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SommerhitzeIn Köln hat sich die Nachfrage nach Klimaanlagen mindestens verdoppelt

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Liebe zur Kühlung: Immer mehr Kölner lassen sich eine Klimaanlage einbauen.

Lange Zeit fremdelten die Deutschen mit klimatisierten Räumen: Zu unökologisch, zu teuer, am Ende ungesund. Dass die Abneigung bröckelt, liegt am Klimawandel, aber nicht ausschließlich. Ein Blick auf Köln und die Region.

Würde man eine Kühllandkarte von Köln und der Region erstellen, dann würden sich die blaumarkierten Flächen von Jahr zu Jahr ausdehnen wie Tinte auf einem Taschentuch. Früher war der Einsatzradius von Klimaanlagenbauern auf wenige Orte beschränkt: „Lebensmittelhandel, Labore, Leichenhäuser, vielleicht ein paar Villen“, zählt Marc Schmitz, Obermeister und Sachverständiger bei der Innung Sanitär Heizung Klima Köln auf. Heute sei vor allem die private Anfrage nach Klimaanlagen „nicht unerheblich“ gestiegen. „Die Anfragen haben sich seit dem Ende der Pandemie mindestens verdoppelt“, sagt Schmitz auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dabei sei die Raumkühlung nicht mehr zwingend nur den Luxusimmobilien vorbehalten. Zwar brumme das Geschäft weiter am meisten in Kölns wohlhabende Stadtteilen wie Hahnwald, Marienburg, Rodenkirchen und Junkersdorf. Aber: „Ich würde sagen, etwa die Hälfte aller, die heute ein Haus sanieren oder bauen, fragen proaktiv nach den Möglichkeiten einer Klimaanlage – da sind auch viele junge Familien dabei, die durchaus rechnen müssen.“ Auch in Mietwohnungen im Mittelstand werden heute Klimaanlagen eingebaut. Heute müsse man deshalb durchaus mit Wartezeiten von bis zu sechs Wochen rechnen.

Global gesehen sind Klimaanlagen seit Jahrzehnten auf dem Vormarsch. In den USA scheint kaum jemand ohne zu leben, aber auch Städte wie Dubai, Athen, Madrid, Bangkok und Singapur hätten ihren wirtschaftlichen Aufschwung wohl kaum ohne Klimaanlagen erlebt. Hierzulande sind jedoch viele Büros gar nicht oder schlecht klimatisiert, ebenso Geschäfte, Hotels und Restaurants. Die Deutsche Bahn fällt immer wieder durch ausfallende Klimaanlagen in ICE-Zügen auf. Und lange Zeit prägte den deutschen Markt eine gewisse Skepsis gegenüber den Kältebringern. Die Kulturwissenschaftlerin Eva Horn von der Universität Wien erklärt das mit kulturellen Gewohnheiten. „Die Erfahrung, aus der Hitze in einen gefühlt eiskalten Raum zu kommen, ist für Deutsche ungewohnt.“ Die Professorin hat 2024 das Buch „Klima - Eine Wahrnehmungsgeschichte“ herausgegeben.

Lange Zeit war Heizen wichtiger als Kühlen

Uwe Franzke, Geschäftsführer beim Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK) in Dresden meint: „Während in Südeuropa, Asien oder den USA die Klimaanlage längst zum Standard gehört, wird in Deutschland die Klimaanlage nach wie vor negativ betrachtet.“ Dieses Fremdeln habe neben den Kosten und den typisch deutschen Umweltbedenken noch weitere Gründe.

Wie der ILK-Chef erläutert, ist das zum einen historisch geprägt: „Kühlung galt lange als Luxus – Heizen war wichtiger.“ Zudem gebe es verbreitete Gesundheitsbedenken: „Viele empfinden Klimaanlagen als krankmachend – Zugluft, trockene Luft, Erkältungsrisiko und nicht zuletzt Lautstärke.“ Und vielleicht gründet sich die lange Klimaanlagenaversion auch darin, dass Deutsche sehr lange Zeit einfach nicht daran glaubten, dass das warme Wetter hält. Amy Gutmann, bis 2024 US-Botschafterin in Deutschland, sagte mal: „Wenn man zu einem Deutschen sagt: Wie schön die Sonne heute scheint“, dann antwortet er: Ja, aber morgen regnets“.

Aber langsam sickert es auch hierzulande durch: Der Regen bleibt aus. Das Thermometer schielt nach neuen Rekorden. Und so scheint sich die Lage im Kühlungsbusiness nicht nur in Köln zu ändern. Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass die Produktion von Klimaanlagen im vergangenen Jahr sprunghaft um gut 92 Prozent auf knapp 317.000 Geräte deutschlandweit angestiegen ist. Innerhalb von fünf Jahren kletterte die Produktion laut Bundesamt für Statistik um rund 75 Prozent. In dieser Zeitspanne wurden auch deutlich mehr Klimageräte importiert - der Warenwert stieg seit 2019 um fast 50 Prozent. Vor einem Jahr investierte Bosch acht Milliarden Euro in Heiz- und Klimatechnik und übernahm die Klimatechniksparte von Johnson Control, es war der größte Zukauf in der Unternehmensgeschichte. Das Geld sieht man gut investiert, man erwartet bei Bosch ein Wachstum bei Klimaanlagen von 30 Prozent.

