Stadtwanderung durch KölnVorbei an Mühlen und Burgen am rauschenden Bach

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Von Buchheim nach Dünnwald: Mitten in Köln: Grünes Idyll an der Herler Mühle in Buchheim.

Von Buchheim nach Dünnwald: Mitten in Köln: Grünes Idyll an der Herler Mühle in Buchheim.

Köln – Helmut Frangenberg, Redakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“, hat einen Wanderführer geschrieben – mit 14 Touren, die dahin führen, wo sich der Alltag Kölns abspielt: Vorbei an Hochhäusern und Villen, durch Szene-Viertel und ländliche Stadtteile, durch Parallelgesellschaften und über Industriebrachen; zu historischen Zeugnissen und den Orten, wo die Zukunft bereits begonnen hat. In vier Folgen lesen Sie Auszüge aus den Tourenvorschlägen. Diesmal geht es von Buchheim nach Dünnwald.

Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auf dem Weg entlang der rechtsrheinischen Bäche klappernde Mühlen, mittelalterliches Landleben und Ritter auf Pferden vorzustellen. Gut, sie würden heute von Autos überfahren, aber völlig ungefährlich und nur beschaulich war das Leben in grauer Vorzeit ja auch nicht. Hier wurde Krieg geführt, das große Dünnwalder Kloster geplündert und ohne Rücksicht auf die Natur das Letzte aus den Bächen herausgepresst. Die Strunde trieb einst rund 40 Mühlräder an. Die Bäche waren Energiequelle für Wirtschaftsbetriebe, für Landwirtschaft und Industrie. Nicht nur deshalb ist dieser Weg ein Spaziergang durch 1000 Jahre Kölner Ökonomiegeschichte: Er führt vorbei an Kiesgruben und dem Dünnwalder Klosterhof hin zur ältesten Arbeitersiedlung der Region.

Der Weg beginnt in einer ländlichen Idylle zwischen Königshof, Wasserburg, Strunde und Faulbach. Die Herler Burg und die gegenüber im Grünen liegende ehemalige Mühle sind beeindruckende Überbleibsel lang vergangener Zeiten. Das Gut ist die älteste Wasserburg im Rechtsrheinischen. Der im bergischen Stil erbaute Fachwerkhof der Herler Mühle war früher eine Öl- und Getreidemühle. Das Mühlrad ist noch erhalten.

Mit dem Schlagbaumsweg überqueren wir die Autobahn und biegen gleich dahinter links ein, wo man eines der seltsamsten Bauwerke der Stadt besichtigen kann, das Kreuzwasser. Schon vor 1000 Jahren wurde die Strunde künstlich in Hochlage versetzt, damit der Faulbach ungestört darunter hindurchfließen kann. Der Grund für die aufwendige Brückenkonstruktion war die zunehmende Verunreinigung der Strunde durch die vielen Betriebe, die ihr Wasser nutzten. Der Faulbach sollte möglichst sauber gehalten werden und als Strunde-Ersatz die Mülheimer mit Wasser versorgen.

Der Weg führt weiter vorbei an der Gesamtschule Holweide und der ehemaligen Wichheimer Mühle. Die Wichheimer Straße führt zur Isenburg. Inmitten von Viehweiden und Wiesen erhebt sich ein bergisches Rittergut aus dem 14. Jahrhundert. Die beeindruckende Anlage ist leider nicht mehr zugänglich, seit 2011 auch das Restaurant am Wassergraben schloss. Die Strunde fließt vorbei an schönen, kleinen Häusern, einige mit Fachwerk und Gärten. Köln ist ein Dorf, hier ganz besonders. Aber das Viertel steht eben auch für die Zeit, in der aus der ländlichen Region Vorstadt wurde. Aus den Mühlen wurden Industriebetriebe, wie die ehemalige Schweinheimer Mühle, über deren Zukunft gestritten wird.

Siedlung für Hexen und Zauberer

Iddelsfelder und Neufelder Straße sowie das kleine Rapunzelgässchen bringen uns zur wunderschönen Holweider Märchensiedlung aus den 1920er Jahren. Große Familien mit geringem Einkommen sollten hier die Chance haben, Häuser mit fünf bis sechs hellen Zimmern und Gärten zur Selbstversorgung zu beziehen. Manche Häuser wirken – zugewachsen und umrankt – wie die verwunschenen Behausungen der Hexen und Zauberer aus den jeweiligen Märchen. Über den Rotkäppchenweg gelangt man zu einem Platz mit einer großen Kastanie. Über die Siebenrabengasse und die Märchenstraße kommt man zur Bergisch Gladbacher Straße. Man folgt der Heidestraße, unterquert die Eisenbahngleise und findet so den Zugang zur Dellbrücker Heide. Über einen Pfad durch die Büsche gelangt man zum See im Naturschutzgebiet. Der „Heidesee“ liegt inmitten eines großen Areals, das jahrzehntelang vom Militär genutzt wurde. Neben den Überbleibseln der Panzerstraßen erkennt man noch hier und da Fundamente einstiger Hallen und Lagerräume.

