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Kölner SommerfestivalWie US-Choreograf Dwight Rhoden mit Trump hadert

5 min
Vier Tänzerinnen und Tänzer des Complexions Contemporary Ballet haben sich hintereinander in verschiedenen Tanzfiguren aufgestellt.

Das Complexions Contemporary Ballet tanzt ab Dienstag in Köln.

Ab Dienstag gastiert das Complexions Contemporary Ballet in der Kölner Philharmonie. Wir sprachen mit Dwight Rhoden, dem Leiter der Tanzgruppe.

Der Kulturkampf tobt nicht erst seit der zweiten Trump-Regierung in den USA. Schon Ronald Reagan wollte die „National Endowment for the Arts“ (NEA), die einzige staatliche Kulturfördereinrichtung der Vereinigten Staaten, 1981 abschaffen. Wenige Jahre später flammte der Streit um die NEA erneut auf, diesmal hatte er sich an einer Fotografie des Künstlers Andres Serrano entzündet, die ein Plastikkruzifix zeigt, das in einen Glastank mit dem Urin des Künstlers getaucht ist. Das Werk hatte einen von der NEA mitfinanzierten Preis gewonnen. Konservative Christen liefen Sturm, umstrittene Künstlerinnen und Künstler verloren Fördergelder.

Inmitten dieser Debatte gründeten Dwight Rhoden and Desmond Richardson – beide waren Solotänzer bei Alvin Ailey gewesen – ihre multikulturelle Kompanie Complexions Contemporary Ballet. „Alle haben uns geraten: Macht das nicht, gründet kein Unternehmen“, erinnert sich Dwight Rhoden heute. „Und natürlich haben wir nicht darauf gehört und es trotzdem getan. Und ich bin so froh, dass wir es getan haben.“ Vergangenes Jahr konnte Complexions seinen 30. Geburtstag feiern.

Complexions arbeitete mit Stars wie Prince, Paul Simon und Lenny Kravitz

Am kommenden Dienstag gastieren sie mit ihrem Programm „Star Dust“ für eine Woche im Rahmen des Kölner Sommerfestivals in der Philharmonie. Die Kompanie hat sich in drei Jahrzehnten ein internationales Publikum ertanzt, hat mit Stars wie Prince, Lenny Kravitz, Paul Simon, Nina Simone, und Patrick Swayze zusammengearbeitet. Mehr als 90 Choreografien hat Rhoden für Complexions geschaffen. In dieser langen Zeit habe er sicherlich auch viele Fehler gemacht, schätzt der Ballettchef, den einen jedoch nie: „Ich habe nicht auf den Lärm gehört. Es wird immer viel Lärm geben und viele Gegner und Leute, die nicht wollen, dass man das tut, was man tun will. Gerade deshalb muss man am Ziel dranbleiben. Und ich bin verdammt hartnäckig.“

Das angeschnittenes Porträtfoto zeigt Dwight Rhoden lächelnd, den Kopf in der Handfläche haltend

Dwight Rhoden, Mitgründer und Choreograf des Complexions Contemporary Ballet

Noch im vergangenen März trat das New Yorker Tanzensemble – das stolz von sich behauptet: „Wir sind divers, queer und inklusiv“ – im heiß umkämpften Kennedy-Center in Washington auf. Ob es für längere Zeit das letzte Mal gewesen ist? „Jeder hier in Amerika ist ein bisschen nervös“, sagt Rhoden, „und wir spüren das definitiv auch. Es ist schwieriger geworden, Zuschüsse und dergleichen zu bekommen. Die NEA steht quasi nicht mehr zur Verfügung. Uns geht es genau um das, was das Weiße Haus nicht will, nämlich um Liebe und Einigkeit. Trump will Transmenschen ausgrenzen, und das hat nichts mit Kunst zu tun. Die Kunst ist dazu da, das Rad voranzutreiben. Ich glaube wirklich, dass es die Künstler sind, die die Welt voranbringen und dass Kunst die Nahrung für das Leben ist. Ich bin entschlossen, unsere Botschaften weiterzuverbreiten, ich denke, sie sind wichtiger denn je.“

„Bei uns tanzen die schönen Außenseiter der Branche“
Dwight Rhoden

Auch innerhalb der Tanzwelt: Complexions mögen mit ihren populären Programmen – in Köln wird zu Beethoven, Bowie und U2 getanzt – ein breites Publikum ansprechen, aber, betont der Choreograf, man sei immer noch eine klassische Ballettkompanie, hier wird auf Spitze getanzt. Nur, dass hier auch Performer in Starrollen tanzen, die woanders nur Ablehnung erfahren haben.

Wie zum Beispiel die erstaunliche, hochenergetische Solotänzerin Jillian Davis, die lange keine Arbeit finden konnte, weil sie als zu groß gewachsen für eine Primaballerina galt. „Bei uns tanzen die schönen Außenseiter der Branche“, sagt Rhoden. „Leider setzt sich meine Sparte immer noch nicht so für die Diversität ein, wie sie es meiner Meinung nach tun könnte. Wir haben in den letzten Jahren Schritte in die richtige Richtung unternommen, aber angesichts des aktuellen politischen Klimas habe ich das Gefühl, dass die Menschen lange nicht mehr so engagiert sind wie vor der Trump-Regierung.“

Glamouröse Feier der Unterschiede mit Momenten sinnlicher Schönheit

Dem Kölner Programm wird man solche politischen Frustrationen kaum entnehmen können, es ist eine glamouröse Feier der Unterschiede und der technischen Exzellenz. „Star Dust“, Dwight Rhodens Liebesbrief an David Bowie, konnte man schon vor ein paar Jahren in Köln bewundern: eine wunderbar dynamische Hommage, bei der der Geist des Sängers in jeden Körper auf unterschiedliche Weise zu fahren scheint. Jetzt kommt noch ein Stück zu Ludwig van Beethovens während der Napoleonischen Kriege komponierten Klavierkonzert Nr. 5 in Es-Dur, op. 73 hinzu – und eine Choreografie zu Songs von U2. Complexions hatten bereits vor rund 15 Jahren einen Tanzabend mit den größten der irischen Band auf die Bühne gebracht und wegen des großen Publikumszuspruchs viele Jahre lang im Repertoire behalten.

„Dann haben U2 ein Akustik-Album namens ‚Songs of Surrender‘ herausgebracht“, erzählt Rhoden, „das fühlt sich an, als wäre man mit Bono und The Edge in einem Raum. Für mich war das die Gelegenheit, zum Jubiläum noch einmal an eines unserer beliebtesten Stücke anzuknüpfen, es noch einmal völlig neu zu erfinden.“ Während die ursprüngliche Choreografie eher locker und augenzwinkernd gewesen sei, verspricht der Complexions-Mitgründer diesmal Momente von sinnlicher Schönheit. Damals hieß das Stück „Rise“, eine Forderung, sich zu erheben und aufwärts zu streben. Der neue Titel zeugt von Wut und Erschöpfung: „For Crying out Loud“ (etwa: „Verdammt noch mal“). Gehen die schwierigen Zeiten der Kompanie doch zu nah? „Die Songs sind voller Gefühl und diese starken Emotionen, der Drang nach Liebe, nach Verbundenheit, all das fordert auch einen Preis“, schätzt Dwight Rhoden.

Und außerdem, fügt der Choreograf noch hinzu, sei das auch der Lieblingsfluch seines vor kurzem gestorbenen Vaters gewesen.


„Star Dust – New Inspired“, 22. bis 27. Juli, Philharmonie, Tickets ab 51 Euro.