Preise für Klimaanlagen sind deutlich gesunken

Dass sich plötzlich alle fürs Kühlen interessieren, liegt nicht nur an den steigenden Temperaturen, die gerade in Deutschlands Städten zuweilen für unerträgliche Wohnbedingungen sorgen. Es liegt Experten zu Folge auch daran, dass die Preise deutlich gesunken sind.

Marc Schmitz

Marc Schmitz von der Innung Sanitär und Heizung Klima Köln sagt: „Die Klimaanlage braucht anders als die Heizung ihren Strom im Sommer, wenn auch die Sonne scheint. Fast immer lässt sie sich der Bedarf da von der Solaranlage decken.“

Aber auch die Bandbreite an Möglichkeiten habe zugenommen, das weiß Klimaanlagenexperte Schmitz, der seit rund 30 Jahren in dem Gewerbe tätig ist. Vor allem für diejenigen, für die das Wort „Klimaanlage“ immer die lästigen Begleiter „unökologisch“ und „Klimawandel“ an der Hand hält. Denn erstens sei die Wärmepumpe, die sich in den vergangenen Jahren einen Namen als CO2-Sparerin machte, auch als Kühlpumpe einsetzbar. Zweitens habe die Kombination eines Wärmereguliergerätes mit einer Photovoltaikanlage im Sommer natürlich einen entscheidenden Vorteil: „Die Klimaanlage braucht anders als die Heizung ihren Strom im Sommer, wenn auch die Sonne scheint. Fast immer lässt sie sich der Bedarf da von der Solaranlage decken“, sagt Schmitz, dessen Firma in Ossendorf sitzt. Und auch wer keine eigene Stromgewinnung auf dem Dach habe, könne die Anlage ja mit gekauftem regenerativem Strom betreiben. Zudem seien die Anlagen in den vergangenen Jahren deutlich effizienter geworden. Vor allem im Fortschritt bei den Wärmepumpen.

Wie viele Klimaanlagen es genau auf Kölner Stadtgebiet gibt, lässt sich nur schätzen. Energieversorger jedenfalls können auf Anfrage dazu keine Angaben machen, da die meisten Anlagen unter fünf Kilowatt Strom verbrauchen und deshalb nicht identifizierbar seien. Jüngst ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Innofact im Auftrag des Verbraucherportals Verivox allerdings, dass knapp jeder Fünfte der Befragten zu Hause ein Klimagerät nutzt. In den Zahlen nicht enthalten sind diejenigen, die eine Wärmepumpe besitzen, die auch zur Kühlung eingesetzt werden kann. Annähernd zwei Drittel der Klimaanlagenbesitzer verwenden ein mobiles Gerät, einen sogenannten Monoblock. Diese sind meist günstiger, aber weniger effizient als verbaute Anlagen. Jan Amos von der Firma Klima Becker mit Sitz in Pulheim Brauweiler spricht von einem Faktor vier zu eins. „Bei einem Monoblock ist es ein bisschen so, als würden Sie die Klimaanlage im Auto hochdrehen, aber gleichzeitig das Fenster runterlassen. Das bringt nicht wirklich Abkühlung“, sagt er. Schuld ist der dicke Schlauch, der die warme Luft aus dem Gebäude ausleitet, wofür entweder das Fenster geöffnet oder ein Loch in die Wand geschlagen werden muss. „Und auf diesem Weg kommt ja auch die warme Luft wieder in die Wohnung.“  In den meisten Fällen ist der Monoblock laut Amos daher „Geldverschwendung“. Marc Schmitz warnt zudem vor der Lautstärke. „Wenn da nur ein kleines Teil vibriert, wird es zwar kühler, aber Sie können wegen des Lärms nicht mehr schlafen.“

Auch in Industrieanlagen und Büros der Region spielt die Temperaturreduzierung eine wachsende Bedeutung. Der Bedarf steigt nicht nur, weil größere EdV-Anlagen mit immer größerer Rechnerleistung sonst überhitzen würden. Zuweilen werben Arbeitgeber gar mit einem besonders kühlen Arbeitsumfeld neue Kräfte an. Jan Amos von Klima Becker sagt: „Die Klimaanlage ist der neue Obstkorb.“ (mit dpa)


Split-Anlagen: Fest installierte Klimaanlagen (Split-Anlagen) kosten zwischen 1000 und 4000 Euro und müssen von Fachleuten installiert werden. Dafür sind die jährlichen Stromkosten niedrig: Je nach Gerät und benötigter Leistung liegen sie zwischen 50 und 100 Euro pro Jahr.

Monoblöcke: Günstiger in der Anschaffung und schneller aufgestellt sind mobile Klimaanlagen (Monoblöcke), die es bereits ab 200 Euro im Baumarkt gibt. Dafür kühlen sie weniger gut als Split-Geräte und haben einen höheren Stromverbrauch. Je nach Energieeffizienz und Leistungsstärke liegen die jährlichen Stromkosten zwischen 100 und 200 Euro.