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Erdmöbel feiern JubiläumBei diesen Zeilen singt die ganze Philharmonie mit

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Links vorne spielt Markus Berges auf der akustischen Gitarre, rechts Bassist und Produzent Ekki Maas.

Die Erdmöbel in der Kölner Philharmonie.

Die Kölner Band wird dieses Jahr 30. Jetzt spielten die Erdmöbel zum ersten Mal in der Kölner Philharmonie, unterstützt vom Kaiser Quartett.

Als zögerten sie noch, die große Bühne der Philharmonie zu betreten, machen Erdmöbel auf halber Treppe Halt. Bringen sich vor der Klais-Orgel in Stellung. Christian Wübben streicht mit dem Schlagzeugbesen auf gestapelte Schachteln, Ekki Maas zupft ein Banjo, Wolfgang Proppe sitzt mit seinem Mini-Keyboard beinahe im Publikum. „Schon seit sehr vielen Jahren will ich ein wilder Mann sein“, setzt Markus Berges an. Aber: „Mir fällt nichts ein, was ich grunzen könnte.“ Zeilen, die mit zunehmendem Alter nur komischer geworden ist. Das Lied „Zu deutsch für Rock und Roll“ stammt vom 1996 erschienenen Debütalbum „Das Ende der Diät“ und die Band hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gespielt.

Aber es kommt gerade recht, um das große Homecoming-Fest zum 30-jährigen Bestehen der Erdmöbel einzuläuten. Groß geworden sind sie im Münsterland, erblüht am Eigelstein. Sie sind der Bindestrich zwischen Nordrhein und Westfalen, die Band, die das Bundesland zusammenhält. „Wir haben hier noch nie gespielt“, stellt Berges endlich auf der Philharmoniebühne angekommen fest, „Warum fühlt sich das so wie zu Hause an?“

„Hat einer von euch eine Yacht?“, fragt Bassist Ekki Maas

Die simple Antwort lautet: Weil sie ihr treues Publikum mitgebracht haben, das zu „Blinker“ enthusiastisch entsprechende Blink-Handzeichen macht. Das anlässlich eines „Stückes gegen übertriebenen Reichtum“ ernsthaft auf Ekki Maas' Frage „Hat einer von euch eine Yacht?“ antwortet, oder wiederholt ein möglichst depressives „Jippie“ ausstößt.  Das sich im „Lied über gar nichts“ zum unbegleiteten Mitsingen animieren lässt, natürlich textsicher: „Ich wünsche mir ein Lied/Über gar nichts/Eins das fällt und verglüht/In der Finsternis/Über gar nichts/Ein kaputter Satellit“.

Eines, dass sich spürbar über die unrockbaren deutschen Komposita freut, die Berges mit verblüffender Eleganz in seine Songs hineinzupuzzlen pflegt: „Schiffsschraubenschaum“, „Thrombosestrumpfhose“, oder „Nikevonsamothraketasche“ aus dem neuen Stück „Museumsladen“, in dem der Sänger unerwartete Poesie im kitschigen Vorzimmer der Kunst findet.

Christian Wübben (rechts) streicht mit dem Schlagzeugbesen auf gestapelte Schachteln, Markus Berges singt zur akustischen Gitarre, Ekki Maas zupft ein Banjo, Wolfgang Proppe sitzt mit seinem Mini-Keyboard beinahe im Publikum.

Die Erdmöbel begannen das Konzert vor der Klais-Orgel der Kölner Philharmonie.

Zum Jubiläum lässt sich das Quartett vom Posaunisten Henning Nierstenhöfer begleiten und vom Kaiser Quartett, dessen Bratschist Ingmar Süberkrüb nicht nur so heißt, als müsste er in einem Erdmöbel-Song besungen werden, sondern der auch die durchweg anregenden Streicher-Arrangements besorgt hat. Singt Berges in „Tätowiert von innen“ von „dem Augenblick, in dem sie sich sticht“, zitiert das Quartett die kreischend-stechenden Klangbewegungen aus der „Psycho“-Duschszene.

Die Erdmöbel schätzen solche kleinen, dafür umso treffsichereren Gesten. Der ganz große Erfolg ist ihnen in drei Jahrzehnten nicht gelungen, stattdessen lauter Lieblingslieder, heute würde man Sophisti-Pop dazu sagen. Dafür sind sie jedenfalls nicht zu deutsch. Ausgeklügelt sind indes nicht nur die Texte, auch die Akkordfolgen, und die melodischen Paul-McCartney-Bassläufe von Ekki Maas.

Dabei neigen sie nicht zur Selbstverliebtheit, es kann auch eine ganz simple Solo-Bassfigur sein, wie sie „Wette unter Models“ ankündigt, dazu ein Becken, das klingt wie eine heranrollende und sich brechende Welle und Markus Berges' Frage „Hätte Sehnsucht Gewicht - wie viel Zentner wöge ich?“, aufgenommen von Henning Nierstenhöfer in einem Posaunensolo, das vor unerfülltem Verlangen bebt.

Noch schöner und trauriger ist nur Ekki Maas' erklärtes Lieblingslied „Vakuum“: „Die Physik“, singt Berges darin, „verehre ich wie meine Mutter/Hab sie nur kurz gekannt/Sie hinterließ mir so ein warmes Gefühl/Für den leeren Raum, für das Vakuum.“

07.07.2025, Köln:Erdmöbel und das Kaiserquartett in der Kölner Philharmonie.Foto:Dirk Borm

Die festliche Szene in der Philharmonie.

Der Rest ist ein Fest, eingeleitet vom Mutmach-Hit „Hoffnungsmaschine“ und dem trotzigen „Das Leben ist schön“. Jetzt steht das Publikum, singt und lacht gemeinsam mit der Band, wünscht sich als Endlos-Chor in der Coverversion des Carpenters-Stück „nah bei dir“, feiert die Jubilare. Die haben sich wieder auf die halbe Treppe verzogen. Eine letzte Zugabe, eine letzte Zeile: „Aus Versehen bist du frei.“