Streit der WocheBraucht Köln künftig viel mehr Hochhäuser als heute?

Lesezeit 5 Minuten
paul-gilmore-3vN2MY_cFtM-unsplash

Die Skyline von Köln.

  • Am Kölner Friesenplatz soll ein Büroturm hundert Meter in die Höhe gebaut werden – Ausdruck moderner Architektur oder völlig deplatziert in einer alten Stadt? Sind Hochhäuser für Köln, das aus allen Nähten platzt, eine Lösung?
  • Nein, sagt Tim Attenberger. Die fehlgeschlagenen Experimente aus der Vergangenheit in Köln zeigen, dass Hochhäuser auf Dauer mehr Probleme schaffen als sie zu lösen.
  • Ja, sagt Christian Hümmeler. Wenn Hochhäuser klug platziert werden, sind sie ein Gewinn für die Stadt.
  • Unser Streit der Woche.

Köln – Hochhäuser standen für Köln schon einmal ganz hoch im Kurs. Auf dem Reißbrett, 2004, als es kühne Pläne gab für ein ganzes Feld von Hochhäusern zwischen Rhein, Deutzer Bahnhof und Technischem Rathaus.

Helmut Jahn, deutsch-amerikanische Architektenlegende, hatte für Deutz einen schlanken, rund 110 Meter hohen Turm gezeichnet, der sich exakt zwischen Bahngleise und Opladener Straße einfügte. Doch die Unesco drohte wegen der Nähe der Hochhäuser zum Dom mit Entzug des Weltkulturerbestatus der Kathedrale – in der Folge kippten die Pläne weitgehend. Lediglich der Köln-Triangle genannte gläserne Turm auf dreieckigem Grundriss östlich des Hyatt-Hotels erinnert noch daran. Und das von Jahn beplante Grundstück liegt immer noch brach.

Mit ihrem Antrag auf eine Aufweichung des Höhenkonzepts für die linksrheinische Innenstadt hat die Politik die Debatte nach vielen Jahren wieder aufgenommen. Das ist grundsätzlich richtig. Doch statt nun einfach wahllos Solitäre zu genehmigen, wie sie etwa gerade am Friesenplatz diskutiert werden, lohnt ein Blick auf die Stadtsilhouette. Denn der fällt nicht besonders inspirierend aus. Zwischen Uni-Center im Südwesten und Colonia-Haus am Norden findet sich immer mal wieder ein hohes Haus zwischen der maximal fünfgeschossigen Normalbebauung, ein Konzept lässt sich aber nicht erkennen, dafür aber solche Sündenfälle wie die Hochhäuser im Inneren Grüngürtel entlang der Inneren Kanalstraße. New York ist das jedenfalls nicht. Soll es ja auch gar nicht sein. Aber schon die Silhouette von Frankfurt zeigt, dass Hochhäuser vor allem dann wirken, wenn sie gebündelt stehen – so wie einst in Deutz geplant.

Das könnte Sie auch interessieren:

Der damalige Standort hat sich zwar erledigt. Doch die Idee eines kompakten Hochhaus-Clusters auf der rechten Rheinseite als moderner Gegenpol zur linksrheinischen Innenstadt, in der der Dom und die Romanischen Kirchen weiterhin das Höhenmaß der Dinge sind, lohnt durchaus eine neue Debatte. Zwar ist manche Fläche, die sich für ein solches Hochhausviertel geeignet hätte, inzwischen durch andere Planungen belegt.

So wäre etwa das Areal der ehemaligen Chemischen Fabrik Kalk ein ideales Gelände gewesen für ein solches Hochhauszentrum – extrem verkehrsgünstig gelegen, weit genug entfernt vom Dom und groß genug für eine wirklich umfangreiche Entwicklung. Was würde man heute angesichts des Mangels an attraktivem Büroraum geben für eine derartige Chance. Doch die Verantwortlichen präferierten eine Vorstadt-ähnliche Bebauung mit Baumarkt, Einkaufszentrum und McDonald’s. Chance vertan.

