Louwrens Langevoort im InterviewBraucht Köln eine Ersatzphilharmonie?

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Auf dem Foto ist Louwrens Langevoort zu sehen, er trägt einen grauen Anzug mit Krawatte.

Louwrens Langevoort, Intendant der Kölner Philharmonie, im Interview mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Der Kölner Philharmonie sind wichtige Sponsoren abgesprungen. Zudem soll sie 2031 saniert werden, was bei laufendem Betrieb teuer wäre. Ihr Intendant Louwrens Langevoort plädiert im Interview für den Bau einer Ersatzphilharmonie. 

Herr Langevoort, Lanxess ist bei der Philharmonie Sponsor ausgestiegen. Welche Folgen hat das für Ihr Haus?

Louwrens Langevoort: Wir haben unglaublich schöne Projekte mit Lanxess gemacht. Vor allem ging es darum, junge Erwachsene zu fördern. Aber im August wurde sehr deutlich, dass sie aussteigen werden. Das sind fast 100.000 Euro weniger. Und das in einer Zeit, in der unsere Subventionen festgeschrieben sind und es eine hohe Inflation gibt. Außerdem müssen wir Tarifsteigerungen tragen, was wir nicht in diesen Höhen voraussehen konnten. Es war klar, dass 2023 schwieriger sein würde als andere Jahre, aber dass es in diesem Maße in 2024 voraussichtlich weitergeht, war nicht abzusehen. Gleichzeitig erhalten wir vom Aufsichtsrat die Maßgabe, zu sparen.

Kann das gelingen?

In einem Kunstbetrieb kann man nicht in einer laufenden Spielzeit sparen. Ich kann die Konzerte nicht von heute auf morgen absagen, dann muss ich sie ja trotzdem zahlen - und habe keine Einnahmen. Somit kann ich dem Auftrag des Aufsichtsrates, zu sparen, unmöglich gerecht werden, da fehlt der Realitätssinn. Wir müssen schauen, wie wir durch das Jahr 2024 kommen, wenn die Stadt dabei bleibt, dass sie keinen Tarifausgleich gibt. Man wirft uns quasi vor, wir hätten zu viele Rücklagen.

Die Corona-Pandemie wirkt noch finanziell nach

Rücklagen sind ja gemacht für schwierige Zeiten, oder?

Ja, deswegen kann man sie nutzen. Anderseits sind Rücklagen natürlich Gelder, die man selbst erwirtschaftet hat. Um vielleicht ein Projekt zu machen, das sonst nicht zustande kommen kann. Das ist der Konflikt zwischen der Kämmerei und uns. Wir setzen die Zuwendung strategisch ein, sind erfolgreich, bilden Rücklagen. Aber das machen wir nicht, damit die Stadt einfach die Subventionen absenkt. Man sollte dabei auch wissen, dass diese Subvention seit 2008 um 23 % gestiegen ist, während die Tarifsteigerung auf 39 % kommt. Wir sparen schon viele, viele Jahre.

Ihre konkrete Erwartungshaltung an die Stadt ist also der Ausgleich der Tarifsteigerungen ab diesem Jahr?

Ja, wir brauchen den Tarifausgleich für 2023 und 2024. Und wir brauchen eine gute Perspektive. Was passiert danach? Wir planen mit ein paar Jahren Abstand. Wir müssen wissen, in welche Richtung es geht, und dann muss die Stadt sich entscheiden, was für eine Philharmonie sie eigentlich will.

Wie sehr verschärft sich die Lage, dadurch, dass die Abozahlen noch nicht auf Vor-Corona-Niveau sind?

Wir sind tatsächlich nicht auf dem Niveau von 2019, da hatten wir aber auch einen unglaublichen Anstieg. Zwischen 2015 und 2019 haben wir ein anderes Marketing gemacht, sie früher in den Verkauf gegeben und haben die Konzerte etwas anders eingeteilt in den Serien. Das war sehr populär. Dann kam die Pandemie. Viele Leute, die unser Kernpublikum sind, haben sich verabschiedet. Und es gibt eine Generation, die aus den Schulen kommt, die sagt, Musik kann man auch digital und bei Instagram und TikTok konsumieren. Die gehen (noch) nicht in Konzerte.

Kölner Philharmonie und Museum Ludwig sollen saniert werden

Die Philharmonie soll ab 2031 mit dem Museum Ludwig saniert werden. Was bedeutet das für Ihr Haus?

In diesem Land wurde viel in den 1950er und 1960er Jahren gebaut. Als Hausherr hat man eine Fürsorgepflicht und muss Geld auf die hohe Kante legen für den Fall, dass man ein neues Dach oder einen neuen Teppich braucht. Das ist hier und in vielen anderen Städten nicht passiert. Es ist uns bisher unglaublich toll gelungen, während des laufenden Betriebs sogar große Reparaturen durchzuführen. Es kam fast nie zu einer Schließzeit. Zum Beispiel sind alle Stühle der Philharmonie ausgetauscht worden. Jede Nacht andere, insgesamt 2200 Sitzplätze.

Aber dieses Vorgehen wird nicht fortgesetzt?

