Ukrainische Musiker bei Ensemble MusikfabrikDieses Werk erinnert an den Kriegsausbruch

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Zu sehen sind vier Musiker mit ihren Instrumenten in der Mitte des bildes, eingepfercht mit Plexiglasscheiben und bläulichz beleuchtet. Der Rest des Bildes ist schwarz.

Anna Korsuns „In the Cage“ mit dem Streichquartett des Ensembles Musikfabrik

Das Ensemble Musikfabrik widmete ihr Montagskonzert Musikschaffenden aus der Ukraine. 

Seit zwei Jahren ist der Krieg gegen die Ukraine unvermindert tödlich und laut. Still wurde es dagegen um die anfangs zahlreichen Solidaritätskonzerte. Beharrlich weiter für ukrainische Musikschaffende setzt sich das Ensemble Musikfabrik ein. Die Kölner Spitzenformation für neue Musik nahm den zweiten Jahrestag des russischen Überfalls zum Anlass, ihre Reihe „Montagskonzert“ einmal mehr ukrainischen Komponistinnen und Komponisten zu widmen. Den Titel „In The Cage“ verdankte das von Trompeter Marco Blaauw zusammengestellte Programm dem kurz nach Kriegsbeginn entstandenen Streichquartett von Anna Korsun.

Die in Berlin lebende Komponistin möchte keine bestimmten Bedeutungen oder Kontexte beschwören. Zugleich verwendet sie verschiedene Alltagsgegenstände und stellt einen Bauzaun um die vier Streicher, die mit aller Kraft auf Saiten und Styropor kratzen, quietschen und aus vollen Kehlen schreien lässt. Es folgen weiches Summen, Murmeln, sirrende Klangflächen und gestrichene Weingläser. Der markierte Innenraum ist nicht nur Käfig, sondern auch Privat- und Intimsphäre. Es gibt sanfte Glissandi, mikrotonale Schwebungen, silberhelle Glöckchen und feinstes Flirren wie von tanzenden Mücken im Abendlicht. Zwischenzeitlich und erneut am Schluss wird allerdings ohrenbetäubend gegen den Metallzaun gestrichen, geschlagen, angeschrien. Wer sollte da nicht an die Verzweiflung von Gefangenen denken?

Ensemble Musikfabrik widmet Montagskonzert ukrainischen Musikschaffenden

Als Uraufführungen waren Anton Koshelevs „Lonely Courage“ für Trompete solo und Anna Arkushynas „Crown Shyness“ zu erleben. Der in Luzern noch studierende Komponist kontrastierte kurze Akzente mit weiten Linien und Läufen. Das Blechbläsertrio der ehemaligen Studentin von Beat Furrer in Graz ist genuine Kammermusik mit sprachähnlicher Gestik und Diktion. Trompete, Horn und Tuba halten Reden und Gegenreden, fallen sich ins Wort, sind sich einig, sprechen paarweise oder zu dritt miteinander, gegeneinander, übereinander. Der englische Titel bedeutet „Kronenschüchternheit“, dass Waldbäume mit ihren Kronen rücksichtsvoll Abstand voneinander halten: eine Metapher für zwischenmenschliches Verhalten.

In der Aussage ähnlich, im Charakter jedoch ganz anders ist Arkushynas wunderbar ruhige Klangfarbenmusik „The Song of Future Human“. Klavier, Streich-, Blas- und Schlaginstrument bemühen sich trotz ihrer Verschiedenheit, behutsam einander anzunähern. Man lässt sich ausreden, geht aufeinander ein, verbindet und beeinflusst sich: auch das ein Klingbild der Hoffnung auf humane Verständigung. Der am Rande des Konzerts mit einem Informationsstand vertretene Deutsch-Ukrainische Verein „Blau-Gelbes Kreuz“ handelt dagegen tatkräftig. Allein 2022 brachte die Kölner Bürgerinitiative fast 11 Millionen Euro Geld- und Sachspenden in die Ukraine. Man hilft, wie und wo man kann.

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