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Tuner-Szene in KölnVerärgerte Anwohner wehren sich und starten Aktion

Lesezeit 4 Minuten
Poll Raser-Szene

Szene aus dem Frühjahr 2021: Die Alfred-Schütte-Allee zwischen Südbrücke und Bushaltestelle ist abends ein beliebter Treffpunkt

  • Seit Jahren sind Anwohner der Alfred-Schütte-Allee genervt vom Lärm und Müll der Raser und Autotuner vor ihrer Haustür.
  • Fußgänger berichten von mehreren Beinahe-Unfällen und fürchten um ihre Sicherheit.
  • Jetzt wehren sich die Anwohner mit einer Petition an OB Henriette Reker und Polizeipräsident Falk Schnabel.

Köln – Donnerstagabend, kurz nach 22 Uhr: Auf dem Mäuerchen an der Alfred-Schütte-Allee in Poll qualmen Wasserpfeifen. Geschätzt 300 Menschen sitzen oder stehen in Gruppen zusammen, vor allem Männer. Sie lehnen an geparkten Autos oder schlendern über den Fußweg auf der Rheinpromenade zwischen Südbrücke und Schütte-Werk. Man hört Gelächter, ab und zu übermütiges Gebrüll, zwischendurch einen aufheulenden Motor von der Straße. Eine Mischung aus süßem Shisha-Duft und herbem Männerparfüm liegt in der Luft. Kaum jemand hier ist älter als 30.

Die Stimmung ist entspannt, heute jedenfalls. Der Grund dafür wird schnell klar: Im Wendekreis der Buslinie 159 steht ein Zivilfahrzeug der Polizei, zwei Beamte ziehen junge Autofahrer in aufgemotzten Autos heraus, die trotz Verbots hier drehen wollten. Die Anwesenheit der Polizisten vom Einsatztrupp Verkehr hat sich offenbar auch bei den anderen herumgesprochen, die hier normalerweise ihre Schaurunden vor Publikum fahren, es heute aber klugerweise ruhiger angehen lassen.

Aber was an warmen Sommerabenden hier los ist, wenn die Polizei gerade mal nicht hinguckt, besorgt und verärgert die Anwohner der Alfred-Schütte-Allee derart, dass sie jetzt eine Online-Petition gestartet haben, adressiert an Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Polizeipräsident Falk Schnabel, die Kölner Ratsmitglieder und die Bezirksbürgermeister. Darin fordern sie die Genannten auf, „etwas gegen die Verwahrlosung unserer rechtsrheinischen Gebiete Deutz und Poll zu unternehmen, welche durch die sogenannte Raserszene und deren Publikum seit mindestens drei Jahren ein Ausmaß annimmt, das nicht mehr hinnehmbar ist“. Bestärkt würden die Raser noch durch ein Publikum in der hell beleuchteten Alfred-Schütte-Allee, das „ungehemmt lärmt, überlaut Musik hört, Müll hinterlässt und Verdampfer- und Shishaqualm verbreitet“. Mehr als 1000 Menschen hatten am Freitag schon unterschrieben, 2000 peilen die Initiatoren an.

An Schlaf sei wegen des Lärms oft nicht zu denken – ganz abgesehen von gefährlichen Situationen, die die Raser verursachten. Zeugen erzählen von Beinahe-Unfällen, verursacht von Rasern und Posern, die dann auch noch pöbelten. Anwohner sprechen von einem „Angstraum“, sie berichten von „Luftschüssen aus den Autos heraus“. Viele ältere Menschen und Familien mit Kindern trauten sich abends nichts mehr auf die Straße.

Anwohner in Köln-Poll beklagen „Verantwortungs-Schieberei“

Ein Anwohner sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, er habe den Eindruck, die Stadt überlasse die Gegend sich selbst. Er beklagt eine „Verantwortungs-Schieberei“ zwischen Ordnungsamt und Polizei: „Die Polizei sagt: Wir haben nicht genug Kräfte für regelmäßige Kontrollen, was wahrscheinlich auch stimmt. Die Stadt sagt: Rufen Sie die Polizei, wenn etwas ist, das Ordnungsamt kann nur gegen Vermüllung, so man sie denn aktiv beobachtet, und Parkverstöße vorgehen.“

Tatsächlich ist die Situation an der Schütte-Allee nicht neu. Im Vorjahr hatte die Stadtverwaltung nach massiven Beschwerden von Anwohnern Sofortmaßnahmen umgesetzt, die auch Wirkung zeigten. Die Szene verschwand vorübergehend von der Bildfläche. Seinerzeit gab die Corona-Schutzverordnung gleichwohl noch die Verhängung eines Verweilverbots in belebten Zonen her, in denen Mindestabstände nicht einzuhalten waren und massenhaft gegen die Maskenvorschrift verstoßen wurde. Das geht inzwischen nicht mehr. Aber die Stadt hatte im Vorjahr noch weitere effektive Maßnahmen getroffen: Teile der Alfred-Schütte-Allee durften zwischen 18 und sechs Uhr nur noch von Anliegern befahren werden. Das Tempolimit wurde von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde gesenkt, zudem wurde beschlossen, eine Geschwindigkeits-Messanlage aufstellen zu wollen, die Polizei verschärfte ihre Kontrollen.

Polizei Köln steht Rasern „ständig auf den Füßen“

Und heute? Das Durchfahrverbot gilt inzwischen nicht mehr, Tempo 30 ließ sich nicht durchsetzen, weil die Alfred-Schütte-Allee die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, und von der angekündigten Messanlage ist nichts zu sehen.

Ein Polizeisprecher betont auf Anfrage, man stehe den Rasern und Posern mit Kontrollen „ständig auf den Füßen“. Ein Stadtsprecher sagt, zwei stationäre Blitzer seien in Vorbereitung. Bis es so weit ist, kontrolliere der Verkehrsdienst „in regelmäßigen Abständen“. Außerdem würden derzeit weitere „geeignete Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung geprüft“, die der Politik „zeitnah“ zum Beschluss vorgelegt und anschließend „kurzfristig“ umgesetzt werden sollen. Die Rede ist von Bodenwellen und einem teilweisen Umbau zu einer Fahrradstraße. All das soll die Alfred-Schütte-Allee für die Szene unattraktiv machen.

Den Anwohnern dauert das zu lange. Sie fordern schon seit Jahren und nun erneut in ihrer Petition Zebrastreifen, eine Fahrbahnverengung wie auf dem Auenweg in Deutz und eine „kontinuierliche Überwachung“ der Straße. „Es muss ja nicht so lange dauern, bis wieder ein weißes Fahrrad am Straßenrand aufgestellt werden muss“, sagt ein Anwohner in Anspielung auf die Geisterräder, der der ADFC nach tödlichen Unfällen mit Radfahrern aufstellt.

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