Kölner und ihre HobbysWie die Modellbahnfreunde von Sürth ihre Leidenschaft erklären

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sues Eisenbahn 7 selbst gebaute Tanke Foto Bruno Kaiser

Die selbstgebaute Tankstelle aus den 50er Jahren ist einem Kölner Original nachempfunden.

  • Freizeitforscher sind sich sicher: Die Corona-Pandemie belebt die klassischen Hobbys und bringt neue hervor.
  • Es geht um den Zeitvertreib, der rein dem Spaß an der Freude dient und nicht der Leistung oder Selbstoptimierung.
  • In unserer ersten Folge machen uns die Modellbahnfreunde Sürth ihr Steckenpferd schmackhaft.

Köln-Sürth – Die Treppe hinauf ins Studio ist schmal, die Tür zum „Heiligtum“ verschlossen. Wegen der Enkel. Sie sind noch klein und dürfen nur in Begleitung des Opas hinein, in den Raum unterm Dach. Hans Gomoll öffnet die Tür, und da steht sie – die Modelleisenbahn.

Ein ganzes Zimmer hat die Anlage für sich allein – hier scheint die Zeit in den 50er- und 60er Jahren stehen geblieben zu sein. Die Züge und Loks stammen aus dieser Ära und auch das ganze Drumherum: Ein Sinalco-Lieferant bringt Limo für das Dorfgasthaus „Zur Eisenbahn“, ein Laster transportiert „Zuckersirup aus Köln“. Am Straßenrand steht ein Ford Modell Taunus P5, und Damen sitzen entspannt auf einer Bank vor dem historischen Bahnhof. Selbst die elektronische Steueranlage wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen. „Opa Hans, lass doch mal die Züge fahren“ – der Wunsch der Enkel ist dem Großvater Befehl. Wenn der 68-Jährige die Lok dann in Bewegung setzt, kommt Generationen-übergreifende Freude auf. Ganz langsam fährt sie an, zischt und wird peu à peu schneller.

Mit dem Mini-Zug durch die Fantasie-Eifel

Hans Gomoll schickt den Zug gerne auf die Reise durch die Eifel – für ihn ist das ein schönes Spiel, das ihn entspannt und bei dem er abschalten kann. Die imaginäre Fahrt durch die Natur ist aber noch mehr – sie erlaubt einen nostalgischen Blick zurück in die Kindheit und ist vielleicht auch eine kleine Flucht hinein in eine Scheinwelt – heraus aus dieser pandemischen, eingeschränkten Zeit.

Zu Besuch ist Martin Röhrig. Auch er ist Rentner und eingefleischter Modelleisenbahner. Beide sind sie die Hauptakteure der „Interessengemeinschaft Modellbahnfreunde Sürth“, die seit 1996 besteht. Fünf bis sechs Ü60-Männer gehören zum harten Kern der Modellbahnliebhaber. Ein Verein ist daraus ganz bewusst nicht geworden. „Wir wollten und wollen zwanglos sein“, sagt Martin Röhrig, der bis 1999 einen eigenen Spielzeugladen in Sürth geführt hat. Allein die Begeisterung für die Eisenbahnwelt hält die Gruppe zusammen. Normalerweise treffen sich die Sürther Modellbahner jeden Donnerstag in der Gaststätte „Zur Krone“, um sich auszutauschen und über technische und andere Neuigkeiten zu sprechen. Der Stammtisch fällt derzeit aus bekannten Gründen flach. Dafür gibt es alle 14 Tage virtuelle Treffen.

Die Modulanlage in Hans Gomolls Dachzimmer ist nur ein Teil der großen H0-Komplettanlage, die die Sürther Modellbahnfreunde gemeinsam besitzen. H0 bezeichnet die Baugröße der Spuren und Züge im Maßstab 1:87 – es gibt größere und kleinere Versionen. Die zweigleisige Hauptstrecke mit Land- und Stadtbahnhof samt eingleisiger Nebenstrecke misst insgesamt fast 40 Meter. So viel Platz hat niemand zuhause. Deshalb wird das Gros der Anlage gut verstaut, wobei wertvolle Loks in Vitrinen und Schaukästen aufbewahrt werden.

