Die Beatsteaks feiern ihren 30. Geburtstag. Zu Köln hat die Berliner Band eine ganz besondere Verbindung. Beim Konzert im Palladium zeigt sich, warum.
Konzert im PalladiumWieso Köln der Geburtshelfer für den Erfolg der Beatsteaks ist

Die Berliner Band Beatsteaks spielte am Mittwochabend im Palladium - und klärte über ihre besondere Verbindung zu Köln auf.
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Wenn Künstler bei einem Konzert davon erzählen, wie toll sie die Stadt finden, auf deren Bühne sie gerade stehen, wie großartig doch das Publikum ist, manchmal sogar am großartigsten, noch großartiger als anderswo also, dann schwingt ja immer mit, dass die verteilten Komplimente zwar einen wahren Kern haben und doch bei jedem Tourstart, in jeder anderen Stadt, zu hören sind.
Die Verbindung der Berliner Band Beatsteaks zu Köln aber ist eine andere. Sie ist in gewisser Weise wegweisend und so ist jene, an diesem Abend vor den 4.000 Besuchern im Palladium öfter zu hörende Preisung der Stadt glaubhafter, als die netten Worte in anderen.
Beatsteaks in Köln: Sänger ist wie immer gesprächig
„Launched“ haben die Beatsteaks hier am Rhein aufgenommen, ihr Epitaph-Debut, damals Ende der 1990er-Jahre im Minirock Music Studio von Uwe Sabirowsky, der heute leider nicht da sei, wie Arnim Teutoburg-Weiß das Publikum wissen lässt.
Der Beatsteaks-Sänger ist wie immer gesprächig, ohne unangenehm zu sein, ein Aktivposten auf der Bühne, ohne wie ein Gummiball umherzuspringen. Die Band startet mit „Detractors“, einem Song ihres aktuellen Albums „Please“, es folgen „You in Your Memories“ und „E-G-O“ – drei Stücke von drei unterschiedlichen Platten. Im 30. Jahr ihres Bestehens spielen sich die Beatsteaks quer durch ihr eigenes Schaffenswerk.
Punk ist heute Mitklatschen
„Die neuen Alben können alle weg, die alten sind besser“, sagt jemand neben mir, ein Satz, den man oft hört, der aber auch immer etwas peinlich wirkt, selbst wenn er wahr ist. Das Publikum im Palladium gibt sich bei den ersten Stücken noch verhalten, vielleicht liegt es daran, dass die Mehrheit der Anwesenden mittlerweile auf die 40 zu geht. Mindestens.
Arnim Teutoburg-Weiß wäre nicht Arnim Teutoburg-Weiß und die Band, in der er singt, hätte sich nicht 30 Jahre gehalten, wenn sie nicht ihr Publikum abzuholen wüssten – und das tun Bands heutzutage, in dem sie die Konzertbesucher zum Mitmachen auffordern.
Den entrückten Rockstar gibt es nicht mehr, Musiker sind jetzt zum Anfassen da. Punk ist heute Mitklatschen und im Palladium wird viel geklatscht. Im Rhythmus, nach Animation von der Bühne und auf Eigeninitiative des Publikums.
Die Beatsteaks sind schon lange kein Punk mehr, jedenfalls nicht musikalisch, falls sie es jemals waren. Dafür touren sie durch ostdeutsche, links-autonome Kultur- und Jugendzentren, denn sie haben ihr Herz am linken Fleck. Auch an diesem Abend in Mülheim hört man, dass ihre Songs durchzogen sind von Einflüssen aus Reggae und Alternative, aus NDW oder Disco, die sich zu dem tanzbaren Sound verbindet, der die Band ausmacht und sie so weit gebracht hat. Wer wohl beim ersten Kölner Konzert der Band im Kölner Underground dabei war?1995 sei das gewesen, lässt der Sänger wissen.
