Star der Eberhofer-KrimisLisa Maria Potthoff: „Susi sind immer drei Schippen mehr“

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Sarah Kohr (Lisa Maria Potthoff) streckt die Faust in die Kamera.

Lisa Maria Potthoff, bekannt aus den Eberhofer-Krimis, in einer Szene aus der ZDF-Serie „Sarah Kohr“ .

Lisa Maria Potthoff wurde mit den Eberhofer-Krimis bekannt. Aber sie hat auch eine andere Seite. Ein Gespräch über Serienrollen, Stunts und Kampfkunst.

Frau Potthoff, Sie sind Schauspielerin. Haben Sie sich als Kind gern verkleidet?

Lisa Maria Potthoff: Ein großer Teil meines Kinderlebens war das Verkleiden, und im Wesentlichen ist das bis heute so geblieben. Deswegen mag ich auch die extreme Verwandlung. Tatsächlich sind viele Eberhofer-Fans, vor allem wenn wir wie gerade mit dieser Tour in die Provinz gehen, irritiert, dass ich Hochdeutsch spreche und mich auch ganz anders kleide. Also kurzum, dass ich nicht so wie die Susi bin.

Nach Kölner Sichtweise ist Susi ein Mädchen aus dem Volk. Wie würden Sie die Rolle beschreiben?

Genau so. Sie war ja mal der heiße Feger des Dorfes. Immer die engsten Hosen an, also eine, die die Jungs klarkriegen wollen.

Wie spielen Sie das, wenn die Kamera Sie meist in Nahaufnahme im Weitwinkel aufnimmt?

Stimmt, da wir so weitwinklig drehen, sitzt das Kameraobjektiv fast unmittelbar vor der Nasenspitze. Wir spielen dann mitten in die Linse in eine Art Fadenkreuz. Man ist also ohne Spielpartner und spielt sich quasi selber an, in der Spiegelung der Kamera. Ich fand das anfangs richtig schwer, weil man sich ja selber beim Spielen zuguckt. Das ist nicht zu unterschätzen, wenn man da in eine Wahrhaftigkeit vorstoßen will. Diese ist bei uns ja noch mal komisch überhöht, darf aber weder zu dick noch zu minimalistisch aufgetragen sein. Und wenn man das geschafft hat, dann folgt der Rest dem persönlichen Instinkt, weil Susi ja immer drei Schippen mehr ist, als ich bei jeder anderen Figur machen würde. Ich bin eigentlich kein Fan davon, den Zuschauern Emotionen aufzudrängen.

So war die Susi für mich: eine Frau mit sehr ausgeprägter Körperlichkeit
Lisa Maria Potthoff

Welchen Schauspielstil bevorzugen Sie?

Das kann ich so allgemein nicht sagen. Ich war auf einer amerikanisch orientierten Schauspielschule, wir hatten Method Acting (sich hineindenken in alle Befindlichkeiten der eigenen Rolle), Sanford Meisner (Spiel bedeutet Reaktion auf etwas), Michael Tschechow (die Verbindung der körperlichen Aktion mit der inneren Vorstellungskraft) – wir haben eigentlich alle Techniken erlernt. Ich ziehe mir aus jeder einzelnen Methode das für mich Sinnvolle raus. Mir bringt auch die Kampfkunst sehr viel für die berufliche Ausgestaltung als Schauspielerin.

Kampfkunst? Nicht Kampfsport?

Ja, denn Kampfsport wäre die Reduktion auf den Wettkampf. Kampfkunst ist auch das Mentale zusätzlich zur Bewegungsform. Da geht es nicht nur darum, sich zu messen, sondern auch um das Philosophische, und das lässt sich auf alle Aspekte des Lebens übertragen. Bruce Lee brachte das auf den Punkt: „Adapt what is useful, reject what is useless, and add what is specifically your own.“ (Nimm das Nützliche an, weise das Nutzlose zurück und füge das hinzu, das ganz allein dich ausmacht.)

Und wie übertragen Sie das auf das Schauspielerische?

Ich bediene mich etwa des Method Actings, wenn ich an etwas Authentisches rankommen möchte. Gerade in der Komödie ist aber Präzision die hohe Kunst, sonst funktioniert sie nicht.

Ein Mann und eine Frau schauen in dieser Filmszene zu einem Zelt hinaus.

Sebastian Bezzel als Franz und Lisa Maria Potthoff als Susi in einer Szene des Films „Rehragout-Rendezvous“.

Was wäre das im Blick auf ihre Rolle der Susi?

