Ensemble ResonanzErst wird die Kölner Philharmonie geräumt, dann soll das Publikum mitsingen

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Die Musiker des Ensembles Resonanz posieren sitzend und stehend mit ihren Instrumenten im Resonanzraum St. Pauli.

Das Ensemble Resonanz aus Hamburg gastierte in der Kölner Philharmonie

Das Hamburger Ensemble Resonanz spielte Bachs Weihnachtsoratorium in einer hausmusikalischen Fassung. Das ging gründlich schief.

Keine Frage, der Abend stand unter keinem guten Stern – wofür nicht nur die Aufführenden verantwortlich waren. Wegen eines medizinischen Notfalls hielt Philharmonie-Intendant Louwrens Langevoort kurzfristig die Räumung der Kölner Philharmonie für angezeigt – bis es weiterging, mussten die Besucher eine gute Dreiviertelstunde draußen warten. Das trübt selbstredend die „Stimmung“, mit der es indes auch sonst nicht so weit her war.

Bachs Weihnachtsoratorium war angesagt, aber nicht in der üblichen Originalversion, sondern in einer „hausmusikalischen“ Fassung, die das illustre Hamburger Ensemble Resonanz – in der vergangenen Saison Porträtkünstler von KölnMusik – erstellt hatte.

Selbstredend kann es niemandem verwehrt werden, das Werk mit reduzierten Mitteln in seinen eigenen vier Wänden aufzuführen. Im Fall des Ensembles Resonanz ging es mit Vintage-Sesseln und -Lampen, die das Podium bevölkerten, zügig zurück Richtung Wohnzimmer der 50er Jahre. Problematisch wird es, wenn das dann vor großem Publikum ausgestellt wird – öffentlich aufgeführte Hausmusik ist keine mehr, ist ein Fake, zeitigt im besten Fall einen Puppenhauseffekt. Und, mit Verlaub: „Hausmusiker“ spielen und singen einfach nicht so gut wie die Musiker des Ensembles Resonanz und die attachierten Vokalsolisten.

Die Hausmusik-Zurichtung von Bachs Weihnachtsoratorium war absonderlich

Vollends aus ging besagter Stimmungsofen am Schluss, als die Konzertmeisterin Juditha Haeberlin allen Ernstes das Publikum aufforderte, in voller Stärke mitzusingen. Dabei ging es wohlgemerkt nicht um „Pomp and Circumstance“ bei der Last Night of the Proms und auch nicht um „Mer losse der Dom in Kölle“ auf einer frühplatzierten Karnevalssitzung, sondern ausgerechnet um den verinnerlichten Choral „Wie soll ich dich empfangen“. Man hätte lachen müssen, wenn es nicht zum Heulen gewesen wäre.

Freilich war die Hausmusik-Zurichtung des Weihnachtsoratoriums in der Sache schon absonderlich genug. Echt crazy, könnte man sagen. Die sechs Kantaten waren zulasten der Chöre, aber auch sonst eingedampft worden, sodass nicht nur der Bibelbericht zerrissen wurde, sondern vor allem die wunderbaren Formsymmetrien der Komposition spektakulär zusammenbrachen. Macht nichts, bei Hausmusik muss das erlaubt sein?

Hinzu kam der abgespeckte instrumentale Ornat – nix da mit Flöten, Oboen und Hörnern. Überlebt hatte eine erste Trompete, hinzu kamen die acht Streicher des Ensembles Resonanz – und, abweichend vom Original, die Gitarren von Johannes Öllinger und die Keyboards von Michael Petermann. Letztere steuerten, funktionell den Generalbass, aber auch zum Beispiel die Paukenstimme bedienend, nicht durchgehend, aber immer wieder, mit Glissandi und „angeschnittenen“ Tönen einen Jazz-Hautgout bei, der vom beifallfreudigen Publikum Satz für Satz beklatscht wurde. Besonders wenn es um Böses ging (Herodes und anderes), liefen sie zu großer Form auf. Indes stellte sich Takt für Takt die – letztlich nicht zu beantwortende – Frage nach der Sinnhaftigkeit des Ganzen, nach den Erkenntniswerten, mit denen eine solche Produktion aufwarten könnte.

Sicher, die sonore Qualität der solistischen Geigen in einigen von Haus aus kammermusikalisch angelegten Arien konnte erfreuen, und bestimmte Details waren auch einfach besser zu hören als in herkömmlichen Aufführungen, etwa die exzellente Qualität von Bachs Bassführung. Aber auch die Vokalsolisten (Hanna Herfurtner, Ida Aldrian, Mirko Ludwig, Dominik Köninger), die mit den Spielern zusammen den Chor für die Choräle formierten, konnten nicht durchweg überzeugen, vor allem nicht die Herren. Sicher hatte der Bassist einspringen müssen, aber in diesem Metier liefern auch Einspringer in Sachen Phrasenhomogenität und Intonation eine bessere Leistung ab, als es hier der Fall war.

Wenn dieser denkwürdige Auftritt nicht vollends in die Binsen ging, dann war dafür weithin nur einer verantwortlich: Johann Sebastian Bach. Sein Genie leuchtet noch aus den miserabelsten Zurichtungen der Musik. Das darf dann auch irgendwie tröstlich genannt werden.

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