird.“ Nach langer Vorbereitung und anderthalb Wochen mit den Kollegen im Lehrerzimmer wurde es nun endlich Zeit, dass richtig Leben in die Bude kommt, fand Daniela Pilger. Nicht nur für 162 Kinder war die Woche eine besondere.

Pilger ist Schulleiterin einer großen neuen Kölner Schule, in der am Mittwoch der Unterricht begann. Ihr noch kleines Kollegium, das sich um sechs Klassen des ersten Fünftklässlerjahrgangs kümmert, hat den Auftrag, ein in Vogelsang neues Bildungsangebot für Köln aufzubauen und zu entwickeln. Es gehe auch darum, dem „unglaublichen Vertrauen der Eltern“ gerecht zu werden, so Pilger. Denn als diese sich zusammen mit ihren Kindern für die Schule entschieden haben, gab es kein Gebäude und keine Lehrer sondern nur ein „Stück Erde“, sagt Schuldezernentin Agnes Klein.

Jetzt stehen Container auf dem Stück Erde. Die Fassaden wurden ein wenig bemalt, damit es nicht ganz so trist aussieht. Nebenan befindet sich das ansehnliche Gebäude der „Aktiven Schule“, einer privaten Bildungseinrichtung. So sollte eine neue Schule eigentlich von außen aussehen. „Die Situation ist ungewöhnlich, und wir werden manchmal bemitleidet“, so Pilger, die als Jahrgangsleiterin an der Gesamtschule Holweide in den vergangenen Jahren Kummer mit schlechten Gebäuden und wackeligen Provisorien gewohnt ist. Doch so schlimm sei es in Vogelsang gar nicht. „Wir nennen die Container lieber Module, weil alle begeistert sind, die mal drin waren.“

Schulleiterin Daniela Pilger (r.) ist zufrieden mit dem Provisorium.

Schulleiterin Daniela Pilger (r.) ist zufrieden mit dem Provisorium.

Problematischer sind noch die Wege oder besser die Umwege, die die Kinder gehen müssen. Drumherum herrscht ein Verkehrs- und Baustellenchaos. Vor der Schule wartete am ersten Schultag ein Bus im Sand – gewissermaßen als sinnbildliche Mahnung, die Nahverkehrsanbindung zu verbessern. Noch ist unklar, wie die Stadt das Problem in den Griff bekommen will, wenn die Gesamtschule Wasseramselweg in den nächsten Jahren auf etwa 1200 Schüler anwachsen wird.

Bemerkenswerter als die Größe ist jedoch etwas anderes: Den viel gescholtenen Bau- und Schulverwaltungen der Stadt ist hier in Zeiten des Mangels etwas gelungen, was ihr viele nicht zugetraut haben. In wenigen Monaten wurden Räume für den ersten Jahrgang einer der größten Schulen der Stadt aus dem Boden gestampft. Das Risiko eines Scheiterns war nicht klein, einen „Plan B“ gab es nicht. Das Beispiel zeigt: Vieles ist auch in kurzer Zeit möglich, wenn man bereit ist, Aufwand zu betreiben.

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Das endgültige Gebäude für die Schule wird erst 2024 fertig sein. Damit der Betrieb sechs Jahre vorher beginnen kann, wird nicht nur mit einer Interimslösung gearbeitet. Es gibt auch noch ein zweites Provisorium zur Überbrückung der Zeit, bis das eigentliche Provisorium fertig ist. Deshalb ziehen die 162 Kinder mit ihren Lehrern erst einmal für ein Jahr in die Container. Aus einigen Fenstern kann man sehen, wie schräg gegenüber „Snake“ in die Höhe wächst. So haben Stadt und Baufirma das zweite Provisorium genannt, in das die Schule 2019 umziehen soll. In drei Geschossen mit 6800 Quadratmeter Fläche soll die Schule fünf Jahre weiter wachsen, bis sie schließlich an die endgültige Adresse umzieht. Dann soll auf dem „Stück Erde“, auf dem heute die Container stehen, und dem Areal drumherum, ein großes neues Schulgebäude stehen. Danach wird aus „Snake“ ein normales Bürogebäude.

Der Schulhof der neuen Gesamtschule in Vogelsang

Der Schulhof der neuen Gesamtschule in Vogelsang

Die Stadt arbeitet mit dem privaten Unternehmen Friedrich Wassermann zusammen, das die Provisorien baut und das Grundstück für den letzten Neubau verkauft hat. Für die beiden Übergangsunterkünfte wird Miete gezahlt, etwa 80 000 Euro pro Monat für die Container, später dann 103 000 Euro für „Snake“. Auch der finanzielle Aufwand ist also hoch.

Wassermann-Chef Anton Bausinger spricht von einem „Modell für die Zukunft“. Als Privatunternehmen sei man nicht an die strengen Vergaberegeln gebunden und könnte schneller sein als die städtische Gebäudewirtschaft. Auch Schuldezernentin Klein sagt, dass die Gründung der Gesamtschule Wasseramselweg „beispielhaft für weitere Schulprojekte“ sein kann. Man prüfe „alle möglichen Formen von Beschleunigungsprogrammen“, so die Gebäudewirtschaft der Stadt. Die Gründung der neuen Gesamtschule in Vogelsang gibt Hoffnung, dass solchen Prüfungen auch immer häufiger konkrete Taten folgen könnten.

Zwei weitere Schulen in Köln gestartet

Neben der Schule am Wasseramselweg sind zu diesem Schuljahresbeginn zwei weitere neue Schulen in der Stadt gestartet. Auch sie müssen sich mit räumlichen Situationen und Provisorien arrangieren, die nicht optimal sind. In Widdersdorf teilt sich ein neues Gymnasium die Räume mit der privaten Friedensschule. Rein baulich sind die Bedingungen optimal, aber das erzwungene Zusammenleben birgt Konfliktpotenzial.

In Ehrenfeld beginnt die Helios-Schule mit der Arbeit, mit der sich viele Erwartungen an neue Konzepte für den Unterricht der Zukunft verbinden. Die kleinere Gesamtschule muss in den ersten Jahren die Räume ehemaliger Hauptschulen nutzen, bevor 2023 ihr Neubau auf dem Helios-Gelände bezugsfertig sein soll.

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