Hm, Schuhe. Auf was für Schuhen stehe ich. Dann die Hosen. Anfangs war eine Jeans mit französischer Linie angedacht. Ich habe mir aber überlegt, wo eine junge Frau, die der heiße Feger von Niederkaltenkirchen ist, einkaufen geht. Und da ging der Blick in die Einkaufszone von Dingolfing, zu den Boutiquen mit den kleinen Preisen und der eher minderen Verarbeitungsqualität. Und das kauft die dann auch noch in Bunt, und vielleicht eine Nummer zu eng, sodass der String rausguckt. Aber sie liebt ihren Körper. Ja, so war die Susi für mich, eine Frau mit sehr ausgeprägter Körperlichkeit.

Eine andere Form der Körperlichkeit prägt ihr Spiel als Sarah Kohr – sparsame Bewegungen in den Kampfszenen, aber auch in den physischen Momenten, wenn sie in einem Stück über Balkone in den zweiten Stock eines Hauses klettern. Wie passt so eine Rolle ins heutige Frauenbild?

Naja, das passte vor einigen Jahren sehr gut in diesen zwischenzeitlich etwas durchgelutschten Begriff der starken Frau, wo man heute bestrebt ist, auch mal andere Vokabeln zu finden. Aber damals war Sarah Kohr eine trendgerechte Entsprechung des Zeitgeistes. Und ich wollte das auch genau deswegen machen, nachdem man mir das Konzept angetragen hatte. Mir war aber auch klar, dass wir ein Alleinstellungsmerkmal brauchen.

Wir Schauspieler wissen immer genau, was wir alles Tolles spielen wollen. Wenn es aber darum geht, dafür zu ackern, dann kneifen viele
Lisa Maria Potthoff

Das fanden Sie bei Sarah Kohr inwiefern?

Gleich der erste Film 2014 war weniger Krimi als vielmehr ein Thriller. Die weibliche Hauptfigur ist handlungstreibend. Nur sie kann das Problem lösen. Also eine klassische Heldenreise. Das hatte ich so in Deutschland noch nicht gesehen. Und dann ging es darum, sich diese Frau auch körperlich zu erarbeiten. Was eigentlich gar nicht so anders war wie bei der Susi. Aber wo bei der immer der dritte Gang gefahren wird, ist es hier sehr reduziert in der Mimik und der Gestik und auch eher wortkarg, aber dann gibt es im Gegengewicht diese sehr eruptiven Kampfmomente. Also eher der einsame Cowboy.

Eine Figur, die bewusst den Gang in die Gefahr sucht.

Ja, und das bei einer Frauenrolle. Das ändert sich ja jetzt und das finde ich gut. Wobei sich das bei uns auch schon wieder weiterentwickelt, weil die Figur psychisch fragiler geworden ist. Sarah Kohr ist also nicht nur eine starke Frau, sondern eine Frau, die auch fragil sein kann, komplex eben.

Ist es nicht enorm, dass sie schon Ende 30 waren, als man eine Actionrolle an Sie herantrug?

Ja, was soll ich sagen. Ich mache diese Actiongeschichte wirklich mit Leidenschaft. Ich finde, wir Schauspieler wissen immer genau, was wir alles Tolles spielen wollen. Wenn es aber darum geht, dafür zu ackern, dann kneifen viele. Diese Stunts für Sarah Kohr einzustudieren, das ist richtig anstrengend. Und ich ziehe mir oft genug happige Verletzungen zu. Aber wenn man sich dafür entscheidet, dann muss man das auch durchziehen. Und dann muss man auch ihre Muskeln sehen. Sonst sieht das doof aus und es überträgt sich nicht so, wie es das sollte. Ich liebe es unabhängig davon im Erlernen der Kampfkunst Schülerin zu sein. Nicht nur als Schauspielerin, sondern auch als Mensch.

Und was gucken Sie in der Freizeit lieber, Filme oder Serien?

Ich mag Serien, weil ich gern auch mal länger bei Figuren bleibe und einer guten Geschichte auch mal länger folgen möchte als 90 Minuten. Ich merke aber auch durch unsere Reihe wieder, wie wichtig es ist, dass wir das Kino erhalten. Weil es eben ein anderes, intensiveres Gucken ist und nicht nur konsumieren, liegend auf dem Bett. Es gibt nichts Schöneres, als Filme in einem vollen Kinosaal zu gucken, besonders gute Komödien.


Lisa Maria Potthoff, 1978 in Berlin geboren, ist eine der meistbeschäftigten deutschen Schauspielerinnen. Als Komödiantin stieg sie in der Rolle der Susi in den Eberhofer-Krimis zum Publikumsliebling auf. Sie weiß aber auch in dramatischen Rollen wie im TV-Film „Eine riskante Entscheidung“ Akzente zu setzen. Als Actiondarstellerin in der ZDF-Reihe „Sarah Kohr“ wurde sie bereits zweimal mit dem Preis der Akademie für Fernsehen für den besten Stunt ausgezeichnet.

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