Teure FührerscheineFahrlehrermangel und zu volle Straßen – Fahrschüler fliehen ins Kölner Umland

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Mia Walther sitzt in einem Auto und guckt schräg über ihre Schulter in die Kamera.

Mia Walther in einem Fahrschulauto

Den Führerschein zu machen ist nicht nur teuer, sondern auch komplizierter geworden. Fahrlehrer und eine Schülerin berichten.

Es regnet, als sich Mia Walther in einen weißen SUV auf der Zülpicher Straße setzt. Heute hat sie wieder eine Fahrstunde, inzwischen sind es über 30. Nach dem dritten Versuch hat es mit der Theorieprüfung geklappt, jetzt ist noch die praktische Prüfung dran. Die 20-Jährige möchte ihren Führerschein haben. Doch dafür zahlen sie und viele andere einen hohen Preis.

70 Euro für eine Fahrstunde – Führerscheine werden immer teurer

„Meine Eltern haben damals mit Sicherheit weniger Fahrstunden gebraucht als Fahrschüler heutzutage“, erzählt Mia Walther. Benötigte man in den 90ern etwa 18 Fahrstunden, sind es heute eher 38, so die Erfahrung der Fahrschule Green, bei der Walther angemeldet ist. Eine Fahrstunde kostet 70 Euro. Dieser Preis setzt sich laut Inhaber Ivan Milardovic aus verschiedenen Elementen zusammen: „Fahrlehrer, Bürokräfte, Miete, Benzin und Reparaturen kosten so viel, da bleiben schlussendlich nur circa 10 Prozent brutto hängen.“ Ein Führerschein kostet so in der Regel  3000 Euro.

Milardovic und sein Bruder haben die Fahrschule 2019 übernommen. Sie stellten fest, dass es für die Schülerinnen und Schüler immer schwieriger wird, die Führerscheinprüfung zu schaffen. „Der Verkehr ist viel dichter und komplizierter geworden. Die anderen Verkehrsteilnehmer fahren egoistischer, auch deshalb brauchen die Schüler mehr Fahrstunden“, sagt er. Dabei ist der Verkehr in Köln offenbar so kompliziert geworden, dass Kölner Fahrschüler sogar in die umliegenden Städte pendeln, um ihren Führerschein dort zu machen.

Ivan Milardovic (l.), Inhaber der Fahrschule Green und sein Mitarbeiter Hüseyin Yavuz sitzen im Theorieraum der Fahrschule.

Ivan Milardovic (l.), Inhaber der Fahrschule Green, und sein Mitarbeiter Hüseyin Yavuz im Theorieraum der Fahrschule.

In der Fahrschule GFW in Frechen haben sich 76 Kölner angemeldet. Sie wollen ihre praktische Prüfung in Frechen absolvieren, denn dort ist der Verkehr überschaubarer und das Prüfgebiet ist kleiner. „In Frechen gibt es nur eine Autobahnauffahrt, das macht es wesentlich leichter, sich auf eine Prüfung vorzubereiten“, so Ronny Böcherer, Fahrschulleiter und Ausbilder der GFW Fahrschule.

Dabei hat die GFW sogar eine Filiale in Köln. Dort bilden sie Berufskraftfahrer und Fahrlehrer aus. Doch Böcherer vermeidet es, in Köln zu fahren und verlässt bei den Fahrstunden die Stadt so schnell es geht. „Sobald wir die Filiale in Köln eröffnet hatten, war das Erste, was wir getan haben, das Prüfgebiet nach Frechen zu verlegen.“ Fahrstunden und Anmeldegebühr kosten bei Fahrschule Green und der GFW exakt gleich viel, der Wechsel der Schüler ins Kölner Umland kann also nicht am Preis liegen.

Kölner müssen tiefer in die Tasche für den Führerschein greifen

2022 wurden laut Tüv 3,6 Millionen Fahrprüfungen absolviert. Durch die theoretische Prüfung fielen 39 Prozent und die praktische bestanden 37 Prozent nicht. Wie viele nach mehrmaligen Versuchen am Ende ganz aufgeben, wird statistisch nicht erfasst. Köln liegt laut der Vermittlungsplattform Paul Camper mit durchschnittlichen 3346 Euro pro Führerschein auf Platz 10 der teuersten deutschen Städte für Fahrschüler. Wenn man dann noch durch eine Prüfung fällt, wachsen die Ausgaben immer weiter. So kommt es vor, dass der Führerschein allein so viel kostet wie ein Kleinwagen.

