„Yamato – The Drummers of Japan“ eröffnen furios das Sommerfestival in der Kölner Philharmonie. Unsere Kritik.
Kölner SommerfestivalFür diese Trommel-Show braucht man ein dickes Fell

„Yamato – The Drummers of Japan“ sind wieder zu Gast in der Kölner Philharmonie
Copyright: Greg Inda
Der junge Mann schlägt die beiden bronzenen Zimbeln gegeneinander, schaut auf zur Decke der Philharmonie, als wäre der helle Ton dorthin entflohen. Zwei Kollegen gesellen sich links und rechts zu ihm. Zu dritt schlagen sie in nervös tickendem Rhythmus die kleinen Becken, die man in Japan „Chappa“ nennt. Der Erste des Perkussionisten-Trios bricht immer wieder aus dem Metrum aus, schlägt mit seinen Zimbeln wilde Soli, wie der Filz-Hipster mit den wilden Haaren in der „Mah Nà Mah Nà“-Nummer aus der Sesamstraße.
Kurz darauf werfen sich die Spieler gestisch die Töne zu, im zunehmend dynamischen Pingpong-Spiel. Dann stoßen noch zwei weitere hinzu, die Performer reihen sich hintereinander, schlängeln sich von Schlag zu Schlag, als imitierten sie mit ihren Körpern den „Bullet Time“-Effekt aus „Der Matrix“. Timing ist hier fast alles, der Rest ist der übersprudelnde Enthusiasmus, der sich von der Bühne auf die Reihen des Konzerthauses überträgt.
Auf die verspielten Zimbeln folgt ein martialischer Kraftakt
Willkommen zu „Yamato – The Drummers of Japan“, willkommen zum 36. Kölner Sommerfestival. Die Kompanie aus dem Dorf Asuka, das einst der Mittelpunkt des japanischen Kaiserreiches war, gastiert schon seit Jahrzehnten regelmäßig im Sommerprogramm, und ihre neue Show „Hito no Chikara – Die Macht der menschlichen Stärke“ unterscheidet sich nicht wesentlich von vorhergehenden – aber müde wird man ihrem Trommelfeuer nicht.
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Was zum einen daran liegt, dass Yamato-Chef Masa Ogawa die Taiko-Trommel aus ihrem religiösen und rituellen Umfeld befreit und zum weltweit leicht verständlichen Export-Schlager geformt hat. Zum anderen aber daran, dass er nie die Verbindung zum Ritus, zum spirituellen Kern der Trommel gekappt hat. Egal, wie lustig, mitreißend, akrobatisch oder überwältigend sich die einzelnen Nummern entwickeln, Ogawa führt sie immer wieder zurück auf eine einfache, aber enorm aufgeladene Handlung: den Schlag aufs gespannte Fell.
So folgt auf die verspielten Zimbelinchen ein martialischer Kraftakt: Vier Männer müssen die große Trommel halten, auf die der muskulöseste der Yamatos mit freigelegtem Oberkörper eindrischt. Musik, die man mit dem Magen hört. Es wird noch sportlicher als sich die Männer vor aufgebockten Taikos sitzend nach hinten beugen, sie mit angespannten Bauchmuskeln bearbeiten. Später thront ein Schlagwerker über der dicken, aus einem einzigen Baumstamm geschnitzten Odaiko und lässt eine cartoonmäßig große Keule auf das Leder krachen. Fast möchte man sich vor der heranrollenden Schallwelle ducken.
Eingeleitet hatte die Machtdemonstration ein kurzes lyrisches Solo auf der Bambusflöte. Klar, die spielt eine der vier Frauen des zehnköpfigen Ensembles. Ganz so eindeutig sind die Rollen aber dann doch nicht verteilt. Wie die Frauen die Banjo-artige Shamisen mit Speed-Metal-Power zupfen, wie sie mit Kampfschreien tänzelnd auf die geschnürte Okedo-Daiko einpeitschen, oder im Wettbewerb mit den Männern mit einem Arm beide Felle der Schnürtrommel so schnell abwechselnd treffen, dass das Auge nicht mehr folgen kann – die Geschlechterparität ist fast erreicht.
Wenn das gesamte Ensemble auf der Bühne steht und die ganze Bandbreite des Instrumentariums bedient, scheinen die Rhythmen rücksichtslos aufeinander zu galoppieren wie die feindlichen Reiterarmeen in Akira Kurosawas „Ran“. Doch den Tumult durchbrechen die Performer durch ein unbedarftes „Hello?“, rührend-ungelenke Ansprachen und zuerst simple, dann immer komplexere Mitklatschspielchen. Mit dem Ergebnis, dass sich die Zuschauer und Zuschauerinnen am Ende als Teil der Trommeltruppe fühlen dürfen, teilen sich die „Drummers of Japan“ und das Publikum aus Köln einen gemeinsamen Herzschlag.