Ausgezeichneter Podcast „Rice and Shine“Kölnerin erhebt ihre Stimme für mehr Vielfalt

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Minh Thu Tran 

Köln – Der journalistische Jobeinstieg ist eine stressige Lebensphase, in der meistens kaum Zeit für anderes bleibt. Und trotzdem starteten Minh Thu Tran und Vanessa Vu in genau dieser Lebensphase ihren viet-deutschen Podcast „Rice and shine“.

Das war 2018 und die beiden hatten gerade ihre Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München hinter sich und neue Jobs in Köln (Minh Thu Tran) und Berlin (Vanessa Vu) angefangen. Aus ihren bisherigen Erfahrungen in den deutschen Medien wussten sie: Wenn sie nicht selbst ihre Geschichten erzählen, ihre Themen setzen – dann wird es wohl auch niemand anders tun.

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„Es gab einfach wenige asiatische Gesichter in den deutschen Medien und wenige Geschichten, die über asiatische Menschen erzählt wurden“, sagt die 28-Jährige, die genau wie ihre Freundin Vanessa als Kind vietnamesischer Eltern in einer bayerischen Kleinstadt aufwuchs.

Denn die meisten journalistischen Entscheider blicken mit ihrer „weißen Brille” auf Themen, wie Minh Thu Tran es ausdrückt. „Also gab es für uns auch kaum Vorbilder und es wurde öffentlich auch sehr wenig über unsere Eltern erzählt, abseits von »die Strebermigranten« und »die Zigarettenmafia«“.

Mit „Rice and Shine“ machten die beiden all diese unerzählten Geschichten öffentlich. Sie erinnern sich an deutsche Nachbarn, die Ersatz-Großeltern wurden.  Sprechen mit dem ehemaligen  Gesundheitsminister Philipp Rösler über seine Herkunft , berichten über Schicksal der „Boat People“, die nach dem Krieg Mitte der 1970er aufs offene Meer flüchteten.

In einer anderen sehr aufwendig produzierten Folge erzählen sie von einem Brandanschlag auf eine Hamburger Flüchtlingsunterkunft 1980, bei dem zwei junge Männer aus Vietnam starben. Der Fall gilt als der erste rassistische Mord in der BRD und trotzdem (oder deswegen?) wurde bis heute darüber kaum berichtet. Für diese Folge wurden Minh Thu Tran und Vanessa Vu gerade mit dem Civis Medienpreis ausgezeichnet.

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Vanessa Vu (links) und Minh Thu Tran bei der Verleihung des Civis-Medienpreises

Und wer diese (und die Boat-People-)Folge gehört hat, versteht auch, warum die beiden beschlossen haben, dass sie nicht mehr so weiter machen können wie bisher. Denn sie plaudern eben nicht nur ein bisschen über ihre persönlichen Erlebnisse und Erinnerungen, sondern recherchieren oft intensiv und lassen Betroffene und Zeitzeugen zu Wort kommen.

Das macht viel Arbeit – Arbeit, die Minh Thu Tran und Vanessa Vu bislang immer irgendwie in ihre vollen Terminkalender gequetscht haben: Am Wochenende, im Urlaub, um Mitternacht („wir haben dann versucht, nicht zu müde zu klingen“).

„Das Echo war überwältigend“

Warum sie sich das alles angetan haben? „Weil es das erste Mal war dass wir unsere Themen unter unseren Bedingungen behandeln konnten“. Und weil das Echo so überwältigend war – auch jenseits von Preisen. „Schon nach den ersten Folgen hatten wir total viele Mails im Postfach, teilweise mit ganzen Lebensgeschichten. Und es ist krass für uns zu sehen, wie sich eine junge Generation von Deutsch-Vietnamesen durch uns politisiert hat.“

In Zukunft wird ihr Podcast als Koproduktion ihrer Arbeitgeber („Zeit online“ und „WDR Cosmo“) produziert – was Minh Thu Tran und Vanessa Vu wieder etwas mehr Luft verschafft. Zum Beispiel für ihr Engagement bei den „Neuen deutschen Medienmacher*innen“ – einem Journalisten-Netzwerk, das sich für gute Berichterstattung und für vielfältiges Medienpersonal einsetzt.

Viel Aufklärungsarbeit in den Redaktionen

Dass das immer noch alles andere als selbstverständlich ist, erlebten die „Rice and Shine“-Macherinnen als sie in ihren Jobs anfingen: „Wir haben da wirklich gemerkt, was für grundsätzliche Diskussionen wir vor drei, vier Jahren noch führen mussten. Und dass wir in der Hinsicht in den Redaktionen noch viel Aufklärungsarbeit leisten müssen.“

Zur Serie #Einflussreich

Wir sehen und hören sie jeden Tag: Auf Instagram, Twitter oder Youtube. Aber wer sind  die Menschen hinter den Accounts, denen Zehntausende folgen? Warum posten sie Bikinifotos oder sprechen in Podcasts über intimste Details? Was treibt sie an, wie sieht ihr Arbeitsalltag  aus? Das alles wollen wir in unserer Serie „Einflussreich“ herausfinden. Und dabei spannende Menschen kennenlernen.

Wie sehr sich das Bild einer Redaktion voller weißer Journalisten auch bei ihr selbst eingeprägt hat, merkte Minh Thu Tran bei der Bewerbung an der DJS: „Bei der Aufnahmeprüfung habe ich das erste Mal Vanessa gesehen. Und habe gedacht –  können die überhaupt zwei Asiatinnen nehmen? Da war gleich der Gedanke – es ist nur Platz für eine, die anders ist. Wenn überhaupt. Und als wir dann beide genommen wurden und in einer Klasse waren, haben wir aber gesehen: Nein, wir können uns eher gegenseitig stärken.“

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