Fahrschüler sind unsicherer geworden und haben viel Angst

Neben Fahrschülerin Mia Walther sitzt im Auto ihr Fahrlehrer Hüseyin Yavuz. Er unterrichtet seit über 17 Jahren und stellt eine deutliche Veränderung bei den Schülern zwischen 17 und 20 Jahren fest. „Sie sind unsicher geworden und haben viel Angst. Früher guckte man seinen Eltern beim Autofahren zu, heute gucken Kinder bei der Fahrt auf ihr Handy. Dadurch haben sie keine Verkehrsbeobachtung gelernt und das in ein paar Fahrstunden beizubringen, ist schwierig“, so Yavuz.

Außerdem sei die Lebensphase, in der viele Jugendliche ihre Prüfung ablegen wollen, ohnehin eine kritische, so Ronny Böcherer von der GFW. „Wenn man kurz davor ist, sein Abitur zu machen, dann hat man so viel Stress, dass eine Prüfung wie diese schwer zu bewältigen ist.“ In Deutschland ist es möglich, mit 16,5 Jahren den Führerschein zu beginnen. Ab 17 Jahren darf man mit den Eltern begleitet fahren. „Die machen manchmal auch Druck, vor allem wenn es ihnen zu teuer wird“, so Böcherer.

Fahrlehrermangel – eine Branche kämpft

Und es kommt noch etwas dazu: Nach bestandener Theorie müssen die Schüler meistens mehrere Wochen auf den Praxis-Unterricht warten. Das liegt am akuten Fahrlehrermangel. Laut dem Deutschen Verkehrspädagogischen Institut haben bereits 34 Prozent der Fahrschulen Umsatzeinbußen wegen fehlender Fahrlehrer. Die Ausbildung gilt als wenig attraktiv, denn sie ist klischeebehaftet und sehr teuer.

In vielen Köpfen spukt noch das Bild vom eher alten, übergriffigen und brüllenden Fahrlehrer herum. Zusätzlich macht ein männlich geprägtes Arbeitsumfeld es Frauen schwer, Fuß zu fassen. Dabei musste sich die Ausbildung in den letzten Jahren stark verändern, um ein angenehmeres Umfeld für die Fahrschüler zu schaffen: „Die Ausbildung ist in erster Linie eine pädagogische geworden“, so Ronny Böcherer. Aber es dauert, bis alte Strukturen aufbrechen.

Die Ausbildung ist in erster Linie eine pädagogische geworden
Ronny Börcherer

Die anderthalbjährige Ausbildung für Fahrlehrer kostet zwischen 15.000 und 20.000 Euro, die Anwärter müssen das aus eigener Tasche bezahlen. Dementsprechend verlangen sie später einen guten Stundenlohn. In der Fahrschule Green wird laut Milardovic ein Stundenlohn von 20 Euro gezahlt. „Das treibt den Fahrstundenpreis natürlich zusätzlich nach oben“, sagt er.

Fahrlehrer in Ausbildung bekommen wegen der hohen Kosten oft einen Bildungsgutschein von der Agentur für Arbeit. „Viele haben vorher bereits einen anderen Beruf ausgeübt, den sie aus unterschiedlichen Gründen aufgeben mussten und bekommen durch den Staat die Möglichkeit zur Umschulung“, berichtet Böcherer von der GFW. 

Ronny Böcherer (l.) Fahrschulleiter und Ausbilder der Fahrschule GFW, und PR-Mann Philipp Hartmann

Ronny Böcherer (l.) Fahrschulleiter und Ausbilder der Fahrschule GFW, und PR-Mann Philipp Hartmann

Biola Mille hat ihre Fahrlehrerausbildung über einen solchen Bildungsgutschein an der GFW gemacht. Sie ist die einzige Frau in ihrer Klasse und nimmt es mit Humor. „Ist doch toll, dann habe ich die Toilette ganz für mich allein.“ Aber im Ernst: „Ich glaube, dass viele Fahrschülerinnen und auch Fahrschulen die weibliche Komponente brauchen.“ Und sie wirbt: „Viele haben den Beruf gar nicht auf dem Schirm, dabei wären sie gut geeignet.“ Bei der GFW wird sie demnächst die erste Frau im Team sein.

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