Deutsch-äthiopischer Prinz zu Besuch in Köln„Wokeism im Karneval ist etwas Grauenhaftes“

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Prinz Asfa-Wossen Asserate in der Ülepooz hält sein neues Buch „Deutsch vom Scheitel bis zur Sohle“ in der Hand.

Prinz Asfa-Wossen Asserate hat sein neues Buch in der Ulrepforte bei den Roten Funken in Köln zugunsten des Vereins Ärzte für Äthiopien vorgestellt.

Der Bestseller-Autor und Großneffe des äthiopischen Kaisers Haile Selassie spricht über deutsche Bräuche, Weihnachten und warum die Deutschen sich trauen sollten, patriotisch zu sein.

Sein Großonkel, der äthiopische Kaiser Haile Selassie, war der allererste ausländische Staatsbesucher in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Zuge dessen besuchte der Kaiser auch Köln. „Noch vor Queen Elizabeth. Ich will Ihnen eine Geschichte dazu erzählen: Als die Diener im Dom gerade dabei waren, den roten Teppich auszukehren, fragte eine Kölnerin, warum sie dies tun. ‚Weil der Kaiser von Äthiopien kommt‘. Die Dame antwortete: Ach, noch ein Verwandter der Heiligen Drei Könige“, erzählt Prinz Asfa-Wossen Asserate, Bestseller-Autor und politischer Analyst, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und lacht.

Wir erreichen den 75-Jährigen bei seinem Besuch in Köln, wo er sein neues Buch „Deutsch vom Scheitel bis zur Sohle. Ein Vademecum“ vorgestellt hat. Bei einer von den Roten Funken in der Ülepooz organisierten Lesung zugunsten des Vereins „Ärzte für Äthiopien“, dessen Schirmherr Asserate ist, sprach der Autor über deutsche Bräuche, Klischees und Marotten aus seiner Sicht als Deutsch-Äthiopier.

Asserate über die Weihnachtszeit in Deutschland: ein Märchenland

Gerade in der Weihnachtszeit kristallisierten sich einige Besonderheiten heraus, findet Asserate. „Deutschland ist in der Weihnachtssaison ein Märchenland mit seinen Weihnachtsmärkten. Ich glaube, dass Menschen, die noch nie hier waren, sich ein Land vorstellen, wie es im Jahr 1820 war: Mittelalterliche Städte, man sieht an den Häusern die Zunftzeichen, aus dem Giebelfester schaut ein Kopf heraus: der deutsche Denker. Ein Bild des Biedermeiers“, schwärmt Asserate, der 1968 zum Studium nach Tübingen kam, mittlerweile aber in Frankfurt lebt.

Fremd war ihm Deutschland bei seiner Ankunft jedoch nicht: Er hatte in Addis Abeba zuvor die deutsche Schule besucht und das Abitur absolviert. Einem größeren Publikum wurde Asserate durch sein 2003 erschienenes Buch „Manieren“ bekannt.

Der Autor Asfa-Wossen Asserate sitzt am Tisch, vor ihm liegt sein neues Buch „Deutsch vom Scheitel bis zur Sohle“.

Prinz Asfa-Wossen Asserate bei der Benefizlesung in Köln zugunsten des Vereins Ärzte für Äthiopien

Ganz besonders sei für ihn der Heiligabend selbst: „Hier pflege ich immer das Ritual, dass ich gegen 21 Uhr in die Messe gehe. Vorher freue ich mich darauf, bei Freunden zu essen. Mit Weihnachten assoziiere ich die deutsche Weihnachtsgans mit Rotkohl und Knödeln. Das mag ich sehr gerne.“

Direkt nach Weihnachten heißt es zumindest in Köln: Die Session läuft sich warm. Auch in seinem Buch widmet Asserate dem Karneval ein eigenes Kapitel. Die rheinische Ausprägung der tollen Tage ist Asserate nicht unbekannt: Anfang der Achtzigerjahre war er nicht nur Pressechef der Düsseldorfer Messe, sondern schon während seiner Schulzeit in Afrika hat er Karneval gefeiert.

Asserate hält nichts von der Debatte über Rassismus im Karneval

„In der deutschen Schule hatten wir einen großen Karnevalisten als Lehrer, der aus Düsseldorf kam. An Karneval liefen wir herum als Piraten, Offiziere oder Könige. Auch seine große Sammlung an Platten mit Karnevalsliedern werde ich nie vergessen.“ Was Asserate lautstark empört, sind die heutigen Diskussionen über Rassismus im Karneval, wenn jemand als Indianer geht oder sich das Gesicht schwarz anmalt.

„Warum müssen wir uns um diese Sachen kümmern, wo es wirklichen Rassismus gibt? Warum kämpfen wir nicht mit derselben Vehemenz, dass Schwarze in Deutschland eine gute Arbeit oder eine Wohnung bekommen und nicht diskriminiert werden? Das ist Wokeism und Wokeism ist etwas Grauenhaftes. Damit ist nichts anderes als kulturelle Aneignung gemeint. Ich bin der allergrößte Sünder, denn ich habe 45 Jahre lang in der BRD nichts anderes gemacht, als mir die deutsche Kultur anzueignen. Diese Diskussion bringt die Menschen nicht zusammen“, so Asserate, dessen Vater während der kommunistischen Revolution in Äthiopien 1974 hingerichtet wurde.

Warum kämpfen wir nicht mit derselben Vehemenz, dass Schwarze in Deutschland eine gute Arbeit oder eine Wohnung bekommen?
Prinz Asfa-Wossen Asserate über die Rassismus-Debatte im Karneval

Daraufhin erhielt er politisches Asyl in Deutschland, mittlerweile ist er eingebürgert. In diesem Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz kommentiert er seit Jahrzehnten die deutsche sowie die europäische Gesellschaft. „Eines ist mir klar geworden: Meine deutschen Mitbürger ruhen nicht in sich selbst. Es ist das einzige Land, wo Patriotismus ein Schimpfwort ist“, so Asserate.

Auch angesichts des Erstarkens von Rechts-Außen-Parteien in ganz Europa plädiert er für einen positiv umgemünzten Patriotismus. „Was wir bekämpfen müssen, ist der Nationalismus, den Hass gegenüber allen anderen.“ Dies könne jedoch nur gelingen, davon ist der Autor überzeugt, wenn ein positiver Patriotismus entsteht.

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