Abo

„Es gibt diese magische Stunde“Eine Nacht im Odonien mit den DJs von Diode Eins

Lesezeit 5 Minuten
Die Mitglieder von Diode Eins sitzen und lachen in die Kamera.

Julien Hecker, Jerome Tiaden und Jannis Klimpel sind Diode Eins.

  • Diode Eins ist ein aufstrebendes DJ- und Produzententrio aus Köln.
  • Wir haben sie zu einem Auftritt im Odonien begleitet um zu verstehen:
  • Was fasziniert Tausende am Feiern auf elektronische Musik in Köln?

Köln – Es ist Samstag, 22 Uhr in einer WG-Küche, mitten in Köln-Ehrenfeld. Am Küchentisch sitzen, bei Kräutertee und Ofenkartoffeln, Jannis Klimpel, Jerome Tiaden und Julien Hecker, alle 24 Jahre alt. Zusammen sind sie das Künstler-Trio Diode Eins. Sie haben noch eine Stunde Zeit, bis sie zu ihrem DJ-Auftritt im Odonien aufbrechen müssen. Bis dahin wird entspannt, der Auftritt am Vorabend ging lang.

Jedes Wochenende feiern Tausende auf Techno in Köln

Ein ausgebuchtes Wochenende ist für die Künstler keine Seltenheit mehr. Ihren ersten Gig spielten sie gerade einmal zwei Monate vor dem ersten Lockdown. In einer Scheune bei Julien – aber bereits vor 400 Leuten. „Wir haben alle eingeladen, von denen wir wussten, dass sie Musik machen. Ich bin selten so nervös gewesen“, sagt er und lacht.

Mittlerweile treten Diode Eins in weltweit bekannten Berliner Elektro-Clubs wie dem Kit Kat oder dem Sisyphos auf. „Ich bin trotzdem froh, dass wir in Köln groß werden, nicht in Berlin“, sagt Julien. „Hier ist es auf jeden Fall familiärer. Trotzdem sind die Orte, um zu spielen, begrenzt. Unser Anspruch ist, auch über die Stadt hinaus bekannt zu werden“, sagt Jerome. Im November spielen sie in London.

Alles zum Thema Musik

Nicht nur der Erfolg des Trios zeigt: Elektronische Musik ist so populär wie schon lange nicht mehr. Auch in Köln. Vor dem Odonien, Artheater, Gewölbe oder Bootshaus stehen am Wochenende Tausende Schlange, nicht wenige reisen zum Feiern extra aus dem Umland an. Dazu kommen illegale Secret Raves, unter Brücken, in Wäldern, in abgelegenen Bunkern. Elektronische Musik, das zeigen auch endlos viele Videos auf Plattformen wie Tiktok oder Instagram, hat einen Hype.

Guten Techno zu produzieren ist nicht leicht

23.30 Uhr: In Ehrenfeld herrscht Aufbruchstimmung. Ab Mitternacht sind Diode Eins für die Veranstaltung „Lichtblick“ gebucht. Es wird sich umgezogen, fünfmal kontrolliert, ob auch wirklich alle USB-Sticks eingepackt sind. Darauf befindet sich das Material für den Abend: Songs, mit denen rund drei Stunden Set gefüllt werden sollen. „Mir macht es Spaß, am Anfang der Nacht aufzulegen. Die Leute kommen gerade erst an, man kann den Vibe bestimmen“, sagt Jannis. Der „Vibe“ und der Klang sind bei Diode Eins mittlerweile kein klassischer Techno mehr. Ihre elektronische Musik ist melodischer, weicher, sie sagen „emotionaler“. „Wir nennen es Progressive Melodic House“, sagt Jerome.

