Der frühere Gürzenich-Chef Marek Janowski musste wegen fehlender Probezeit auf Max Regers Mozart-Variationen verzichten.
Kölner PhilharmonieWegen Stromausfall heute nur Beethoven

Der Kölner Stargeiger Frank Peter Zimmermann
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Ursprünglich hatten Max Regers Mozart-Variationen den zweiten Programmteil im jüngsten WDR-Abokonzert stellen sollen. Das klappte nun wegen des Stromausfalls im Philharmonie/Museum Ludwig-Komplex nicht – da fehlte einfach eine dringend benötigte Probe. Muss man ihn bedauern, den Verzicht auf die gigantische spätromantische „Bearbeitung“ von Mozarts idyllischem Thema aus der A-Dur-Klaviersonate? Vielleicht ein bisschen, und zumal deshalb, weil das Ersatzstück, Beethovens erste Sinfonie, im Unterschied zu Regers aufwändiger Klangekstase nicht nur einen geringeren Mitteleinsatz erfordert, sondern im Konzertleben auch nahezu omnipräsent ist. Und mit ihrer halbstündigen Dauer reichte sie jetzt auch nicht hin, die übliche Konzertlänge von zwei Stunden „voll“ zu machen.
Die Qualität der Aufführung unter dem früheren Gürzenich-Chef Marek Janowski war dann freilich geeignet, eventuelle anfängliche Enttäuschung verblassen zu lassen. Klar, nach dem eröffnenden Violinkonzert lag es angesichts der Situation nahe, mit Beethoven weiterzumachen. Vor allem aber begab man sich damit auf eine absehbar sichere Bank: Abgesehen davon, dass Janowski beim WDR Sinfonieorchester eh ein beharrlicher Gast ist, liegt von beiden immerhin eine seinerzeit hochgelobte Gesamteinspielung der Beethoven-Sinfonik zum Jubiläumsjahr 2020 vor.
Am Pult agiert der 86-Jährige konzentriert, fokussiert und nüchtern
Am Pult agierte der mittlerweile 86-Jährige so, wie man ihn seit langem kennt: konzentriert, fokussiert, nüchtern, hochbewusst in der Darstellung von Tempo- und Klangrelationen, dabei ohne alle Neigung zum äußerlichen Effekt. Janowski hat nicht den Ehrgeiz, Beethoven spektakulär neu zu erfinden, aber was in diesem sinfonischen Erstling nicht nur an aggressiver Energie, sondern auch an kompositorischer Finesse steckt – es wurde allemal deutlich.
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Dass sich etwa der Allegro-Teil des ersten Satzes in seiner motivischen Substanz weithin aus dem punktierten Auftakt des ersten Themas sowie dem folgenden raketenhaften Aufstieg formiert – Janowski machte es mit unaufdringlicher Beharrlichkeit hörbar. Das Orchester folgte den dirigentischen Impulsen souverän. Sicher darf man erwarten, dass die Streicher eines solchen Klangkörpers ihre Läufe wie mit dem Lineal gezogen hinkriegen. Es sei hier trotzdem erwähnt, weil auch für die Sinfonie wahrscheinlich nicht viel Probenzeit zur Verfügung stand.
Der in Köln ansässige Stargeiger Frank Peter Zimmermann markiert im Auftritt das Gegenteil zum Kapellmeister mit seinem – zumindest so wirkenden – Appeal einer mürrischen Bärbeißigkeit. Künstlerisch ergänzen allerdings beide, auch sie immerhin lang vertraute Buddys, einander aufs Vorteilhafteste. Und wer geargwöhnt hatte, Zimmermann werde die von Routine angefressene Deutung eines Werkes abliefern, das er mutmaßlich schon 200 Mal in seiner Karriere gespielt hat – er wurde überaus angenehm enttäuscht. Die Interpretation wirkte frisch wie am ersten Tag, ganz aus den Impulsen und dem spielerisch-entspannten Vergnügen des Augenblicks beflügelt.
Selbstverständliche Virtuosität paarte sich hier mit der Tugend des ganz Leisen in den tonlich makellosen hohen Registern – die Wiederkehr des Hauptthemas im Finale wurde in diesem Sinne immer wieder zum Ereignis – und jener freudigen Beschwingtheit, die diesem Werk tatsächlich in hohem Maß angemessen ist. Das Violinkonzert repräsentiert eben nicht den Klischee-Beethoven der herabgezogenen Mundwinkel. Berührend ernst ging es dann doch noch in der Zugabe mit dem Adagio aus Bachs dritter Sonate für Violine solo zu.

