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Frauen fast unter sichUS-Trend Leseparty kommt nach Köln

4 min
Social Reading Party im Café Fleur

Social Reading Party im Café Fleur

Im Café Fleur trafen sich abends rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, lasen zusammen und tauschten sich über Bücher aus.

„Welchen Autor oder welche Autorin würdest du gerne mal zum Kaffee treffen?“, steht auf einem Zettel von der Größe einer Visitenkarte. Fragekarten wie diese liegen auf jedem Platz im Café verteilt. Eine andere Frage ist: „Welches Buch hast du durch jemand anderen entdeckt und bist bis heute dankbar dafür?“ Es geht um Charaktere, Genres, Geschichten, wo und warum man lesen mag. Im Café Fleur findet eine Social Reading Party statt, zu Deutsch: eine Leseparty. Passend zu der Veranstaltung steht auf einer der Karten: „Welches Buch hättest du gerne mit anderen zusammengelesen statt allein?“ Die Idee: Statt allein in eine Geschichte abzutauchen, liest man in einer Gemeinschaft und in der Öffentlichkeit. Buchliebhaberinnen und -liebhaber kommen zusammen und teilen ihre Leidenschaft für Literatur. Manche bringen auch bereits gelesene Bücher mit und tauschen sie gegen neue aus.

Der Raum hat hohe Decken, die Möbel sind aus hellem Holz, es läuft „Redbone“ von Childish Gambino, die Deckenventilatoren sind im Hintergrund zu hören. Die meisten Besucher kommen in kleinen Gruppen, ein paar sind ohne Verabredung da. Was sofort auffällt: Von den 70 Personen an den Tischen sind nur fünf Männer. Die 26-jährige Grundschullehrerin Charlotte Kolvenbach freut sich auf den Austausch und findet, es gebe noch viel zu wenige Buchpartys in Deutschland. In den USA gibt es diesen Trend schon länger. Sie erzählt auch, dass schon in der Grundschule Jungs weniger gerne lesen als Mädchen.

Erste Leseparty im Café Fleur

Moderatorin Eugenia Vambersky, die sich auch auf Instagram unter dem Namen lit.liebe mit dem Thema Bücher beschäftigt, begrüßt alle, erklärt das Konzept und die erste Leserunde beginnt. Eine halbe Stunde lang liest jetzt jeder für sich. Im Anschluss dazu gibt es drei Gesprächsrunden, bei denen die Tische vermischt werden und die neuen Gruppen gemeinsam über eine der Fragen sprechen. Die erste Frage ist: „Was war das erste Buch, das dich gepackt hat und warum?“ Für eine 29-jährige Teilnehmerin ist es das Buch „Tote Mädchen lügen nicht“, da es „gut gespiegelt hat, was in der Schulzeit zum Teil passiert“.

Moderatorin Eugenia Vambersky

Moderatorin Eugenia Vambersky

Das Buch behandelt Probleme wie Mobbing und psychische Krankheiten. Trotz der zum Teil emotional fordernden Bücher, ist die Stimmung locker und es wird viel gelacht. Eine Teilnehmerin sagt, sie genieße die Zeit, um „lesen zu können, ohne dass jemand Mama schreit“. Die Gespräche sind angeregt, schon bei der zweiten Frage „Welches Buch würdest du immer wieder verschenken?“ steht etwa die Hälfte der Teilnehmer, um sich direkter austauschen zu können.

Die mitgebrachten Bücher sind meist Romane, hauptsächlich zeitgenössisch, viele lesen auf Englisch. „Virgin Suicides“, „Super einsam“, „The Other You“, „22 Bahnen“, „Sturmvögel“, „Woman Nr. 17“, es ist eine bunte Mischung von Büchern, auch einen E-Reader mitgebracht. Einige der mitgebrachten Bücher haben vor allem durch die sozialen Medien ein Massenpublikum erreicht. „A Little Life“ von Hanya Yanagihara zum Beispiel. Das Buch bekam große Aufmerksamkeit als immer wieder Menschen vor der Kamera weinend darüber erzählten, wie emotional anstrengend die Geschichte sei. 

Buchtipps über Social Media

Das neueste Buch von Sally Rooney, „Intermezzo“, es handelt von komplizierten Liebesbeziehungen nach einem Trauerfall, ist ganze dreimal an diesem Abend vertreten. Cary, 29, sagt: „Ich war überrascht, dass so viele die gleichen Bücher lesen. ‚Intermezzo‘ habe ich drei- oder viermal gesehen. Die Anregung kam von Tiktok und Booktok. Ich bin aus Frankreich und ich habe eine Frau aus Vietnam getroffen, die das gleiche Buch liest wie ich. So haben wir gleich eine Verbindung.“

Die Gründe, warum die Menschen hier sind, sind verschieden. Der 29-jährigen gelernten Erzieherin Alicia gefällt, dass sie ihr Hobby teilen kann, der 62-jährigen Iris hat gefallen, dass Menschen aus verschiedenen  Generationen über die gleichen Bücher sprechen. Inzwischen ist die letzte Leserunde vorbei, die Gespräche sind bei der eigenen Familie, dem Beruf und dem Einkaufen angekommen. Der Abend hat gezeigt: Es wird wieder gelesen und wer gemeinsam liest, ist sich sofort nah.

Organisiert wurde der Abend von der App Bookie. Der Eintritt kostete 9 Euro, eine Anmeldung war erforderlich. Mindestens eine weitere Veranstaltung in Köln ist geplant. Weitere Plattformen dieser Art sind Goodreads, Lovelybooks und Lesejury.