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Neuer RomanKölner Autor Markus Berges schreibt über eine Liebe, die nicht sein darf

Lesezeit 5 Minuten
Markus Berges in Köln am Rhein, im Hintergrund sind die Kranhäuser zu sehen. 

Markus Berges ist Sänger, Songschreiber, Autor und Lehrer.

Markus Berges schreibt nicht nur Songs und ist Sänger der Band Erdmöbel – er schreibt auch fantastische Romane wie „Irre Wolken“.

Nichts ist schwieriger, als über Liebe zu schreiben. Also drückte sich Markus Berges bei seinem neuen Buch darum, solange es irgendwie ging. Er schrieb zum Beispiel erstmal über den gescheiterten ersten Auftritt der Band seines literarischen Ichs. Und über dessen erste Arbeitstage im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) in der geschlossenen Psychiatrie. Aber er schrieb nicht über die Liebe – dabei ist „Irre Wolken“ doch letztlich ein Liebesroman.

„Obwohl die Liebesgeschichte eigentlich der Kern des Romans ist, habe ich sie zuletzt geschrieben. Total bescheuert eigentlich, denn wenn mir das nicht gelungen wäre, hätte das den ganzen Roman zum Scheitern gebracht“, erzählt er. Zum Glück ist es ihm gelungen, fantastisch sogar. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – er zwischendurch in eine richtige Schreibkrise geriet und lange mit dem Schluss des Romans haderte.

Vier Jahre lang hat Markus Berges insgesamt an „Irre Wolken“ gearbeitet. Er schrieb also während der Corona-Pandemie und unterrichtete gleichzeitig als Lehrer – wenn auch mit reduzierter Stundenzahl. Und dann ist er ja auch noch Sänger und Songschreiber der Band Erdmöbel, die während des Schreibens „schon mit den Hufen scharrte“.

Natürlich sei es irgendwie anstrengend, drei Jobs zu haben. Zumal er alle drei mit Leidenschaft bis hin zum Perfektionismus ausübt. „Aber gleichzeitig ist es mein Leben“, sagt er und klingt dabei alles andere als unglücklich.

Mir ist tatsächlich jedes Detail total wichtig.
Markus Berges

Er sei „vielleicht auch ein nicht ein ganz unanstrengender Autor“, überlegt er: „Mir ist tatsächlich jedes Detail total wichtig, zum Beispiel möchte ich auch beim Cover bis zum letzten Schritt beteiligt werden.“

Den Stress, das Zweifeln, die akribische Arbeit – das alles merkt man „Irre Wolken“ nicht an. Im Gegenteil, das Buch liest sich federleicht und beschwingt, mit einer melancholischen Grundierung. Als Songschreiber weiß Markus Berges genau, wie der Sound seines Romans klingen soll: „Ich wollte eine einfache Geschichte, in die man eintaucht. Einen Roman, der sich nicht selbst reflektiert.“ Und tatsächlich: Genauso wie der Ich-Erzähler in das Liebesabenteuer hineinstolpert, wird man auch beim Lesen unweigerlich in den Sog der Geschichte hineingezogen.

Sie nimmt die Leser und Leserinnen mit in das Gehirn eines 19-Jährigen, der Mitte der 1980er seine erste Liebe erlebt. Im Frühling seines Freiwilligen Sozialen Jahrs in der Psychiatrie - ausgerechnet mit einer Patientin. Anne ist ein paar Jahre älter, Fotodesign-Studentin und eigentlich viel cooler als der mit Komplexen beladene Ich-Erzähler. Wäre da nicht ihre psychische Erkrankung – ein diffuser Verfolgungswahn, der irgendwas mit der Atomindustrie zu tun hat.

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Darf so eine Liebe sein? Juristisch ganz sicher nicht – zumal Anne mit der Hilfe des Ich-Erzählers aus der Psychiatrie türmt. Aber moralisch? Der Roman stellt solche Fragen, ohne Antworten aufzudrängen.

Eine Welt zwischen Freiheit und Krankheit

Markus Berges hat sich bewusst entschieden, nicht über den Horizont eines 19-Jährigen hinaus zu schreiben. Der gerät über diese plötzliche und unverhoffte Liebe völlig außer Kontrolle: „Es ist eine Welt zwischen Freiheit und Krankheit. Beides ist auch irgendwie miteinander verknüpft. Und das verliebte Ich ist ja auch irgendwie verrückt in dieser Situation.“

Es gibt eine Menge Autoren, denen die Frage nach den biografischen Parallelen als absolutes No-Go gilt. Zu denen gehört Markus Berges nicht: „Das ist ein autobiografischer Roman“, stellt er klar. „Ich habe selber ein FSJ in der Psychiatrie gemacht, genau wie der Ich-Erzähler 1985/86, während der Tschernobyl-Katastrophe.“

Für ihn sei das autobiografische Schreiben ein Experiment gewesen. Denn gewöhnlich nehme er in seiner literarischen Arbeit und auch beim Songschreiben Abstand von sich. Jetzt also genau das Gegenteil: „Dass ich vieles selbst erlebt habe, macht es ja noch nicht interessant. Was also ist wichtig im Gesamtkontext des Romans? Das war für mich die spezielle Herausforderung dieses autobiografischen Schreibens.“

Und weil Markus Berges eben alles, was er tut, gründlich macht, hat er sich nicht allein auf sein Gedächtnis verlassen, sondern in seinem damaligen Umfeld recherchiert: „Wie war es, in dieser Zeit 19 zu sein? Wie wird man von den Eltern behandelt? Welche Musik, welche Literatur war wichtig?“ Mit dem Schlagzeuger seiner Band, den er schon seit Jugendzeiten kennt, verabredete er sich dafür zum Beispiel in einer Pizzeria: „Der kam mit einem kleinen Köfferchen rein und hatte da drin alle seine Terminkalender aus dieser Zeit!“

Trotzdem ist der Roman keine nostalgische Zeitreise mit wohligen Erinnerungen an gemeinsame Songs, Produkte oder Fernsehsendungen. So oder so ähnlich würde die Geschichte auch in den 2020ern funktionieren, obwohl die Zustände in der Psychiatrie heute hoffentlich menschenfreundlicher sind. Höchstens das ganz spezielle Lebensgefühl des Aufbruchs ins Erwachsenenleben macht nostalgisch - zumindest alle, die schon länger nicht mehr 19 sind.


Markus Berges, geboren 1966 in Telgte, studierte Germanistik und Geschichte. Als Sänger und Songschreiber der Band Erdmöbel wurde er als „großer zeitgenössischer Lyriker“ (taz) und Erzähler „wie traumverloren dahingeraunter Geschichten“ (Die Zeit) bezeichnet. Erdmöbel veröffentlichten bislang 14 Alben, zuletzt „guten morgen, ragazzi“. Markus Berges erster Roman, „Ein langer Brief an September Nowak“, erschien 2010, sein zweiter, „Die Köchin von Bob Dylan“, 2016. Er lebt mit seiner Familie in Köln.

"Irre Wolken", Rowohlt Berlin, 288 Seiten, 24 Euro.

Am Samstag, 9. März, stellt Markus Berges seinen Roman Irre Wolken im Rahmen der lit.Cologne in der Kulturkirche in Nippes vor. Die Lesung wird von Erdmöbel musikalisch begleitet. Die Veranstaltung ist ausverkauft.