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Schätze der Natur einsammeln

Nur für Ausstellungen und Messen schrauben die Männer die einzelnen Module zusammen. Solche Groß-Events finden normalerweise bis zu fünfmal im Jahr statt. Termine gibt es Corona-bedingt erst wieder im nächsten Jahr. Auch wenn die Modellbahner ihre Züge nicht ständig auf Fahrt schicken – die Anlage wird laufend ergänzt. „Wir sammeln schöne Dinge aus der Natur, zum Beispiel gefärbten Sand oder kleine Holzstücke“, sagt Röhrig. Daraus lassen sich beispielsweise Bäume oder Sträucher basteln.

Ihre Steckenpferde interessieren uns!

Freizeitforscher sind der Überzeugung, dass die Corona-Pandemie das klassische Hobby wiederbeleben könnte, den Zeitvertreib also, der rein dem Spaß an der Freude dient und nicht dem Leistungsgedanken geschuldet ist. Briefmarkensammeln, Basteln, Musizieren und Malen könnten einen Generationen-übergreifenden Aufschwung erleben, neue, auch skurrile Hobbys hinzukommen. Wir haben Menschen im Veedel besucht, die von ihrem Steckenpferd berichten.

Haben auch Sie eine Leidenschaft, die Sie Ihren Mitmenschen näherbringen möchten? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail mit dem Stichwort "Hobby" an ksta-stadtteile@dumont.de 

Hobby-Modellbahner haben nicht nur eine technische Ader, sie sind auch Tüftler, praktisch veranlagt und kreativ. Teiche und kleine Bäche werden mit Gießharz hergestellt. „Darin schwimmen braune Kümmelkörner, das sind die Fische“, sagt er und schmunzelt. Vor einigen Jahren hat Martin Röhrig eine Scheune entworfen und nach seinen eigenen Vorstellungen gebaut – mit großen Streichhölzern für die Verbretterung. Ein weiteres Meisterstück ist die runde Tankstelle mit Inneneinrichtung und Beleuchtung. „Die hat es in den 50er-Jahren wirklich gegeben – und zwar beim Autohaus Fleischhauer in Köln“, sagt Röhrig.

Eigene Modell-Manufaktur im Kölner Süden

Alte Fotos dienten als Vorlage, die Einzelteile hat er vorgezeichnet und aus Kunststoff anfertigen lassen. Entstanden ist ein Bausatz samt Montage-Anleitung – von Röhrig selbst verfasst. Das hat ihn dazu motiviert, eine eigene Modell-Manufaktur zu gründen. Ungefähr 200 Mal hat Röhrig den Bausatz für die Tankstelle verkauft, für 80 Euro das Stück.

Schon als Kinder haben sich Röhrig und Gomoll für die Modelleisenbahn begeistert. „Eine einzelne gerade Schiene hat damals 65 Pfennig gekostet“, erzählt Gomoll. Damals, das war 1959 und er gerade mal in der ersten Klasse. Heute besitzt er 100 Loks, alle aus der Epoche III, also aus den Jahren 1945 bis 1970. Zwischen 300 und 1000 Euro geben die Modellbahner für einzelne Lokomotiven und Triebwagen aus. Preiswert ist das Hobby nicht. Hochwertige Starter-Sets für Erwachsene sind ab 300 Euro zu haben. Für Kinder sind die Angebote etwas günstiger.

Nur für den Spaß an der Freude

Die Sürther wissen, dass Modelleisenbahn nicht gerade das Top-Hobby dieser Tage und kaum Nachwuchs in Sicht ist. Allerdings glauben sie, dass es einen Aufschwung geben wird. Denn Hobbys sind wieder stark gefragt, das sagen Freizeitforscher und das belegen Studien. Denn ohne Druck von außen, ohne Anspruchs- und Leistungsdenken bieten sie die Chance, zur Ruhe zu kommen, sich von der Arbeit zu erholen, den Rest der Welt außen vor zu lassen – zumindest für ein Weilchen. „Man fühlt sich hinterher gut“, sagen Psychologen. Das können die Sürther Modellbahner nur bestätigen. Mit einem beherzten Nicken – und einem stolzen Blick auf die Modelleisenbahn. www.mbf-suerth.de www.koelner-modell-manufaktur.de 

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