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„Das Ding“-Chefin Claudia Wecker im Interview„Es ist gefährlich geworden – aber Aufgeben ist keine Option“

Lesezeit 6 Minuten

Seit bald 55 Jahren gibt es „Das Ding“ in Köln. Inhaberin Claudia Wecker über Gefahren, Erinnerungen und Gänsehautmomente im Club.

„Das Ding“ ist einer der ältesten Studentenclubs in Europa. Seit 1968 gibt es die Disco auf dem Hohenstaufenring. Dass man hier nur mit Studentenausweis reinkommt, ist übrigens ein Mythos, sagt Inhaberin Claudia Wecker – ebenso, dass ein gewisser „Dieter Ding“ namensgebender Chef ist und abgelaufenes belgisches Bier verkauft. Gegründet wurde der Club von Dieter Wedell und Harald Riemer, beide inzwischen gestorben. Eintritt ist immer 10 Euro, Einlass ab 18 Jahren. Erstmalig soll es künftig auch Partys für Jugendliche ab 16 Jahren geben.

Claudia Wecker, 55 Jahre, ist Inhaberin vom „Das Ding“. Vor 33 Jahren hat sie im „Ding“ angefangen, 1996 ist sie Teilhaberin geworden. Im Interview spricht sie über Gefahren, Absurditäten, Erinnerungen und darüber, wie sich das Feiern (nicht) verändert hat.

Frau Wecker, seit bald 55 Jahren gibt es „Das Ding“, seit 33 Jahren arbeiten Sie im Club. Wie fühlt sich das an?

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Es erschreckt einen manchmal. Ich habe natürlich immer sehr viel Kontakt zu jungen Leuten und nehme diese Altersdistanz oft nicht so wahr. Aber die Kids dann schon. Manchmal liege ich nachts wach und denke: Wahnsinn, mehr als dein halbes Leben hast du dort verbracht.

Wenn es eine Zeit gäbe, die Sie wieder aufleben lassen könnten, welche wäre das?

Das ist eine schwierige Frage, weil alle Zeiten ihre Vorteile hatten. Da ich so langsam in das Alter komme, in dem ich Wehwehchen habe, würde ich natürlich eine Zeit nehmen, in der ich jung und frisch war. Jung sein war einfach toll. Ich freue mich für die Leute, dass sie das jetzt nach Corona wieder genießen können. Aber nach dem Ganzen, das hinter uns liegt, ist jetzt auch eine schöne Zeit.

Oft wird sich über Partygänger beschwert, gerade auf den Ringen und der Zülpicher Straße, die hier nebenan liegt. Denken Sie manchmal daran, alles hinzuschmeißen, weil Sie keine Lust mehr drauf haben?

Nein, auf gar keinen Fall. Ich finde es wichtig, dass das thematisiert wird und Lösungen gefunden werden. Es gibt gesamtgesellschaftliche Probleme und es sind unglaubliche Aggressionen in der Gesellschaft. Das merken wir auch bei jungen Leuten. Wir sehen, dass sich Minderjährige – 13-, 14-Jährige – auf der Straße mit Drogen herumtreiben. Das muss nicht sein. Da sage ich aber: Ich will nicht alles hinschmeißen, sondern ich möchte da etwas tun. Unsere Security hat sehr viel Stress. Es ist gefährlich geworden da draußen. Die Leute haben Messer dabei, greifen einen mit Schraubenziehern an. Es ist total irre. Aber Aufgeben ist da gar keine Option.

2019 haben Sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ folgendes gesagt: ‚Wer weiß, vielleicht ist es in fünf Jahren so, dass man den Laden gar nicht mehr aufmacht, sondern jeder eine Virtual-Reality-Brille anhat und man die Party in die Studentenwohnung überträgt.‘ Wie sehen Sie das und die Zukunft der Clubszene aus heutiger Sicht?

Heute muss ich sehr darüber lachen! Ich glaube, durch Corona haben wir alle gemerkt, was der Mensch ist: ein soziales Wesen. Ich stelle immer wieder fest, dass sich die Welt in manchen Dingen gar nicht verändert hat. Und das finde ich schön. Die jungen Leute reden über dieselben Dinge wie vor 50 Jahren, habe dieselben Probleme und dieselben Liebesdramen. Das kannst du virtuell nicht leisten.