So klangen Diode Eins nicht immer. „Wir haben 2019 aus einer Naivität heraus gesagt – Techno machen ist total einfach, das kann doch jeder. Es ist auch leicht, irgendeinen Techno-Song zu produzieren. Wir haben aber schnell gemerkt, dass es schwierig ist, etwas wirklich Gutes zu machen. Etwas, das anders klingt, das einen in Trance versetzen kann“, sagt Jannis. „Für Außenstehende mag das vielleicht alles nach Techno klingen. Aber es sind Nuancen. Wir versuchen, in jedem Track etwas ein bisschen anders zu machen als andere.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Die magische Stunde im DJ-Set

Mit dem Auto legen Diode Eins die paar Minuten von Ehrenfeld bis zum Odonien zurück. Geparkt wird auf einem Supermarktparkplatz, die Wasserflaschen sind aufgefüllt, an der Schlange vorbei geht es zur Kasse. „Wir legen hier heute auf“, Stempel werden verteilt, vor der „Schienenhalle“, einer der Räume auf dem Gelände des Odonien, werden mit dem Veranstalter und Techniker letzte Absprachen getroffen. „Im Odonien ist es immer krass. Dieser Ort passt einfach zu unserer Musik. Hier stimmt alles“, sagt Jerome. „Es gibt diese dreißig Minuten bis eine Stunde bei jedem Set, die magisch sind. Die der Grund sind, warum man auflegt. Wenn man das gleiche fühlt, wie alle Menschen, die gerade vor einem stehen“, sagt Jannis.

Um Mitternacht erklingen die ersten Beats. Hinter dem DJ-Pult wirken Diode Eins wie eine Maschine, bei der ein Zahnrad in das nächste greift. Eigentlich ist es zu eng für drei Personen am Pult. Doch selbst ohne sich abzusprechen, bewegt sich eine Hand über die andere, geht einer ein Schritt zurück, ein anderer vor. Die Maschine läuft sich gerade warm, Elektro-Feiernde starten erfahrungsgemäß später in die Nacht.

Illegale Raves beeinflussen auch Clubkultur

Die Balance zu finden zwischen dem, was Diode Eins als Künstler auflegen wollen und dem, was das Publikum erwartet, sei nicht immer leicht, sagen sie. Auf Secret Raves, die in der Pandemie großen Zulauf hatten, laufe meist sehr harter, schneller Techno. Das beeinflusse auch die Erwartungshaltung an die DJs in den Clubs. „Jede Form von Techno hat seine Daseinsberechtigung. Natürlich willst du auf der einen Seite den Song spielen, den sich alle wünschen. Auf der anderen Seite willst du dich aber auch als Künstler selbst verwirklichen. Man muss immer wieder probieren, die Leute für neue Dinge zu begeistern, wie für unseren emotionaleren Sound“, sagt Julien. Dass das an diesem Abend gelingt, zeigt sich

Gegen 1.30 Uhr. Wenn es diese „magische Stunde“ in einem DJ-Set gibt, beginnt sie jetzt. Der Raum der Schienenhalle ist mittlerweile voll. Diode Eins spielen eigene Songs, aus dem Publikum kommt anerkennendes Pfeifen. Die Feiernden tanzen für sich und verschmelzen doch zu einer Masse. Es ist dieses Gefühl, nach dem tausende jedes Wochenende jagen. Im Odonien hat die Nacht gerade erst begonnen.

Zur Serie „Junges Köln“

Studieren, arbeiten, feiern und lieben: Köln ist ein Magnet für Menschen zwischen 20 und 35 Jahren, die das und mehr hier erleben wollen. Jedes Jahr ziehen Tausende in die Stadt, auf der Suche nach Abenteuer – und einem neuen Zuhause. Aber: Wie sieht ihre Lebensrealität wirklich aus? In unserer neuen Serie „Junges Köln“ wollen wir den Blick auf junge Kölnerinnen und Kölner lenken und davon erzählen, was sie bewegt. So sind wir etwa in der Technoszene unterwegs, versuchen zu erkunden, was die Faszination ausmacht. Oder begleiten Singles beim Dating auf der Suche nach der wahren Liebe.

KStA abonnieren