In den letzten Tagen vor der Kommunalwahl hören die Straßenwahlkämpfer oft: „Habe schon per Brief gewählt.“ Aber auch ein paar weniger freundliche Dinge.
StraßenwahlkampfIn Köln gibt es vor der Wahl viel gute Laune und ein paar Pöbeleien

Kommunalwahlen 2025: Ein bunter Mix aus Wahlplakaten auf der Venloer Straße in Köln.
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Das Aufstell-Fähnchen von Werner Habbel und Peter Pape ähnelt sehr dem der Parteien, die sich am Freitagvormittag ebenfalls am Rande des Wochenmarkts in Brück postiert haben. Die zwei Herren mit Hut werben aber nicht um Stimmen für die Kommunalwahl am Sonntag, sondern sie weisen auf die Aktion „Kunst in Brücker Gärten“ hin, die am Samstag und Sonntag stattfindet. Wählen gehen werden Habbel und Pape trotzdem, so viel Zeit muss sein. Wo sie ihr Kreuz machen wollen, wissen sie allerdings noch nicht so genau.
Er werde wahrscheinlich bei OB-, Rats- und Bezirksvertreter-Wahl für drei unterschiedliche Parteien stimmen, sagt Habbel. Der Personen wegen. „Die Parteiprogramme braucht man ja gar nicht zu lesen, da steht überall das Gleiche drin.“ Pape kreuzte bislang „stramm“ für eine bestimmte Partei, „da vermisse ich aktuell aber den Realitätsbezug“. Auch er ist daher zwei Tage vor der Wahl noch unentschlossen.
Tausch auf einem Kölner Wochenmarkt: Kunst-Flyer gegen Partei-Flyer
Direkt nebenan verteilt ein Wahlhelfer von Volt Infobroschüren. Pape tauscht seinen Kunst-Flyer gegen einen der Partei. Und Habbel sagt: „Letzte Woche stand die CDU direkt hinter uns, da sind die Leute alle an uns vorbei gegangen. Mal sehen, wie es mit euch läuft.“ Ein Stück weiter am Stand der Grünen gibt es Apfelsaft. Die SPD informiert am anderen Ende des Marktes. Die Stimmung sei gut, das sagen die Wahlhelfer aller Parteien, die wir am Donnerstag und Freitag im Wahlkampfendspurt treffen.
Auch jener von der CDU, der am Freitagvormittag auf der Schildergasse steht und die Menschen anspricht: „Am Sonntag sind Wahlen. Hier ein paar letzte Informationen.“ Ein Mann pöbelt im Vorbeigehen: „Ihr seid doch alle korrupt.“ Ein anderer ruft: „Ihr seid Betrüger.“ Das hören wir seit der Bundestagswahl von AfD-nahem Klientel häufiger, sagt der CDU-Mann.
Er nimmt die Anfeindungen sportlich. Viel häufiger hört er jetzt von den Menschen, dass sie schon per Brief gewählt hätten. Nach Angaben der Stadt Köln wurden bis Freitagmorgen für 267.286 Wahlberechtigte Briefwahlunterlagen ausgestellt. Bei insgesamt 817.709 Wahlberechtigten in Köln entspricht dies einem Anteil von 32,69 Prozent. Vor fünf Jahren lag die Quote zwei Tage vor der Wahl bei 30,59 Prozent. 206.762 hellrote Wahlbriefe sind bei dieser Wahl bisher bei der Stadt eingegangen. Die Rücklaufquote liegt damit bei 77,48 Prozent.
Mit der Stimmabgabe habe ich das Gefühl, meinen Beitrag geleistet zu haben.
Renate Herkert gehört zu jenen Briefwählern, die bereits alles erledigt haben. Den Fleyer von Volt nimmt sie auf dem Brücker Wochenmarkt trotzdem: „Fürs nächste Mal.“ Dass viele gar nicht erst wählen gehen, findet die 70-Jährige „ganz traurig“. Sie beklagt allerdings auch, dass es nicht so einfach sei, sich zu informieren, wenn man nicht täglich Zeitung lese und sich mit dem Internet nicht gut auskenne. „Außer von denen, die ich nicht mag, A Punkt, Punkt, Punkt, von denen hatte ich Flyer im Briefkasten.“ Wählen zu gehen sei ihr wichtig, weil sie erschreckend finde, was in der Welt passiert. Die Stimmabgabe gebe ihr das Gefühl: „Ich habe meinen Beitrag geleistet.“
Am Donnerstag, Wochenmarkt in Dellbrück. An den Wahlstand der SPD kommt ein junger Mann und sagt: „Guten Tag, ich bin interessiert.“ Umgehend bekommt er Infomaterial ausgehändigt, inklusive Notizblock und Kugelschreiber. Ob er denn konkrete Fragen habe? „Ich bin nicht informiert genug, um Fragen zu stellen“, sagt der junge Mann. Verdutztes Schweigen, verlegenes Lächeln. Der Wähler zeigt auf die Informationen, das sei gut, sagt er: „Vielen Dank.“ Dann zieht er weiter.
Gegenüber stehen die Grünen. „Am 1. August durften wir die Plakate aufhängen, da haben wir auch mit den Wahlkampfständen losgelegt“, erzählt eine Wahlkämpferin. Seit sechs Wochen stehen sie jeden Donnerstag und Samstag in Dellbrück, die Konkurrenz von den anderen Parteien immer in Sichtweite. „Am Anfang kamen noch Menschen, die ganz verwundert waren, dass schon wieder Wahlen anstehen“, sagt die Grünen-Wahlkämpferin.
Am Freitag schlendern vier junge Männer an den CDU-Wahlkämpfer in der Schildergasse heran. „Am Sonntag sind Wahlen, wisst ihr das?“, fragt er. „Wir wissen Bescheid“, antwortet einer. Als die vier erzählen, dass sie aus dem Rhein-Sieg-Kreis kommen, will sich der Kölner Wahlkämpfer abwenden. Aber die vier Männer, alle um die 20 Jahre alt, sind hartnäckig: „Mit einem Kuli könnten sie uns überzeugen.“ Sie bekommen Stifte samt Notizblöcken. Und am Sonntag gehen sie wählen? „Na klar“, sagt Ilias Emili: „Man muss seine Möglichkeiten nutzen.“ Hilmi Sevimli fügt mit Nachdruck an: „Jede Stimme zählt.“