Der singende Cellist Abel Selaocoe begeistert mit dem Ensemble Resonanz genreübergreifend - ein naturinspiriertes Stück klingt hingegen allemal nach eintöniger Landschaft.
Abel Selaocoe in der Kölner PhilharmonieLebender Beweis für die verbindende Kraft der Musik

Der singende Cellist Abel Selaocoe ist „Porträtmusiker“ der Kölner Philharmonie und weiß das Publikum mitzureißen
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Der Schlussakkord von Antonín Dvořáks „Klid“ (Waldesruh) im Arrangement für drei Celli und Kontrabass mündete nahtlos in das Ensemble Resonanz, das die Bühne bereits im Hintergrund umgab. Doch statt wie gewöhnlich zu spielen, begannen die Streicher zu summen und immer kräftiger zu singen. Plötzlich schwebte sanfter Chorgesang durch den sehr gut besuchten Saal. Und darüber legte Abel Selaocoe seine Solos als Cellist und Sänger.
Porträtkünstler Abel Selaocoe begeistert das Publikum
Der aus einem Township im südafrikanischen Johannesburg stammende Musiker gastierte in der auslaufenden Spielzeit bereits mehrmals als „Porträtkünstler“ der Kölner Philharmonie, zuletzt im Mai. Diesmal kam er mit dem Hamburger Streicherensemble Resonanz. In strahlend rot-goldenem Umhang bildete der charismatische Musiker sicht- und hörbar das Kraftzentrum. Während er Cello spielte, sang er zugleich mit höchst variabler Stimme, mit tiefstem Strohbass, höchstem Falsett, ekstatischen Rufen, leuchtendem Obertongesang, kehliger Strahlkraft. Zudem dirigierte er das Ensemble und animierte erfolgreich das Publikum zum Mitsingen. Mit perkussiven Sprach- und Klicklauten lieferte er sich einen launigen Schlagabtausch mit dem malischen Schlagzeuger Sidiki Dembélé. Seine Stücke „Ohawe“, „Lerato“ und „Kea Morata“ über Neugierde, Heldentum und unendliche Liebe begeisterten seine Kölner Fans.
Minimal Music, so langweilig wie Mais-Monokulturen
Der zweite Programmteil hatte jedoch fast keine Ausstrahlung. Die 1979 geborene Komponistin Kate Moore hatte ihr Konzert für singenden Cellisten und Streicher „Bay of Bisons“ angeblich während einer wochenlangen Wanderung von den Niederlanden nach Irland den dabei erlebten Küsten, Wellen, Winden, Felsen, Bäumen abgelauscht. Ihr kurz zuvor in Hamburg uraufgeführter „Öko-Gesang“ zeigte jedoch statt vielgestaltiger Natur und Biodiversität nur die Eintönigkeit von Molltonika und Dominate sowie langsam oder schnell. Was müssen das für öde Landstriche gewesen sein, die endlos wiederholte Patterns ergaben? Minimal Music, so einfallslos, stereotyp und langweilig wie Mais-Monokulturen.
Bei Giovanni Sollimas „When we were Trees“ träumten die Geigen, Bratschen, Celli und Bässe von ihrer vorherigen Existenz als Bäume. Der 1962 geborene sizilianische Komponist führte mit Selaocoe und Saerom Park an den beiden Solocelli assoziativ durch Italien, Afrika, Indien und jüdischen Klezmer. Entgegen der behaupteten Weltenbummelei traten jedoch auch hier minimalistische Repetitionen auf der Stelle. Das Finale war eine parodistisch überzeichnete Stilimitation eines Concerto grosso von Vivaldi, deren pulsierendes Allegro vivace zu einem klirrenden Cluster verschmolz. Erst die Zugabe eines weiteren Stücks des überragenden Abel Selaocoe brachte die zwischenzeitlich versiegte Intensität, Energie und Ausgelassenheit zurück, die alle von den Stühlen riss, mitklatschen und mitsingen ließ. Eine eindrückliche Manifestation der gemeinschaftsbildenden Kraft von Musik.