Kölner Türsteher über Gewalt, Waffen und Karneval„Alkohol macht mutig, aber nicht stark“

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Ramon Ademes, Türsteher, beim Interview in der Südstadt.

Ramon Ademes hatte mit 18 Jahren seinen ersten Job als Türsteher.

Ramon Ademes spricht im Interview über seine Erfahrungen als Türsteher, Gewalt bei Feiernden und darüber, wie sich der Beruf verändert hat.

Ramon Ademes kennt in Köln so gut wie jede Tür: Mit 18 Jahren hat er als Türsteher angefangen, wenig später hat er sich mit seiner Sicherheitsfirma „RA-Sicherheitsdienst“ selbstständig gemacht. Heute springt er nur noch ein, wenn es personell eng wird. Nebenbei ist er als der „Singende Türsteher“ auf den Bühnen Kölns – und Mallorcas – unterwegs. Und auch im Fernsehen tritt er hin und wieder auf, bei „Achtung Kontrolle“ in der gewohnten Türsteher-Rolle und bei „Unter uns“ als Koch Roger Schmitz.

Im Interview spricht Ademes unter anderem über Personalnot, seine Erfahrungen mit gewalttätigen Feiernden und wie sich das Klima im Kölner Nachtleben verändert hat.

Herr Ademes, Sie haben ursprünglich Fleischer gelernt, heute betreiben Sie eine Sicherheitsfirma und treten als der „Singende Türsteher“ auf. Das ist ein ungewöhnlicher Karriereweg.

Es war wirklich ein krasser Weg. Ich hätte nie gedacht, dass das so kommt. Als ich 18 Jahre alt war, hat ein Freund aus dem Boxverein mich gefragt, ob ich nicht am Wochenende an der Tür arbeiten kann. Und dann habe ich da Gefallen dran gefunden. Gutes Geld – früher war das besser –, wenig Arbeit, immer hübsche Mädchen um dich rum. Über Freunde bin ich später in die Wiener Steffi gekommen – und von da in eine Sicherheitsfirma. Dann habe ich überall gearbeitet: Wartesaal, Wiener Steffie, auf den Ringen. 1991 habe ich mich selbstständig gemacht und 2010 kam ich über Eko Fresh zum Singen, ich war sein Personenschutz. Wir haben zusammen „Echt Kölsche Kraat“ aufgenommen, eigentlich war das als Gag gedacht, aber das ist dann in die Charts geschossen. Dadurch bin ich auch vom Fernsehen entdeckt worden für „Achtung Kontrolle“. Später kam noch die Rolle bei „Unter Uns“ dazu. Fernsehen und Singen sind aber nur eine schöne Nebenbeschäftigung.

Ihr Fokus liegt auf Ihrer Sicherheitsfirma. Sie standen schon an etlichen Türen und springen auch heute noch ein, wenn etwa für Großveranstaltungen Personal fehlt. In dem Beruf wird man oft mit Konflikten konfrontiert. Gibt es da bestimmte Situationen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Das erste Mal mit einer Waffe bedroht wurde ich direkt in meinem ersten Laden, damals mit 18 Jahren. Das war in Deutz, die Diskothek hieß früher Fame. Da habe ich mit jemandem gestritten und er hat mit einer Pistole gedroht. Mir war das in dem Moment egal, ich war da noch jung. Ich habe gesagt: Hol das Ding! Er hat die Waffe auch gezogen, aber sonst ist nichts passiert, da hat ihn schon jemand festgehalten. Einmal hat sich auch einer in einer Diskothek mit seiner Freundin die ganze Zeit aufgeplustert. Da haben wir den durchsucht und eine Waffe gefunden. Wir haben natürlich die Polizei gerufen. Das vergesse ich nie. Stellen Sie sich mal vor, jemand hätte seine Freundin angepackt und er hätte das Ding gezogen. Ist schon ewig her. Daran sieht man, dass es damals schon schlimm war.

Sie sind aber meistens gut davongekommen?

Einmal habe ich richtig Prügel bekommen, auf einer Party im Palladium. Da ist eine Gruppe mit 30 Mann über mich hergefallen, weil ich einen nicht reingelassen habe. Als die auf mich eingetreten haben, ist noch nichts Schlimmes passiert – wenn so viele Leute hauen, trifft man meistens nicht. Aber dann bin ich aufgestanden und jemand hat mir eine volle Flasche Wodka über den Kopf gezogen.

