„Hart aber fair“Viele Tropfen auf heißem Stein, aber kaum Lösungen für hohe Preise

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„Hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg

Köln – Wer sich mit den Preisen im Supermarkt oder an der Tankstelle auskennt, wird in den vergangenen Wochen gemerkt haben, dass die Rechnungen mittlerweile immer höher ausfallen. Gas, Sprit, auch viele Lebensmittel werden immer teurer. Ist das der Preis für Energiewende und Klimaschutz? Und sollte der Staat eingreifen, um Bürgerinnen und Bürger zu schützen? Diese Fragen diskutierte Moderator Frank Plasberg mit seinen Gästen am Montagabend in der Sendung „Hart aber fair“.

Mit dabei: von der Seite der Politik Katarina Barley (SPD), Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Mona Neubaur, Landesvorsitzende der NRW-Grünen sowie Peter Ramsauer (CSU), Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Außerdem Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands und Wirtschaftsjournalist Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Verbraucher-Ratgebers „Finanztip“.

Hartz-IV-Erhöhung kommt an Inflation nicht heran

„Wie sollen wir das bezahlen?“ fragt Zuschauerin Marion Bormann aus Aachen in einem Einspieler. Egal ob große Familie oder Alleinerziehende, junger Single oder altes Ehepaar: Alle bekommen die gestiegenen Preise zu spüren. Ganz besonders treffe es aber diejenigen, die von Hart IV leben, auf Alterssicherung angewiesen sind oder sich knapp darüber befinden, so Ulrich Schneider. Das seien insgesamt 13,2 Millionen Menschen in Deutschland. Die Erhöhung der Grundsätze für diese Menschen liegt unterhalb der Inflation. Die Preise für Gemüse sind um sechs Prozent gestiegen, die für Eier um 17, Kartoffeln sind im Schnitt auch 17 Prozent teurer. Dass hier ein offensichtliches Ungleichgewicht vorliegt, macht Schneider gleich zu Beginn der Sendung deutlich.

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Die Frage danach wird aber zurückgestellt. Logischerweise im Jahr 2021 kommen die Gäste schnell auf das Thema der Klimakrise und damit des CO2-Preises zu sprechen. In diesem Thema sind sich alle aber schnell einig: Die Bepreisung von CO2 halten die Diskutierenden für richtig und nicht als Hauptschuldigen für die steigenden Preise. So betont Peter Ramsauer, das Erdöl befinde sich schon länger in der Krise. Hohe Preise für Lebensmittel seien auch auf schlechte Ernten zurückzuführen.

Peter Ramsauer: „gut gemeint, aber nicht zielführend“

Das führt dann aber etwas zu weit weg vom doch sehr konkreten Thema der Sendung. Die Runde sucht nach Lösungen. Könnte das Wohngeld eine sein? Laut Hermann-Josef Tenhagen ja, so würden zwei Drittel der Menschen, die einen Anspruch auf diesen Zuschuss haben, ihn auch beantragen. Es gebe ellenlange Formulare, die Behördenhürde sei zu hoch. Ulrich Schneider findet auch die Grenze, um Anspruch auf dieses Geld zu haben, zu hoch.

Das alles sind keine besonders innovativen Ideen oder Forderungen. „Hart aber fair“ macht es provokanter: Warum nicht einfach die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel abschaffen? Für Mona Neubaur keine Lösung, „wer bezahlt denn dann die Polizisten und andere?“ Auch Ramsauer findet den Vorschlag „gut gemeint, aber nicht zielführend.“ Auch Ulrich Schneider springt den beiden später zur Seite, wobei die gegenüberliegende ohnehin verwaist daliegt. Eine niedrigere Steuer sorge nicht automatisch für niedrigere Preise, die Einsparungen müssten ja auch erst einmal weitergegeben werden, wirft Schneider ein. Die Runde ist sich einig, auf gute Alternativvorschläge lässt sie die Zuschauenden aber warten, wohl der Nachteil einer von Politikerinnen und Politikern geprägten Runde.

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Konkreter macht es die Sendungsredaktion per Einspieler: Der zeigt, dass bei einem Preis von 1,60 Euro für einen Liter Super-Benzin nur 61 Cent auf den eigentlichen Kraftstoff entfallen. Der Rest, 99 Cent: Steuern und CO2-Preis. Mona Neubaur ist sich bewusst, dass Menschen auf das Auto angewiesen sind. Sie spricht sich für mehr erneuerbare Energien, den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln und kreative Lösungen für die Verkehrswende aus. Auch Katarina Barley betont: „Wir wollen doch weg vom Verbrenner.“

Das geht aber nicht von heute auf morgen. Das wirft auch Tenhagen ein, „man muss unterscheiden zwischen kurzfristigen und langfristigen Lösungen.“ Aber auch sein Vorschlag ist gefärbt vom beruflichen Hintergrund und auch nur ein Krümel der Lösung, ein kleiner Tropfen Benzin auf den heißen Stein: der Vergleich von Tankstellen-Preisen. Dass Tenhagen diesen Vorschlag noch öfter einstreuen wird, macht den Tropfen nicht größer. Natürlich hat er Recht, wenn er sagt, dass man Preise vergleichen müsse, um Geld zu sparen. Es ist aber eine Mikro-Lösung für ein Makro-Problem.

Atmende Deckel erhalten eine Abfuhr

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat hinsichtlich der Spritpreise einen anderen Vorschlag: Er sieht die Schmerzgrenze bei den Benzinpreisen erreicht – und schlägt einen Deckel für eben jene vor. Für Deckel ist die CSU alles andere als bekannt. Parteikollege und Vor-Vorgänger Peter Ramsauer nimmt dann auch gleich etwas den Wind aus den Segeln, will einen solchen Deckel „atmen“ lassen.

Hermann-Josef Tenhagen wirft aber sogleich ein, was sich jeder denken kann: Die Atmung könnte sehr einseitig ausfallen. Mittelfristig, da sind sich Tenhagen und Ulrich Schneider einig, dürfen die Benzinpreise keine Rolle mehr spielen. Weil die öffentlichen Verkehrsmittel dann immer mehr Raum einnehmen sollten.

Kurzfristig geht es wohl nur anders: Das Geld, das durch die höhere Bepreisung von CO2 eingenommen wird, den Menschen zurückgeben. Aber wie? Bei der Pendlerpauschale fallen viele Menschen raus, wie wäre es mit einem einfachen Auszahlen des Gewinns? Ulrich Schneiders Verband hat „130 Euro pro Nase“ errechnet. In Frankreich versendet die Regierung beispielsweise Energiechecks.

Anstatt diesen Vorschlag zu diskutieren, entfährt Peter Ramsauer nur ein müdes Lächeln: „Das sind ja genau die richtigen Länder“, lehnt er es herablassend ab, sich Beispiele an „Schuldenstaaten“ wie Italien, Spanien oder Frankreich zu nehmen. Auf seinem hohen Ross gerät Ramsauer dann aber auch schnell ins Wanken, „so kommen wir nicht weiter“, bremst Ulrich Schneider die Ramsauers Rage.

Schließlich sei man auch in der Lage, beispielsweise Kindergeld auszuzahlen. Dass Schneider, übrigens auch Mitglied bei der Partei die Linke, und der CSU-Mann beim Thema Staatsschulden auch in zehn Sendungen „Hart aber fair“ nicht auf einen Nenner kommen würden, ist keine Überraschung.

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