Ganz Stadt in den Blick nehmen

Allerdings gibt es im Rechtsrheinischen durchaus weitere Standorte für Hochhäuser – wenn man sie denn will. Eine vorausschauende Stadtplanung muss diese Flächen identifizieren und Konzepte entwickeln, wie sie attraktiv bebaut werden können. Klar, entscheiden muss die Politik. Aber statt schlicht die Höhenbegrenzung auf der linken Rheinseite aufzuheben oder partiell Einzelinvestoren großzügig entgegenzukommen, gehört die ganze Stadt in den Blick genommen. Wer hier einen klugen Plan entwickelt, eröffnet tatsächlich neue Möglichkeiten des Wachstums für Köln – nämlich in die Höhe.

Christian Hümmeler 

Zweifelhafte Lösung 

Der Anblick von Hochhäusern vermittelt das Gefühl, sich in einer Metropole zu befinden. Das schafft kein anderer Gebäudetyp. Wer an eine Weltstadt wie New York denkt, der hat zwangsläufig die Wolkenkratzer vor Augen. In einer Welt, in der die Urbanisierung ein ungebrochener Trend ist, kann es nicht überraschen, dass das Hochhaus eine Renaissance erlebt. Sehr viele Menschen wollen in den großen Städten leben, doch dort gibt es nur wenige freie Flächen. Was läge näher als der Gedanke, den vorhandenen Raum möglichst optimal auszunutzen und deshalb in die Höhe zu bauen?

Hochhäuser sind nicht für jede Stadt geeignet

Nun lässt sich gegen Hochhäuser nicht grundsätzlich etwas einwenden. Sie prägen Städte und können sich zu Ikonen entwickeln – großartige Adressen wie das Empire State Building und das Chrysler Building in New York. Das bedeutet aber nicht, dass der Bau neuer Hochhäuser für jede Stadt geeignet ist. Zum Maßstab einer Stadt wie Köln, deren Straßenriss teils römisch und teils mittelalterlich geprägt ist, passen hundert Meter hohe Häuser jedenfalls nur sehr bedingt. Im Kernbereich innerhalb der Ringe haben sie nichts verloren, denn ihre Höhe würde die stadtprägende Wirkung des Doms nachhaltig zerstören.

Nicht umsonst schaut die Unesco sehr genau hin, wie sich das Umfeld des Weltkulturerbes verändert. Der Stadtrat hat 2007 zu Recht ein Höhenkonzept beschlossen, um die maximale Bauhöhe auf 22,50 Meter zu begrenzen. Fahrlässig wäre, diese Begrenzung jetzt aufzuweichen, indem am Friesenplatz deutlich höher gebaut wird.

Besonders fragwürdig wäre es aber, mitten in der Innenstadt ein Bürohaus zu bauen. Wenn schon ein Hochhaus entstehen soll, dann müsste es doch zumindest eines sein, in dem neue Wohnungen entstehen. Viel zu oft passiert es, dass die ohnehin rar gewordenen freien Flächen in Köln ausschließlich für gewerbliche Zwecke genutzt werden. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung am ehemaligen Güterbahnhof Mülheim. Dort entstehen Büros, aber kein gemischtes Wohn- und Büroquartier, wie es die moderne Stadtentwicklung vorsieht. Wiederum bleibt zweifelhaft, ob ausgerechnet Hochhäuser eine Lösung für die Behebung des Wohnungsmangels in Köln wären.

Soziale Brennpunkte

Die fehlgeschlagenen Experimente der 1960er und 70er Jahre haben gezeigt, dass Hochhäuser auf Dauer mehr Probleme schaffen als sie zu lösen. Solange es sich um moderne Neubauten handelte, waren sie attraktiv und zogen sehr unterschiedliche Bewohner an. Mit der Zeit veränderte sich der Zustand jedoch in vielen Fällen dramatisch – denn der Unterhalt von Hochhäusern ist teuer, insbesondere was den Brandschutz anbelangt.

So entwickelten sich viele dieser Gebäude über die Jahrzehnte zu sozialen Brennpunkten, in denen nur noch derjenige lebt, der sich anderes nicht leisten kann. Die aktuelle Situation in Köln darf nicht dazu führen, diese Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Hochhäuser gehören in die Weltstadt New York und nicht in die Rheinmetropole Köln. Besser wäre es, wenn die Stadt mehr Flächen bereitstellen würde, um endlich den seit Jahren dringend benötigten Wohnraum zu schaffen.

Tim Attenberger 

KStA abonnieren