Die hochgradig demente Bewohnerin wurde schwer verletzt, ihr Bruder hat die Polizei eingeschaltet. Das Heim prüft mögliche Verbesserungen.
Anzeige gegen Seniorenheim76-jährige Kölnerin stürzt im Rollstuhl ungesicherte Treppe hinunter

Pflegekräfte fanden die Frau schwer verletzt und hilflos auf dem Treppenabsatz. (Symbolbild)
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Seit Jahren schon sitzt Marita S. im Rollstuhl. Die 76-Jährige ist schwerbehindert, an multipler Sklerose erkrankt, hochgradig dement. Pflegestufe 4. Sie wohnt im Maternus-Seniorencentrum in Köln-Rodenkirchen. Im Rollstuhl kann sie sich aber noch selbstständig bewegen. „Wenn ich sie besuche, ist sie immer hocherfreut, sie erkennt meine Frau und mich auch noch. Aber ein wirkliches Gespräch mit ihr ist schon lange nicht mehr möglich“, sagt Harald S. Er ist der Bruder und gesetzliche Betreuer von Marita S.
Seit voriger Woche hat sich der Zustand der 76-Jährigen noch einmal dramatisch verschlechtert, auf der Intensivstation eines Krankenhauses kämpft sie ums Überleben. Laut Darstellung ihres Bruders ist Marita S. am Mittwoch, 10. Dezember, in einem unbeobachteten Moment mit ihrem Rollstuhl eine Treppe an der für Bewohnerinnen und Bewohner frei zugänglichen Terrasse in der ersten Etage des Wohnheims hinuntergestürzt. Die Treppe ist ein Flucht- und Rettungsweg, sie führt direkt auf die Straße, der obere Zugang an der Terrasse war aber offensichtlich nicht gesichert.
Köln: 76-Jährige lag hilflos auf dem Treppenabsatz
Gegen 13 Uhr sei seine Schwester am Fuße des oberen Treppenabschnitts gefunden worden, schildert Harald S. Wie lange sie dort hilflos neben ihrem ramponierten Rollstuhl gelegen habe, sei unklar. Harald S. hat nach eigenen Angaben bei der Polizei Anzeige erstattet wegen grober Verletzung der Aufsichtspflicht und des Verdachts der fahrlässigen schweren Körperverletzung. Ein Polizeisprecher wollte sich auf Anfrage mit Verweis auf den Datenschutz nicht äußern.
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Was Harald S. besonders fassungslos macht: „Trotz des Absturzes meiner Schwester besteht der völlig ungesicherte obere Terrassen-Zugang zu dieser Treppe nach wie vor, ebenso ist der unhaltbare Treppen-Zustand unverändert.“ Die Stufen des Notausgangs seien feucht und in einem desolaten hygienischen Zustand. „Auch für mobile Personen wären sie in einem Notfall wohl nur mit höchster Vorsicht begehbar.“
Wir bedauern den Unfall der Bewohnerin in unserer Einrichtung sehr und prüfen die Situation zudem umfassend
Eine Sprecherin der Cura-Unternehmensgruppe, die das Maternus-Seniorencentrum betreibt, betont, man bedauere den Unfall der Bewohnerin sehr. Man nehme den Vorfall ernst und überprüfe „die Situation sowie unsere Abläufe sorgfältig“.
In der Vergangenheit sei der Zugang zur Treppe mit einem Fallschutz versehen gewesen. Dieser habe aber „auf ausdrückliche Anweisung der Feuerwehr“ entfernt werden müssen, weil Flucht- und Rettungswege nicht abgesperrt oder durch Hindernisse eingeschränkt werden dürften. Im Übrigen sei die Treppe trocken.

Marita S. liegt in den Tagen nach dem Sturz auf der Intensivstation eines Krankenhauses.
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Regenwasser sei „in der Vergangenheit“ zeitweise abgeleitet worden, weil ein Abfluss verstopft gewesen sei. „Dies steht allerdings in keinerlei Verbindung zu dem Unfallhergang.“
Seine Schwester sei oft im Rollstuhl durch das Seniorenheim gefahren, sehr langsam, sie habe gerne „herumgeguckt und ausgekundschaftet“, erzählt Harald S. Für die demente Frau sei es die einzige verbliebene Leidenschaft gewesen, ab und zu eine Zigarette auf der Terrasse zu rauchen.
So wohl auch am 10. Dezember. Zeugen des Unfalls gibt es offenbar nicht. Mit Brüchen des Oberschenkels, eines Schienbeins, des Schlüsselbeins, mit Rippenbrüchen, einem zertrümmerten Kniegelenk und weiteren Verletzungen sei Marita S. im Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht worden. Man habe sie operiert, seitdem werde sie künstlich beatmet. Harald S. hat sie auf der Intensivstation besucht. „Sie konnte nur ein Augenlid anheben. Ich weiß nicht, ob sie mich erkannt hat.“
Die Notausgangstreppe im Seniorenheim liegt ein paar Meter abseits der möblierten Hauptterrasse. Der Bereich um die Treppe sei zwar zugänglich, es sei aber kein regulärer Aufenthaltsbereich, und er werde von den Bewohnern auch „nur selten frequentiert“, sagt die Cura-Sprecherin. Marita S. halte sich regelmäßig eigenständig auf der Terrasse auf. Dass sie sich alleine dorthin bewegt habe, entspreche ihrem „üblichen und bislang unauffälligen Verhalten“.
Auf die Frage, ob die Treppe inzwischen gesichert sei, antwortet die Cura-Sprecherin schriftlich, man prüfe „im Rahmen der geltenden rechtlichen Vorgaben mögliche weitere Verbesserungen“. Harald S. hat nun auch die zuständige Aufsichtsabteilung bei der Stadt Köln eingeschaltet.

