Schamgefühl und AmokdrohungenSo läuft es mit dem Oben-Ohne-Schwimmen in anderen Städten

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Eine Frau ist von hinten zu sehen. Sie steht ohne Bikini-Oberteil vor einem Schwimmbecken

In den Kölner Bädern dürfen auch Frauen ab April ohne Oberteil schwimmen.

Ohne Bikini-Oberteil ins Wasser: Ab April geht das auch in Köln. Andere Städte sind da schon weiter und haben bereits ihre Erfahrungen gesammelt.

Für Köln ist es ein Novum, in Göttingen längst gelebter Alltag: Künftig dürfen Kölnerinnen in den 13 städtischen Bädern „oben ohne“ schwimmen. Die Köln-Bäder erlauben ab 1. April auch Frauen das Baden ohne Oberteil. In Göttingen folgte einer dreimonatigen Testphase ab Mai vergangenen Jahres eine dauerhafte Regelung für das Oben-Ohne-Schwimmen. Auch im nordrhein-westfälischen Siegen dürfen auch weibliche Badegäste seit September mit nackter Brust ins Wasser. Angenommen wird das Angebot in beiden Städten allerdings höchst unterschiedlich.

In Göttingen sei von der neuen Regelung „sehr verhalten“ Gebrauch gemacht worden, berichtet Andreas Gruber, Geschäftsführer der Göttinger Sport und Freizeit GmbH, die vier Schwimmbäder betreibt. „Viele haben sich vermutlich anfangs noch nicht so recht getraut.“ In Freibädern hätten Frauen häufiger das Oberteil weggelassen als in Hallenbädern. Seien es nach der Testphase rund fünf Gäste pro Tag gewesen, hätte sich ihre Anzahl inzwischen auf etwa zwölf pro Tag und Bad erhöht.

Köln: Frauen dürfen künftig „oben ohne“ schwimmen

Anfangs wurde das Thema Gruber zufolge in der Öffentlichkeit sehr intensiv diskutiert: „Wir waren deutschlandweit Vorreiter, viele Städte sind uns nachgefolgt.“ Nachdem diese erste Welle des riesigen öffentlichen und medialen Interesses nachgelassen hatte, habe sich eine gewisse Normalität eingestellt. „Probleme oder Konflikte hatten wir in den Bädern seit der Einführung nicht. Es gab auch keine größeren Auseinandersetzungen zwischen Besuchern“, sagt Gruber. Das sei auch den Bad-Mitarbeitenden zu verdanken, die diesen Prozess intensiv begleitet hätten.

Mitarbeitende hätten viele Gespräche mit Gästen geführt. Immer mal wieder hätten sich Besucher beim Personal darüber beschwert, dass jemand zu freizügig im Bad unterwegs sei. „Die Mitarbeitenden haben dann über die Regelung informiert und aufgeklärt“, sagt Gruber. Es gehöre zur allgemeinen Aufgabe der Badeaufsicht, moderierend bei Streitigkeiten einzugreifen oder erhitzte Gemüter zu besänftigen.

Andreas Gruber, Geschäftsführer der Göttinger Sport und Freizeit GmbH, steht in einem Schwimmbad.

Andreas Gruber, Geschäftsführer der Göttinger Sport und Freizeit GmbH

In Siegen gestaltet sich die Situation völlig anders. Dort wurde die Badeordnung der Stadt per Ratsbeschluss im September 2022 so geändert, dass in den fünf städtischen Schwimmbädern Frauen keine Bikini-Oberteile mehr tragen müssen. Doch bisher hätten Frauen diese lediglich vereinzelt auf den Liegewiesen in den Freibädern abgelegt. Geschwommen sei bisher keine einzige Besucherin oben ohne, teilt die Bäderverwaltung mit.

Siegen: Beleidigungen wegen Oben-Ohne-Schwimmen

Zu erwarten war eine solch verhaltene Reaktion keineswegs. Denn auch in Siegen gab es ein großes mediales Interesse an der Neuregelung. Die Bäder hatten sich daher auch darauf eingestellt, dass das Angebot genutzt, dieses aber auch zu Konflikten führen würde.

Vielleicht hängt die Zurückhaltung der Gäste aber auch mit den krassen Reaktionen zusammen, die der Stadt Siegen entgegen schlugen: Bürgermeister Steffen Mues zufolge hat es noch nie so viele Beschimpfungen und Beleidigungen aus dem ganzen Land, gegen ihn selbst, Mitarbeiter des Bäderamtes und die Politik allgemein gegeben wie nach diesem Beschluss. Negativer Höhepunkt sei eine Amok-Drohung per E-Mail gegen Mitarbeitende der Stadtverwaltung gewesen.

„Wir hatten auch damit gerechnet, dass es mehr Kritik oder Protestaktionen geben würde“, sagt der Göttinger Bäder-Chef Gruber. „Natürlich gab es Pro- und Contra-Stimmen. Und von beiden Lagern wurde uns Sexismus vorgeworfen.“ Doch ziemlich bald sei Ruhe eingekehrt. „Natürlich können wir nicht messen, ob Besucher aufgrund der neuen Regelung nun wegbleiben, weil sie sich gestört fühlen.“ Bei den Besuchszahlen gebe es allerdings keine auffälligen Abweichungen – weder in die eine noch in die andere Richtung.

„Ich würde es anderen Städten und Bädergesellschaften empfehlen, unserem Beispiel zu folgen“, sagt Gruber. Auch wenn Göttingen als Studentenstadt in ihrer Bevölkerungsstruktur besonders jugendlich geprägt ist: „Ich halte es für wichtig, eine Freizügigkeit anzubieten und eine gesellschaftliche Veränderung auch entsprechend in öffentlichen Bädern abzubilden.“ Es bleibt spannend, wie rege die Kölnerinnen ab April Gebrauch von dieser Freizügigkeit machen werden.

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