Die französische Pianistin Hélène Grimaud und die Camerata Salzburg spielen Brahms in der Philharmonie.
Hélène Grimaud in der PhilharmonieEine eindrucksvolle Wucht

Hélène Grimaud
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Mit seinem Klavierkonzert Nr. 1 stieß Johannes Brahms bei den ersten Aufführungen in Hannover und Leipzig weitgehend auf Ablehnung. Das Publikum, an die elegante, leichtgängige Bravour der Mendelssohn-Konzerte gewöhnt, reagierte verständnislos auf die breite sinfonische Konzeption, den expansiven Klaviersatz und die harmonischen Kühnheiten der Musik. Mehr Fortüne hatte der junge Komponist wenig später mit seiner Serenade D-Dur: Hier herrscht ein heiter-gelöster Musiziergeist, der die Klangwelt Haydns und Mozarts heraufbeschwört, wenn auch romantisch durchwärmt.
Die beiden Werke sind auf spannende Weise komplementär; dass man sie kaum einmal zusammen im Konzert erlebt, hat eher einen praktischen Grund: Das Klavierkonzert wird üblicherweise mit einer etwa doppelt so großen Streicherbesetzung aufgeführt wie die Serenade. Das muss aber keineswegs so sein, wie die Camerata Salzburg beim Meisterkonzert in der Philharmonie demonstrierte. Nur etwa 40 Musiker saßen der Solistin Hélène Grimaud im Nacken; alle zusammen fanden locker auf der hinteren Podiumshälfte Platz.
Grimaud ließ in allen Akkordpassagen die linke Hand der rechten vorangehen
Dem ungewöhnlichen Anblick entsprach ein durchaus gewöhnungsbedürfiges Klangbild. Der markante Einstieg des Orchesters vollzog sich ohne Breite und Schwere, eher mit schneidender Schärfe. Die gestauten Energien des Kopfsatzes konnten nirgends in die Ebene abfließen; alles wirkte gedrängt, komprimiert, im Tutti zuweilen aber auch topfig und eng. Wo sich indes die Musik entspannte, entstanden Klangwirkungen, wie man sie sonst nicht erlebt - etwa in der ausgesprochen reizvollen Legierung von Fagotten und sparsam vibrierenden Streichern am Beginn und Ende des langsamen Mittelsatzes.
Hélène Grimaud spielt das Konzert, dem von jeher ihre besondere Zuneigung gilt, üblicherweise an der Seite weit größerer Klangkörper. Das schien für sie aber keinen Unterschied zu machen: Ihr eruptives, in den Akzenten oft jähes und von starken Bässen grundiertes Spiel gab dem Stück auch in dieser reduzierten Version eine eindrucksvolle Wucht und anspringende Spontaneität. Wie gewohnt ließ sie in allen Akkordpassagen die linke Hand der rechten vorangehen - eine Marotte, die im weihevollen F-Dur-Seitenthema des Kopfsatzes schon arg verdross. Aber sie will es nun einmal so und man hat gelernt, damit zu leben.
Es war eine mutige Entscheidung, bei diesem Stück auf einen Dirigenten zu verzichten und die Koordination dem Konzertmeister Giovanni Guzzo zu überlassen. Dass es zu gelegentlichen Unschärfen und bröseligen Bläser-Einsätzen kam, war wohl unvermeidlich; bei der Serenade, die (so weit möglich) im Stehen musiziert wurde, gab es solche Probleme an keiner Stelle. Der Klang war souverän ausbalanciert, das Zusammenspiel von kammermusikalischem Geist beseelt. Der besondere Stimmungszauber des Stückes kam bestens zur Geltung, was gelegentliche rustikale Derbheiten der Hörner ausdrücklich einschließt.