Hier zu stehen und die FC-Hymne zu singen, das war vor 50 Jahren genauso wie heute ein Gänsehautmoment.
Claudia Wecker

Also hat die Zwangspause dem Clubleben auch genützt, weil die Menschen gemerkt haben: Das wahre Leben ist wertvoller als das digitale?

Dass das wahre Leben vor allem etwas ist, das man erlebt und fühlt, indem man dabei ist. Nicht ein Foto von seinem Essen macht. Sondern indem man sein Essen auch genießt.

Feiern die Studierenden von heute denn anders als früher? Jein. In ganz vielen Dingen hat sich gar nichts verändert – und in manchen dann schon. Zum Beispiel, dass die Menschen ihr Leben auf Instagram teilen. Man hat auch ein anderes Schönheitsideal. Aber einfach hier zu stehen und die FC-Hymne zu singen: Das war vor 50 Jahren genauso wie heute immer wieder ein Gänsehautmoment.

„Das Ding“ hat schon seit Generationen Bestand. Was macht es als Club aus?

Ich glaube, dass wir unseren Job gut machen und es geschafft haben, jede Generation mitzunehmen und nicht statisch auf Konzepten beharren. Wir bezahlen und behandeln unsere Mitarbeiter gut. Wir schaffen es – und das kann man nicht erzwingen – einen guten Vibe zu haben. Ich glaube, das ist das Geheimnis unseres Erfolgs. Wir zeigen Gesicht. Die Gäste wissen, was sie hier bekommen, wir machen ihnen nichts vor. Es ist eine Partylocation für alle, man muss nicht dieses oder jenes anziehen.

Welche Schwierigkeiten treten aktuell am häufigsten auf?

Das, was draußen abgeht, das ist die Schwierigkeit. Du hast eine unfassbare Menge Menschen, die du nicht in deinen Club lassen willst, weil sie zu jung sind, kein Benehmen haben oder gewaltbereit sind. Es ist sehr schwierig, den Job da vorne zu machen. Wir haben ja ausgebildete Security, die auf Deeskalation geschult sind. Aber es gibt sehr viel Stress. Seit ein paar Wochen sind wir videoüberwacht und konnten der Polizei in vielen Fällen helfen – weil draußen Stress ist.

Wir bieten einen Safe Space, den wollen wir aufrechterhalten. Wir nehmen Sachen wie sexuelle Belästigung sehr ernst und tun das nicht ab, wenn jemand zu uns kommt. Es sind übrigens sehr oft Männer, die Hilfe suchen, weil sie sexuell belästigt werden. Ansonsten kämpfen wir mit dem, womit alle zu kämpfen haben: Energiepreise, Lieferketten, Inflation. Das macht einem Sorgen.

So große Sorgen, dass Sie um die Existenz vom „Ding“ fürchten?

Nein, gerade gar nicht. Dafür haben wir ein zu gutes Angebot, wir sind auch sehr günstig. Wir merken die Zurückhaltung unter der Woche. Aber ich denke, zu Karneval wird das wieder ganz normal werden. Es war meine große Angst, dass durch die 20 Monate Schließung die Kundenbindung abbrach, aber das war gar nicht so.

Der Pachtvertrag fürs Ding läuft noch bis Ende 2028. Wo sehen Sie den Club dann?

Wir haben alle keine Glaskugel. Natürlich ist das Ziel, den Laden weiterzuführen. Aber ich möchte es nicht machen, bis ich tot umfalle.

Wenn wir noch einmal zurückblicken, gibt es eine Erinnerung in den vergangenen Jahrzehnten, an die Sie besonders gerne denken?

Es gibt sehr viele Erinnerungen, die so sind. Einfach Absurditäten des Abendgeschäftes. Als wir noch mit Stempeln arbeiteten, fragte jemand: Kann ich raus? Und ich antwortete: Ja, nimm dir einen Stempel. Und der sagte: Aber da liegt nur noch einer. Sowas ist immer bereichernd.

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