Und sie würdigen ihre Vielzahl an Einflüssen durch die Coverversionen, die sie spielen, etwa „Hey du“ von Ilona Schulz. Im Original heißt das Stück „Marias Lied (Du bist schön, auch wenn du weinst)“ und ist eine Ode an die Linie 1 der Berliner Verkehrsbetriebe.
Auch Sido hat den Song einst gecovert. Rhythmus-Gitarrist Peter Baumann trägt die Beatsteaks-Version alleine vor; die Beleuchtung gedimmt, nur auf Baumann mit seiner Gitarre ist ein Lichtkegel geworfen. Die Fans singen mit. Und noch eine Huldigung Berlins gibt es, mit Grüßen nach Spandau – nach dem Erklingen der ersten Töne, ist vielen klar, wer da gegrüßt wird: „Teenager Liebe“, der Ärzte-Klassiker aus besseren Tagen ertönt.
Beatsteaks machten erste Schritte in Köln
1995 gegründet, wird das Berliner Quintett gerne mal mit Die Ärzte und den Toten Hosen verglichen, was ein großer Fehler ist: Die Ärzte bieten ihren Fans seit Jahrzehnten den gleichen in Liedtexte verpackten Pseudo-Witz. Die Tosen Hosen spielen seit 25 Jahren Stadionrock. Arnim Teutoburg-Weiß hat nichts mit Farin Urlaub oder Campino gemein, der Beatsteaks-Sänger ist weder steif noch belehrend und auch wenn es den entrückten Rockstar so nicht mehr gibt, ist Teutoburg-Weiß den Fans näher, als die oben Genannten. Und natürlich ist auch die Musik wesentlich komplexer, teilweise spielen drei Gitarristen auf der Bühne.
Nach „Launched“ kam „Living Targets“, das Album mit John F. Kennedy auf dem Cover. „Living Targets“, ist ebenfalls auf dem legendären Punk-Label Epitaph erschienen, Anfang der 1980er Jahre durch Brett Gurewitz, Gitarrist von Bad Religion, gegründet. Ein Ritterschlag.
Die Beatsteaks waren die erste europäische Band auf dem Label und auch diese Platte wurde in Teilen durch Uwe Sabirowsky produziert. Sabirowsky, der auch an Banafishbones und Waterdown, Spermbirds und Die Mimmi's beteiligt war, an Thomas D.'s erstem Solo-Album und an Aufnahmen der Donots, die einen ähnlichen Weg wie die Beatsteaks genommen haben.
Auf „Living Targets“ findet sich der erste Hit der Band, „Let Me In“. Ein Achtungserfolg damals, 2002, eine Vorahnung auf das, was mit dem Nachfolgealbum „Smack Smash“ und dem darauf enthaltenen „Hand in Hand“ kommen sollte: der Durchbruch.
Enthemmende Hits von Beatsteaks in Köln
Das, bis auf die vordersten Reihen, doch über die ganze Länge des Konzerts, mehrheitlich zurückhaltende Publikum, ist bei „Let Me In“ nicht zu halten: Teutoburg-Weiß choreografiert 4000 Leute in die Hocke, beim Hochspringen auf Kommando ist auch der letzte Besucher völlig enthemmt, trotz des einen oder anderen knarzenden Knochens, der sich nicht erst im Rentenalter bemerkbar macht.
Im Zugabenblock darf das unvermeidliche „Hand in Hand“ nicht fehlen. Wie man Hits schreibt, das haben sich die Beatsteaks selber beigebracht. Angefangen Songs zu schreiben, erzählt der Frontmann, hätten sie, nachdem Peter Baumann und er ein Konzert der legendären Bostoner Ska-Core Band The Mighty Mighty Bosstones besucht hätten. Das, so Teutoburg-Weiß, sei doch ganz einfach, habe man sich gedacht. Zum Glück war es das am Ende nicht – sonst hätten sich die Beatsteaks ihren Erfolg wohl nicht hart erspielen müssen.