Personal zu bekommen für solche Nachtarbeit wird immer schwieriger. Und die Gebäudewirtschaft sagt, das sei zu teuer. Aber was ist teurer, die Nachtarbeit im laufenden Betrieb oder eine Schließung für drei oder dann vielleicht schließlich sieben Jahre? Ich gehe nicht ins Staatenhaus, das ist für eine Philharmonie ein absolutes No-Go. Der Erfolg der Kölner Philharmonie basiert auf der unglaublich tollen Akustik.

Ich gehe nicht ins Staatenhaus, das ist für eine Philharmonie ein absolutes No-Go.
Louwrens Langevoort

Aber Ihre Ansprüche erfüllt doch kein bestehender Spielort, oder?

Ich habe schon vor Jahren im Aufsichtsrat gesagt, wenn saniert wird, kann man nicht sagen, wir gehen mal in ein Zelt. Man muss jetzt nachdenken, wie München oder Zürich es getan haben. Die haben das sehr gut gemacht und eine Ersatzphilharmonie gebaut. Man muss rumspinnen. Die freie Szene will auch einen Saal haben. Man könnte eine neue Art von Kulturzentrum schaffen, das man auf die andere Rheinseite bauen kann. Man baut diese Ersatzphilharmonie und hinterher geht die freie Szene rein. Aber mir wurde im Aufsichtsrat gesagt, wir entscheiden nicht über neue Spielstätten.

Sie haben Sorge, irgendwann ohne Spielort dazustehen?

Ja, meine Angst ist, dass die Renovierung näher und näher rückt und dann sagt man in der letzten Minute, wir gehen nach Ossendorf in eine freistehende Fabrikhalle. Aber auch da muss man Geld in die Hand nehmen. Vielleicht kann man auch mit der Messe etwas machen und dort eine Halle umbauen. Informell habe ich darüber mit Messe-Chef Gerald Böse gesprochen. Er sieht schon Möglichkeiten und war auf jeden Fall nicht abgeneigt, die Gespräche weiterzuführen.

Dem Intendanten der Philharmonie fehlt die Unterstützung durch die Politik

Hat sich die Oberbürgermeisterin in der Frage schon mal positioniert?

Nach meinem Gefühl müsste das Thema noch stärker in den Fokus rücken. Wenn man diese Institution ernst nimmt, muss man sie auch tatsächlich in ihrer Ganzheit verteidigen. Ich kann gerne mit Sparmaßnahmen leben, aber man darf nicht an die basale Qualität gehen. Ich möchte gute Musik in einer guten Akustik hören, und ich will den beiden großen Orchestern ein Zuhause bieten.

Fühlen Sie sich denn nach 20 Jahren von der Politik noch ausreichend unterstützt?

Es ist zäh. Die Tarifsteigerung, die nicht gegeben wird. Einfach zu sagen, sparen Sie doch mal. Jede Partei hat ihr eigenes Kulturbild. Es war vor zehn Jahren deutlich einfacher.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Kulturdezernenten?

Ich habe schöne Gespräche mit ihm geführt, auch die Ersatz-Philharmonie kann man gut mit ihm diskutieren. Er möchte etwas Großes bauen, aber man muss natürlich nicht nur reden, sondern auch etwas machen.

Die konkrete Umsetzung ist ja in Köln immer das Problem. Warum tut sich die Verwaltung damit so schwer?

Jeder möchte in dieser Stadt OB sein oder mindestens mitreden. Das führt dazu, dass viele Sachen kaputt geredet werden. Und deshalb geht wenig gezielt nach vorne.

Langevoorts Vertrag läuft bis 2025

Man kann eine Millionenstadt wie Köln nicht mit „Feierabend-Politikern“ regieren?

Ich bekomme alle Unterlagen, die im Kulturausschuss besprochen werden. Das ist so viel, dass man kaum alles durchlesen kann für eine Sitzung. Dann kommt hinzu, dass viele der Ehrenamtlichen viele Zahlen gar nicht verstehen. Auch spüre ich in meinen Aufsichtsratssitzungen manchmal bereits nach fünf Minuten, dass der eine oder andere die Unterlagen noch mal nicht gelesen hat. Die entscheiden dann über etwas, das sie gar nicht verstehen. Ich finde, man muss eine komplett andere Form finden, wie diese Stadt regiert wird. Nicht mit Ehrenamtlichen, aber mit Menschen, die dafür bezahlt werden und alle Zeit haben, sich vorzubereiten.

Ihr aktueller Vertrag läuft bis 2025. Wir sprechen hier über Dinge, die in einer ferneren Zukunft liegen.

Wir reden darüber, weil ich etwas Gutes übergeben möchte. Ich will nicht, dass es heißt, er hat in den letzten Jahren nichts Neues mehr gemacht. Wir haben viel aufgebaut in dieser Zeit, etwa das Festival „Acht Brücken“ und seit einigen Jahren „FEL!X!“, unser Originalklang Festival. Das muss weitergehen. Alle, die zu uns kommen, egal ob Publikum oder Künstler, kommen gerne zu uns. Wir sind ein musikalisches Zentrum Deutschlands – und Europas.

Aber Sie würden bleiben, wenn man Sie fragt?

Wenn man mich bittet, natürlich. Aber zum jetzigen Zeitpunkt gehe ich davon aus, dass man eine neue Generation haben möchte, und das kann ich sehr gut akzeptieren. Meine große Leidenschaft, die Musik, kann ich noch in vielen anderen Formen verwirklichen. Darauf freue ich mich.

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