Bereits zum fünften Mal lädt der Kölner Dirigent Christoph Spering zu seinem Bach-Fest.
Bach-Fest in KölnZahlenmystik und fröhliches Schmettern

Christoph Spering, Dirigent aus Köln
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Dialoge war das Thema des Kölner Bach-Festes 2025. In fünf Konzerten wurde viel geredet, klug, unterhaltsam und kenntnisreich. In der Trinitatiskirche am Sonntagabend ging es um die sogenannten Dialog-Kantaten von Bach, also solche ohne Chor. Christoph Spering hatte Michael Maul und Bernhard Schrammek eingeladen, bekannt durch ihren Bach-Podcast beim MDR.
Sie entführten das Publikum gleich zu Beginn auf eine fast einstündige Reise in Bachs Kompositionswerkstatt. Da stellen sich Fragen wie, warum gibt es in diesen Kantaten der Weihnachtszeit keine Chöre: Weil die Thomaner durch das sogenannte Neujahrssingen erschöpft waren. Was bedeutet die Besetzung Bass- und Sopransolo: Jesus und die gläubige Seele. Warum ist in der Arie „Ich wünschte mir den Tod“ dieser dichte, dissonanten Orchestersatz wie aus einer „harmonischen Zwischenwelt“: Man könne darin auskomponierte Traurigkeit wie Zuversicht heraushören.
Marie Luise Werneburg und Thomas E. Bauer als ausdrucksvolle Solisten
Mit Marie Luise Werneburg und Thomas E. Bauer hatte Spering zwei Solisten engagiert, die textsicher und ausdrucksvoll agierten, bisweilen auch hochvirtuos wie in der Bassarie „Ja, ja, ich kann die Feinde schlagen“. Spering musste oft überhaupt nicht dirigieren. Sein Ensemble Das Neue Orchester, das er schon 1988 gegründet hat, findet sich auch so zurecht. So waren seine Impulse, die er in dem wunderbaren Schlussduett „Ich hab für mir ein schwere Reis“ der Kantate 58 setzte, umso wirkungsvoller.
Mit dieser Nummer ging ein langer dreistündiger Abend zu Ende, bei dem man viel gelernt und gestaunt hat. Auch darüber, wie Michael Maul das schiere Pensum, das Bach seinerzeit zu bewältigen hatte, in Erinnerung rief. Die Kantaten seien Gelegenheitswerke, die er im Wochenabstand ablieferte, aber von allergrößter Kompositionskunst.
Einen ganz anderen Tonfall hörte man am Vortag in der Mülheimer Friedenskirche, wo Christoph Spering 42 Jahre lang Kantor war. Dort kam in einer familiären Atmosphäre sein anderes Ensemble, der Chorus Musicus, gegründet 1985, mit fünf Bach-Motetten zum Einsatz. Außerdem hatte er den Organisten und Bachforscher Christoph Bossert als Dialogpartner eingeladen. Während Maul und Schrammek den Musikeralltag von Bach schilderten, leitete Bossert aus dem Œuvre komplexe Zahlenbeziehungen ab.
Bachs erstaunliche Zahlenmystik
Zahlensymbolik bei Bach betreiben viele, aber Bossert geht so weit, dass er sagt, die Summe aller 65000 Takte in Bachs zyklischen Instrumentalkompositionen über die Jahrzehnte seien geplant und deswegen der Abbruch des Schlussstücks in der Kunst der Fuge eine Inszenierung. Oder die Noten, die man auf dem berühmten Bachporträt von Haußmann sieht, sei der 13. von 14 Kanons aus BWV 1076, was für ihn die Signatur einer unio mystica sei, bestehend aus den 12 Aposteln, Jesus und dem jeweiligen menschlichen Individuum.
Christoph Bossert spielte auf der Woehl Orgel der Friedenskirche unter anderem das von ihm selbst ergänzte Fragment der Fantasia C-Dur aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach. Da entfernte er sich immer mehr von dem schlichten Tonsatz des Anfangs und konstruierte Tongebäude von schwindelerregender Höhe und Komplexität. Hier ließ er auch den Klang dieses schönen Instruments endlich in den Raum hinaus, während er vorher meist dünne Noten-Fäden spann, aber von großer Transparenz.
Bei den Motetten selbst folgte man dem Chorus Musicus gerne den nachdenklichen, leisen Worten „Gute Nacht, ihr Sünde“ in der Motette „Jesu meine Freude“ genauso wie dem fröhlichen, fast schmetternden „Singet dem Herrn ein neues Lied“.
Dieser Chor hat sich über die Jahre sein hohes Niveau bewahrt und generell wünscht man, dass Christoph Spering sein Bach-Fest fortführen kann, das mittlerweile einen schönen Akzent im Musikleben Kölns setzt.

