Die japanischen Taiko-Trommler von Yamato eröffnen das Kölner Sommerfestival. Und machen sich Gedanken über ihre Zukunft.
Kölner SommerfestivalWarum sich die Yamato-Trommler vor künstlicher Intelligenz fürchten

Eine Szene aus der neuen Yamato-Show „Hito no Chikara – Die Macht der menschlichen Stärke“
Copyright: Hiroshi Seo
Die Taiko-Trommel zu schlagen, das bedeutete einst, mit den Göttern in den Dialog zu treten. Und wenn die Götter antworten, erkennt sich der Mensch. Aber was, wenn am anderen Ende des Zedernholzschlägels kein Mensch mehr ist?
Der ehemalige Grafikstudent Masa Ogawa hat die Trommelgruppe Yamato 1993 in der kleinen Stadt Asuka in der Präfektur Nara gegründet, mit zunächst nur vier Mitgliedern. Asuka war im achten Jahrhundert die erste gemeinsame Hauptstadt des Landes, gilt als Wiege der japanischen Kultur. Das Kanji-Zeichen für „Yamato“ – den alten Namen der Hauptstadt – kann man als „das ursprüngliche, historische Japan“ lesen. Aber Ogawas Kompanie führt die religiöse Taiko-Tradition auf entschieden weltliche Weise fort, dem westlichen Publikum zugewandt, mit viel Humor und effektsicheren Einlagen.
Yamato-Leiter Masa Ogawa treibt seine Truppe zu Höchstleistungen
Vom 15. bis zum 20. Juli gastieren die Truppe in der Philharmonie, im Rahmen des Kölner Sommerfestivals. Die Show funktioniert so gut, und wird überall vom Publikum verstanden, weil hier der Mensch im Mittelpunkt steht. Hunderte von Herzen, die im selben Rhythmus schlagen, dem Rhythmus der Trommeln. Zehn Monate im Jahr touren die Yamatos um die Welt. Rund zehn Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer in 54 Ländern haben die Trommler in mehr als 30 Jahren erlebt, mit dem ganzen Körper gehört.
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Zuletzt machte sich Masa Ogawa jedoch Gedanken über eine Zukunft, in der Menschen vielleicht nicht mehr die Hauptrolle spielen. „Ich benutze ChatGPT, so wie fast jeder“, erzählt er, als wir ihm vor einem Gastspiel in Basel treffen. „Ich habe Artikel über die Singularität gelesen, den Zeitpunkt, an dem künstliche Intelligenz die menschliche übertreffen wird.“

Bis zu 500 Mal in der Minute müssen die Yamato-Trommler die Felle traktieren.
Copyright: Hiroshi Seo
Um Abend für Abend Höchstleistung zeigen zu können – bis zu 500 Mal müssen sie in der Minute die Felle traktieren –, führen seine Yamato-Trommler ein streng reglementiertes, beinahe mönchisches Leben. Laufen Tag für Tag zehn Kilometer, um halb sieben vor dem Frühstück. Schwingen 3000-mal hintereinander die Stöcke in der Luft, eine imaginäre Trommel schlagend. Bauen Muskeln auf und trainieren nachmittags an ihren Instrumenten. Schnitzen nach der Show noch neue Schlagstöcke.
Aber was, wenn selbst das nicht mehr reicht? Wenn künstliche Intelligenz eine bessere, perfektere Performance generieren kann? Eine Synchronizität der Schläge, die für Menschen unerreichbar ist? „Wenn das so ist“, sagt Ogawa, „wenn wir mit dem Maschinenbeat nicht mithalten können, müssen wir darüber nachdenken, ob es überhaupt noch Sinn ergibt weiterzumachen.“
Doch es geht ja nicht nur um Technik. Es geht um beseelte Klänge. Um einen Sound, sagt Ogawa, der durch den Geist vereint ist. „Auch wenn eine künstliche Intelligenz einen gewissen Verstand erlangen kann, bleibt sie doch anders als der Mensch. Deshalb wollen wir versuchen, im Klang unseres Taiko-Trommelns etwas zu spüren und auch die Energie zu spüren, die wir von unserem Publikum bekommen und wieder an es zurückgeben.“
Im Januar stellte Ogawa in Kanada sein neues Programm vor: „Hito no Chikara – Die Macht der menschlichen Stärke“ hat er es getauft, nicht ohne Trotz. Und Stärke braucht man, wenn man zum Beispiel die 500 Kilogramm schwere, aus einem einzigen, 400 Jahre alten Zelkoven-Baumstamm geschnitzte Odaiko-Trommel schlagen will. „Ein riesiger Körper aus Holz und Tierhaut, der die Kraft eines Menschen widerspiegelt“, heißt es im Programm. „Das ist der Pulsschlag des Lebens. Die Macht menschlicher Kraft.“
Der Witz der Yamato-Aufführungen ist aber zum Glück noch intakt, die Machtdemonstration reißt mit und unterhält wie eh und je. Aber für die Performer ist es mehr als eine Show. Selbst die einzelnen Kompositionen, mal mächtig wummernd, mal sagt Ogawa, seien gar nicht so wichtig: „Für einen Schlagzeuger ist der wichtigste Punkt der einzelne Schlag. In den muss er alles packen, was er hat. Wenn er das nicht schafft oder vergisst, funktioniert die ganze Show nicht. Dieser einzelne Klang ist der Herzschlag, wenn der an irgendeiner Stelle aussetzt, können wir nicht überleben.“
Für sie sind auch die einzelnen Trommeln und Zimbeln und Flöte mehr als nur Instrumente, es sind Erbstücke, die nur darauf warten, weitervererbt zu werden. „Wir sind Mittler, Teile einer langen Kette“, sagt Masa Ogawa. „Deswegen wollen wir immer weitertrommeln, deshalb wollen wir nicht aufhören.“
Das Geheimnis der Taiko kann keine KI knacken. Für die Maschine ist es nur bewegte Luft. Masa Ogawa sieht die Möglichkeiten der Röhrentrommeln noch lange nicht ausgeschöpft, obwohl er mit ihnen in seiner 32-jährigen Yamato-Odyssee mehrfach um die ganze Welt gereist ist. „Ich weiß nicht, was in der Taiko steckt. Aber genau deshalb vertraue ich in ihre Macht.“