Abo

ZwangsräumungKölner Familie weiter ohne Wohnung – Sozialdezernent in der Kritik

Lesezeit 3 Minuten
Die von der Räumung betroffene Familie steht vor dem Eingang des Kölner Rathauses.

Menschen protestierten am Dienstag vor dem Kölner Rathaus gegen die Zwangsräumung der Familie.

Nach der Zwangsräumung einer Kölner Familie ist noch immer keine Lösung in Sicht. Inzwischen ist ein Rücktritt des Kölner Sozialdezernenten im Gespräch.

Die alleinerziehende Mutter Jacqueline W., die am Dienstagmorgen ihre Wohnung in Gremberghoven infolge einer Zwangsräumung verlassen musste, bleibt mit ihren fünf Kindern ohne Wohnung.

Zwangsräumung: Wohnungsangebot an Familie zurückgezogen

Infolge der Berichterstattung des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte sich die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgenossenschaft gemeldet und der Familie eine 93 Quadratmeter große Wohnung in Mülheim angeboten.

Als durch eine Pressemitteilung der Stadt bekannt wurde, dass es mehrfach zu Polizeieinsätzen bei der Familie gekommen sei, widerrief die Genossenschaft am Donnerstag ihr Wohnungsangebot. „Als fürsorgliche und verantwortungsvolle Vermieterin können wir einen solchen Räumungsgrund nicht ignorieren“, teilte eine Sprecherin mit.

Die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM), die die Familie juristisch beraten und kurzfristig eine Unterbringung in einem Hotel in der Altstadt organisiert hat, lässt nun prüfen, ob die Stadt sich mit der Veröffentlichung privater Informationen strafbar gemacht hat.

Sozialistische Selbsthilfe zeigt sich schockiert

„Wir sind schockiert, dass die Stadt eine wohnungslose Familie mit fünf Kindern öffentlich mit Dreck bewirft. Die Verantwortung hierfür liegt bei Sozialdezernent Harald Rau“, sagt Reentje Streuter von der SSM. 

Die Polizei bestätigt, dass sie in den vergangenen 13 Monaten mehr als zehn Mal bei der Familie vor Ort war. Dem Vernehmen nach wurde sie abwechselnd von der Familie selbst und von Nachbarn gerufen. Es soll unter anderem um Ruhestörung und Beleidigung gegangen sein. Jacqueline W. und ihr Partner fühlen sich von Nachbarn verleumdet.

Das Verwaltungsgericht hatte in einem Eilverfahren zugunsten der Familie entschieden, dass es menschenunwürdig sei, die Mutter mit ihren fünf Kindern nach der Zwangsräumung in einem Obdachlosenhotel in Ehrenfeld – am anderen Ende der Stadt – unterzubringen. Die Bemühungen seitens der Stadt um eine angemessene Wohnung hielt das Gericht für unzureichend.

Rücktritt von Sozialdezernent Rau im Gespräch

Die Stadt teilte mit, sie überlege, Beschwerde gegen den Beschluss einzulegen. Bislang liegt dem Verwaltungsgericht noch keine Beschwerde vor. „Die Stadt Köln setzt nicht nur den Beschluss des Gerichts nicht um und besorgt der Familie keine angemessene Wohnung – sie sorgt mit ihrem Verhalten aktiv dafür, dass die Familie keine Chance auf dem Wohnungsmarkt hat und öffentlich diskreditiert wird“, sagt Streuter.

Sollte sich bewahrheiten, dass die Stadt sich mit der Veröffentlichung der Polizeieinsätze strafbar gemacht habe, „sehen wir keine Alternative zu einem Rücktritt von Dezernent Rau“.

Der SPD-Landtagsabgeordnete und langjährige GAG-Aufsichtsratsvorsitzende Jochen Ott sagt, im aktuellen Fall liege „ein eklatantes Versagen der Stadt Köln“ vor, die lange von den Familienverhältnissen gewusst habe.

SPD-Politiker: Schuld sei auf die Familie abgeladen worden

„Statt die Probleme zu lösen, ist die Schuld öffentlich auf die Familie abgeladen, auch die Nachbarschaft alleine gelassen worden. Das kann durchaus ein Rücktrittsgrund für den verantwortlichen Sozialdezernenten sein.“

Angesichts von Wohnungsnot und Wirtschaftskrise steige nicht nur die Zahl von Zwangsräumungen, sondern auch die Wahrscheinlichkeit von Konflikten innerhalb von Wohngemeinschaften und Nachbarschaften, so Ott.

Gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte Jacqueline W. angedeutet, dass die Zusammenarbeit mit städtischen Ämtern immer wieder gescheitert sei. Dies habe dazu geführt, dass es „zwischenzeitlich keinen Kontakt mehr“ gegeben habe.

„Reine Mietrückstände hätten wir mit unseren Kunden gelöst“, teilt eine Sprecherin des Immobilien-Konzerns Vonovia mit. Die Räumung habe eine lange Vorgeschichte. „Aber in der Vergangenheit gab es keinen Lösungsversuch der Beteiligten.“ Mit den Beteiligten meinte die Sprecherin auch die Stadt.

KStA abonnieren