Arte-Film über Gerhard SchröderHeld oder Herkunftsverräter?

Lesezeit 3 Minuten
Gerhard Schröder während des Drehs der Dokumentation

Gerhard Schröder während des Drehs der Dokumentation

  • Gerhard Schröder war der bisher letzte Kanzler der SPD. Seither ging es mit der Partei bergab. Eine Arte-Doku fragt, welche Verantwortung er für diesen Niedergang trägt.
  • Torsten Körner hat für seinen Film viele hochrangige Politikerinnen und Politiker - Freunde wie Feinde - vor die Kamera geholt. Und auch der Altkanzler selbst meldet sich zu Wort.
  • War er wirklich nur der Brioni-Anzüge tragende „Genosse der Bosse“ oder doch ein Mann des Volkes?

Die ersten Sätze, die Gerhard Schröder in der Arte-Dokumentation sagt, stammen nicht von ihm, sondern von Heinrich Heine: „Schlage die Trommel und fürchte dich nicht!“ Und weil diese Verse so gut zum – zumindest vorerst – letzten Kanzler passen, den die SPD stellte, hat Torsten Körner seinen von der Kölner Firma Broadview produzierten Film auch gleich so benannt.

Beinhaltet Heines „Doktrin“ doch gleich zwei Aussagen, die der Filmemacher in den Mittelpunkt seiner Annäherung stellt: Da ist einer, der gut darin ist, ordentlich Lärm für seine Sache zu machen und der keine Angst davor hat, auf Widerstände zu stoßen.

Hat er seine Herkunft verraten?

So lautet die eine Lesart seiner Person. Die andere ist weniger schmeichelhaft. Schenkt man etwa Oskar Lafontaine, seinem früheren SPD-Parteifreund Glauben, dann hat Schröder seine eigene Kindheit in Armut und alles verraten, wofür die Sozialdemokratie steht, und ihren Niedergang eingeläutet: „Er weiß, dass er seine Herkunft verraten hat.“ War er also wirklich der Brioni-Anzüge tragende „Genosse der Bosse“ oder doch ein Mann des Volkes? Held oder Herkunftsverräter?

Keine abschließende Antwort

Eine abschließende Antwort gibt Körner darauf nicht, sondern lässt Weggefährten und politische Gegner zu Wort kommen, die zu sehr unterschiedlichen Urteilen kommen. Die Liste der Interviewpartner ist lang: Neben Oskar Lafontaine und SPD-Politikern wie Franz Müntefering, Sigmar Gabriel, Martin Schulz und Gesine Schwan geben auch die Grünen-Politiker Renate Künast, Joschka Fischer und Jürgen Trittin, Schröder-Freund Markus Lüpertz sowie einige hochrangige ausländische Politiker, darunter Polens Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski und der frühere französische Außenminister Hubert Védrine Auskunft.

Körner erzählt die Geschichte eines Aufsteigers aus einfachen Verhältnissen, der sich nie auf andere verließ, sondern den unbedingten Ehrgeiz hatte, es nach oben zu schaffen. Der Film findet dafür ein schönes Bild: Schröder sei der Günter Netzer der SPD. So wie dieser sich 1973 im DFB-Pokalfinale selbst einwechselte, habe auch Schröder agiert. Der betont: „Ich habe nie gewartet, bis mich einer vorgeschlagen hat.“ Natürlich darf auch jemand – in diesem Fall Renate Schmidt – die bekannte Geschichte erzählen, wie Schröder in Bonn an den Gitterstäben rüttelte, die das Bundeskanzleramt umgaben und rief: „Ich will hier rein.“

Über Umwege ins Kanzleramt

So schaffte er es über den Umweg als niedersächsischer Ministerpräsident 1998 ins Kanzleramt. Die in seiner Zeit auf den Weg gebrachte Agenda 2010 nimmt viel Raum in dem Film ein. Für die einen war sie ein Verrat an sozialdemokratischen Prinzipien, für die anderen eine mutige Erneuerung des Sozialstaats.

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch Schröders Freundschaft zu Vladimir Putin und seine Tätigkeit im Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft beleuchtet Torsten Körners Film. Allerdings macht er es dem Ex-Kanzler an dieser Stelle zu leicht. Kritisch äußern sich andere, Schröder selbst bleibt die Antwort auf die Frage, die ihn schon einmal in Verlegenheit brachte – Ist Putin ein lupenreiner Demokrat? – auch hier schuldig.

Film ist sehr wohlwollend

Überhaupt ist der Film, in seinen Bildern und auch in seinem Off-Text, meist sehr wohlwollend. Schröders bizarrer Auftritt nach seiner Wahlniederlage bei der Elefantenrunde 2005 etwa kommt nicht vor. In der Analyse seiner Ehen kommt Schröder ziemlich gut weg. Zwar sei er stets ein Macho gewesen, aber einer, der sich immer starke Frauen suchte.

Am Ende bemüht der große Trommler Schröder noch einmal die Verse von Heinrich Heine, wenn er der SPD mit auf den Weg gibt: „Bisschen mehr Trommeln könnten wir brauchen.“

Arte zeigt „Gerhard Schröder – Schlage die Trommel“ am Dienstag, 14. Juli, um 21.45 Uhr. Danach ist der Film bis 13 August in der Mediathek zu sehen.

KStA abonnieren