Geheimtipp der FKK-Szene

Gleich hinter der Heide liegt ein weiteres Stück prächtiger Natur: Der 20 Hektar große Höhenfelder See ist ein ehemaliges Baggerloch. Das Badeverbot wird nicht von jedem eingehalten. Der See galt als Geheimtipp der FKK-Szene, die sich in Internetforen über die größer werdende Zahl bekleideter Ausflügler beklagte. Das klingt nach Rummel, doch davon ist hier nur selten etwas zu spüren.

Auf der anderen Seite des Kalkweges in nordwestlicher Richtung findet man nicht nur eine nachgebaute Köhlerhütte, sondern auch ein auf den ersten Blick seltsames Areal mit bewachsenen Gräben und Hügeln. Es sind die Überreste eines großen Schießplatzes. Zwischen den auf rund 200 Metern nebeneinander angelegten Erdwällen, die als Schießscharten dienten, übten das preußische Militär und später auch Wehrmachtssoldaten. In der NS-Zeit wurden hier zahlreiche Menschen hingerichtet.

Durch den Wald erreicht man den Wildpark Dünnwald, das Gelände des Waldbads und den Lauf des Mutzbachs. Auch für ihn wurde ein künstliches Bett geschaffen, um Mühlen anzutreiben. Wir folgen dem Bachlauf vorbei am Gehege einer Wisent-Herde, hübscher Schnitzkunst, bemerkenswerten Zugbrücken-Konstruktionen, die den Anwohnern übers Wasser helfen sollen, und dem Standort einer weiteren ehemaligen Mühle. Der Gasthof an der Walkmühle war mal ein beliebter Veranstaltungsort in Dünnwald. Seit seiner Schließung 2006 hoffen die Dünnwalder, dass ihr Tanzsaal nicht abgerissen wird.

Der Bach fließt auf der anderen Seite des Mauspfads weiter. Wenn man von der Straße „Im Leuchterbruch“ nach ein paar Metern links in den Wald abzweigt, stößt man auf einen Anschauungsgarten der „Schutzgemeinschaft Deutscher Wald“ und auf die prachtvolle Villa Haan, ein ehemaliges Rittergut. Über Leuchterbruch und Durginweg kommt man zurück zum Mutzbach, der die evangelische Tersteegenkirche und die katholische Pfarrkirche St. Hermann-Josef trennt. Die Von-Diergardt-Straße stößt auf die Berliner Straße, die Hauptstraße des Ortes, die dringend ein paar frische Impulse braucht. Vorbei am Stellwerk Df von 1929 bringt die Prämonstratenserstraße den Stadtwanderer zum Klosterhof und der wunderbaren romanischen Kirche St. Nikolaus. Prachtvoll, aber ohne Protz und Prunk präsentiert sich die alte Stiftskirche wie in vielen Jahrhunderten zuvor.

Hochhäuser in der Mutzbachaue

Nur wenige Minuten in nördlicher Richtung von diesem schönen Ort entfernt, kann man einen Tiefpunkt städtischer Planungskultur besichtigen, die Siedlung „Am Donewald“, die in den 1990er Jahren von den städtischen Baugesellschaften GAG und Grubo aus dem Boden in die eigentlich geschützte Mutzbachaue gestampft wurde. In der aktuellen Debatte über fehlenden Wohnraum in der Stadt wird diese Siedlung gern als Referenzobjekt genannt. Für die einen ist sie ein Beispiel dafür, wie viel man schaffen kann, wenn man nur will. Für die anderen ist sie ein Beleg für eine menschenunfreundliche Massenunterbringung. Ohne städtebaulichen Wettbewerb wurde nach Schema F sozialer Wohnungsbau betrieben, der zwar rund 2300 Menschen eine bezahlbare Bleibe sicherte, aber von Anfang an alle Voraussetzungen für soziale Probleme schuf: keine soziale Mischung, fehlende Infrastruktur, zu wenige Freizeitangebote für bis zu 1000 Kinder und Jugendliche. An der Ecke von Leimbachweg und Auguste-Kowalski-Straße haben Kinder aus der Nachbarschaft ein Kunstwerk in grauer Tristesse geschaffen und ihre Wünsche in einer Street Art Gallery verewigt.

Wohnparadies Am Kunstfeld

Durch Aue, Feld und Wald gelangt man zu einer Wohnsiedlung, die ebenfalls für Menschen mit weniger Geld geplant wurde, aber doch völlig anders aussieht. Das abgelegene Wohnparadies „Am Kunstfeld“ mit Deutschlands einziger denkmalgeschützter Toilettenanlage wurde für die Belegschaft der Chemiefabrik „Wöllner & Mannes“ gebaut. Die Chefs der Firma lockten von 1820 an Arbeiter mit bester Wohnqualität in bergischem Landhausstil. Für sich selbst bauten sie prächtige Herrenhäuser.

Von der alten Fabrik ist nichts übrig geblieben. 1869 hatte sich der Schwiegersohn des Firmengründers von der Produktion von Kunstprodukten wie Salmiak und Soda auf Sprengstoff verlegt. Eine Konzession soll er dafür nicht gehabt haben. Die Fabrik flog in die Luft, viele Arbeiter starben. Gegenüber dem ehemaligen Unternehmerhaus, Am Kunstfeld 1, führt ein Waldweg zurück zur Berliner Straße und schließlich zum Dünnwalder Mauspfad.

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