„Hat mir nicht gut getan“Corona trifft Kölner Leiharbeiter in der Gastronomie hart

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Lars Richter ist seit einem Jahr in Kurzarbeit.

Köln – Lars Richter lacht, fröhlich ist er aber nicht. „Ich merke, dass mir das Jahr nicht gut getan hat“, erzählt der 36-jährige Kölner. Nicht ohne Selbstironie verweist er dabei auf seine Kleidung, die ihm aufgrund mangelnder Bewegung in der Pandemie nicht mehr passt. Seit einem Jahr ist Richter mittlerweile in Kurzarbeit. Eigentlich würde er zu dieser Jahreszeit Kölschkränze und Tabletts voller Sektgläser durch Massen von Geburtstags- und Hochzeitsgästen balancieren. Vornehmlich in den Rheinterrassen und im Eden Hotel Früh am Dom. Aber Kellner haben es in der Corona-Krise nicht leicht – und für Leiharbeiter wie Richter sieht es noch düsterer aus. Denn selbst wenn die Gastronomie im vergangenen Jahr für kurze Episoden wieder öffnen durfte und Events zumindest im Mini-Format stattfanden: Zuerst setzten die Restaurants und Veranstaltungsfirmen ihr eigenes Personal ein.

Weil sein Arbeitgeber Eventis keine Aufträge mehr für ihn hatte, verbrachte Lars Richter das Jahr hauptsächlich in seiner Wohnung. Eventis ist ein auf die Gastronomie spezialisierter Personaldienstleister, der in mehreren Bundesländern aktiv ist. „In Köln hatten wir zirka 50 Mitarbeiter. Von diesen Mitarbeitern haben wir drei in Kurzarbeit übernommen. Den Rest mussten wir kündigen, da viele auch als Aushilfe beschäftigt waren“, sagt Geschäftsführer Frank Blümel. Intern diskutierte der Eventis-Boss auch über andere Einsatzmöglichkeiten, letztlich lehnte er dies aber ab, „da ich unsere Kompetenz in der Gastronomie sehe und nicht auch noch auf andere fahrende Züge aufspringen wollte“, sagt Blümel.

3365 Personen in NRW als Leiharbeiter in der Gastronomie

Deshalb heißt es abwarten und hoffen, dass das Kurzarbeitergeld rechtzeitig überwiesen wird. Das sei nicht immer der Fall, sagt Blümel, besonders in Hessen, aber auch in Köln habe es schon Probleme gegeben. Trotzdem sei Eventis finanziell für einen Neubeginn bestens ausgestattet. „Dennoch wird es dann auch noch dauern, bis wir wieder auf der alten Spur zurück sind. Der lange Zeitraum des Stillstands verursacht natürlich auch einen Abschmelzungsprozess im Personalstamm. Wenn es wieder losgeht, fange ich komplett bei null an und muss alles wieder sukzessiv aufbauen“, so Blümel.

Laut einer Erhebung der Bundesagentur für Arbeit waren im Juni 2020 in NRW 3365 Personen als Leiharbeiter in der Gastronomie beschäftigt. Darunter fallen die ausgebildeten Voll- und Teilzeitkräfte sowie Aushilfen von Eventis. Die studentischen Aushilfen des Personaldienstleisters Zenjob zählen ebenfalls dazu. Das Berliner Unternehmen vermittelt seine Mitarbeitenden in verschiedenen Branchen, nicht nur in die Gastronomie und die Veranstaltungsbranche. Dazu gehören etwa E-Commerce, Logistik, Kundensupport, Einzelhandel sowie Gesundheitswesen. Dadurch kann Zenjob flexibel agieren. Neben dem Einzelhandel mit seinem pandemiebedingten erhöhten Bedarf wird auch in Impf- und Testzentren Personal gebraucht: „Es war eine große Herausforderung für die Träger, Ende letzten Jahres Impfzentren aus dem Boden zu stampfen. Wir arbeiten unter anderem mit dem Malteser Hilfsdienst und den Johannitern zusammen und unterstützen mit Personal in Impf- und Testzentren – auch dem Testzentrum der Malteser in Köln und dem Test- und Impfzentrum in Neuss“, sagt Fritz Trott, Mitgründer und CEO von Zenjob.

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Natürlich hatte auch Lars Richter den Gedanken, sich umzuorientieren und es in anderen Branchen zu versuchen. Aber bisher waren seine Bewerbungen erfolglos. Und der Gastronomie möchte er eigentlich genauso wenig den Rücken kehren wie seinem Arbeitgeber Eventis, bei dem er seit zehn Jahren in Vollzeit beschäftigt ist. Also wartet Richter – bis er endlich wieder seine Krawatte binden, die Schürze anlegen und den Kölschkranz in die Hand nehmen kann.  

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