Haben Sie das Gefühl, dass die Gewalt unter den Feiernden in Köln zugenommen hat?

Mittlerweile sind die Leute sehr aggressiv geworden, allgemein. Seit Corona finde ich das ganz extrem. Die Jugendlichen vertragen kein Alkohol, das ist das Problem. Alkohol macht mutig, aber nicht stark. Und dann haben die noch alle Waffen dabei. Heute trägt jeder ein Messer, ich weiß nicht warum.

Deshalb gibt es seit etwa einem Jahr die Waffenverbotszonen auf den Ringen und der Zülpicher Straße.

Wenn ich eine Waffe mitnehmen will, dann nehme ich die mit. Auch in eine Waffenverbotszone. Ohne, dass die die finden. Das ist Wahnsinn. Mittlerweile gibt es Gürtel, da kann man die Schnalle rausziehen und dann ist das ein Messer. Das kann ja keiner sehen. Die meisten Leute nehmen aber einfach Küchenmesser mit. Und wer ein Messer mitnimmt, hat damit auch irgendwas vor.

Gastronomen klagen, dass es etwa für Karneval enorm schwer sei, Personal zu finden. Auch Sicherheitspersonal. Haben Sie in Ihrer Firma das gleiche Problem?

Es ist mittlerweile schwer. Ich weiß nicht, wo die Leute alle geblieben sind, die sind einfach nicht mehr da. Ich habe zum Teil auch schon mit Subunternehmern gearbeitet, wenn es eng war. Aber da hat sich dann später rausgestellt, dass die gar nicht den richtigen Schein hatten, der wurde gefälscht. Da kümmert sich das Amt nicht richtig und dann fällt das bei so einer Razzia erst auf. Türjobs machen einfach keinen Spaß mehr. Es gibt andere Jobs im Sicherheitsbereich, die einfacher sind und wo man mehr Geld verdient. Früher war ich mit meiner Firma auch noch selbst bei etwa 15 Läden für die Sicherheit zuständig und hatte fünfzig oder sechzig Türsteher.

Welche Clubs waren das zum Beispiel?

Ach alles. Wiener Steffie, Klapsmühle, Nachtflug… Das waren noch super Zeiten, heute macht das keinen Spaß mehr. Die Leute sind aggressiver, die Läden wollen nicht mehr viel bezahlen. Eine gute Putzfrau kriegt mehr als ein Türsteher. Eigentlich ist es ja gar nicht bezahlbar. Wenn man ein Messer im Rücken hat, ist das auch nicht schön. Türsteher ist einfach ein gefährlicher Job.

Wenn man sich bei Google Bewertungen zu Kölner Clubs ansieht, stehen da oft sehr fiese Dinge über die Türsteher. Was sagen Sie dazu?

Ich habe so eine Devise: Wie man in den Wald ruft, schallt es hinaus. Ich bin nett mit den Leuten und lustig. Auch wenn ich die abweise. Das ist schon die halbe Miete. Das kann die junge Generation noch nicht so. Die fühlen sich direkt in der Ehre gekränkt, wenn die beleidigt werden. Früher war ich genauso. Ich hatte gar keinen Bock auf Diskussionen und nach dem zweiten „geht nicht“ habe ich dann natürlich auch direkt Gas gegeben. Heute kann man mich auch beleidigen, ist mir egal. Das geht links rein und rechts raus. Mit 95 Prozent der Leute kann man reden, bei den anderen fünf Prozent muss man halt manchmal Gewalt anbringen.

Wer reinkommt und wer nicht – das ist teils eine subjektive Entscheidung, die auch mal ungerecht sein kann, oder nicht?

Ja klar, man kann ja nicht jedem hinter die Fassade gucken. Aber bei 90 bis 95 Prozent der Gäste kann ich gut abschätzen, ob der korrekt ist oder nicht. Aber die restlichen fünf Prozent bleiben offen.

Welchen Satz können Sie als Türsteher nicht mehr hören?

Grundsätzlich immer: „Warum komme ich nicht rein?“ Dann erklärt man es denen und die fragen noch fünfzig Mal hinterher „Warum?“. Es gibt halt Kriterien, wir haben ein Auge dafür, ob die getrunken haben oder nicht, ob die vom Outfit reinpassen.

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