Neuer BildbandAufnahmen aus dem zerstörten Köln nach dem Krieg

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Der Neumarkt nah dem Krieg.

Köln – Die Szene auf dem Foto kommt einem auf unheimliche Weise vertraut vor: Menschen halten sich Tücher vor das Gesicht und suchen in nahezu undurchdringlichen Staubwolken ihren Weg durch das Chaos.

Unwillkürlich denken wir an die Szenerie nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York im Jahr 2001, aber der Ort des Geschehens liegt viel näher. Es ist Köln, in dem die Menschen nach einem Luftangriff im Jahr 1944 Schutz und Orientierung suchen.

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Der zerstörte Kölner Hauptbahnhof.

Das Foto entstammt dem neuen Bildband „Köln und der Krieg“, in dem die Fotografen Reinhard Matz und Wolfgang Vollmer nach intensiver Archivarbeit mehr als 300 zum größten Teil unveröffentlichte Aufnahmen versammelt haben.

Es sind Bilder, die das alltägliche Leben, die Kultur und das Gesicht der Stadt in den Jahren 1940 bis 1950 dokumentieren.

Sie zeigen mit erzählerischer Kraft eine lebendige Metropole, in der die Menschen in großen Pulks über die Hohenzollernbrücke radeln, die Stollwerck-Mädchen beim Betriebssport Reigen tanzen und beim Zoo-Eck in Riehl auf der Terrasse Kaffee getrunken wird.

Noch tanzen die Mädchen der Schokoladenfabrik Stollwerck beim Betriebssport Ringelreihen.

Noch tanzen die Mädchen der Schokoladenfabrik Stollwerck beim Betriebssport Ringelreihen.

Doch bald schon hängt im Rathaus die Hakenkreuzfahne, Weihnachten wird in Uniform gefeiert, und die Nacht muss im Luftschutzkeller verbracht werden.

Die Siegesfeiern der Nazis werden durch Trauerfeiern für die Bombenopfer ersetzt, und die Stadt geht ihrem Untergang entgegen.

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Blick auf die Deutzer Brücke.

Menschen retten ihre letzten Möbel auf die Straße, liegen erschöpft vor dem Dombunker oder bestatten die Toten. Erst nach dem Einmarsch der Amerikaner keimt wieder Hoffnung.

Jungs in kurzen Hosen verbrennen Nazi-Wimpel, Menschen stehen erschüttert vor dem ganzen Ausmaß der Zerstörung, und ein kluger Kardinal drückt beim „Fringsen“ das gesetzestreue Auge zu.

Nicht immer waren es ausgebildete Fotografen, die in solchen Momenten auf den Auslöser drückten. Außer Amateuren waren es auch NSDAP-Beauftragte, die Kriegsschäden dokumentieren sollten, oder Menschen wie der Brandmeister Erich Behnke, der durch genaue Dokumentation der Feuer wohl einen besseren Brandschutz erreichen wollte.

Szenen von der Verfolgung der jüdischen Bürger oder Zwangsarbeiter wurden dagegen selten aufgenommen, vielleicht aus Angst vor Repressalien, wie die Autoren nahelegen. Die volle Aufmerksamkeit der Fotografen hat dagegen die umfassende Zerstörung der Kölner Innenstadt.

Hermann Claasen, Walter Dick und Chargesheimer hielten sie genauso fest wie Margaret Bourke-White und Lee Miller, die beide den Einmarsch der Amerikaner begleiteten.

Der neue Bildband ist der letzte Teil einer Trilogie von Fotobüchern aus dem Greven Verlag, in denen Kölner Leben von 1880 bis 1990 in sorgfältig ausgewählten und qualitätvoll editierten Aufnahmen dokumentiert wurde.

Ergänzt wird das Panorama der Bilder mit einer Auswahl zeitgenössischer Texte vom „Westdeutschen Beobachter“ über amerikanische Kriegsberichterstatter bis zu Heinrich Böll. „Als wir Köln wiedersahen, weinten wir“, notierte der Literaturnobelpreisträger seinen ersten Eindruck von der Stadt im Jahr 1945.

Herausgeber des Buches ist die Historische Gesellschaft, die auch für die große Kölner Stadtgeschichte verantwortlich zeichnet.

310 Bilder auf 288 Seiten

Reinhard Matz und Wolfgang Vollmer: „Köln und der Krieg. Leben, Kultur, Stadt. 1940 -1950“. Greven Verlag, 288 Seiten mit 310 Abbildungen, 39,90 Euro.

Erhältlich in allen Buchhandlungen und versandkostenfrei über www.ksta.de/shop oder unter Tel. 0221/567 99 303 sowie im Servicecenter Breite Str. 72, DuMont-Carré, Köln.

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