„Hart aber fair“Meteorologe Sven Plöger warnt vor deutlichem Überschreiten des 1,5-Grad-Ziels

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Meteorologe Sven Plöger warnt vor einem deutlichen Verfehlen der Klimaziele. Er hält es bei den aktuellen Maßnahmen nicht für möglich, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Meteorologe Sven Plöger warnt vor einem deutlichen Verfehlen der Klimaziele. Er hält es bei den aktuellen Maßnahmen nicht für möglich, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Während in Dubai die Weltklimakonferenz tagt, diskutierten die Gäste von „Hart aber fair“ am Montagabend über die Klimapolitik in Deutschland. 

Ein Haushaltsloch von 60 Milliarden Euro erschwert es der Ampel-Regierung zur Zeit, Investitionen in den Klimaschutz zu verteidigen. Parallel findet eine Weltklimakonferenz in Dubai statt – mit einem Präsidenten, der Vorstandschef einer Ölgesellschaft ist. In der neuesten Sendung von „Hart aber fair“ gab es jede Menge Stoff zum Thema Klimapolitik. Der Titel der Sendung lautet: „Ratlos beim Weltklimarat: Reißt Deutschland seine Klimaziele?“

Die Gäste bei „Hart aber fair“

  • Julia Verlinden, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende B‘90/Grüne
  • Peter Altmaier, ehemaliger Umwelt- und Wirtschaftsminister (CDU)
  • Sven Plöger, ARD-Meteorologe
  • Carla Hinrichs, Klimaaktivistin „Letzte Generation“
  • Prof. Clemens Fuest, Ökonom, Präsident des ifo Instituts

Einig sind sich die Gäste darin, dass viel zu tun ist. Klimaschutz sei das wichtigste Thema unserer Zeit, so Peter Altmaier (CDU). Und auch der Meteorologe Sven Plöger warnt: „Wir sind im Moment auf einem 2,7 Grad-Pfad.“ Die Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles halte er nicht mehr für realistisch. Aber man solle die Hoffnung nicht aufgeben: Würde man sofort alle beschlossenen Stellschrauben wirklich drehen, hätten wir eine Chance auf 2,1 Grad.

Doch warum tut sich die Bundesregierung damit so schwer? Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen) betont, dass die Ampelregierung erst einmal die Klimaschutzlücke schließen musste, die ihnen die Vorregierungen hinterlassen haben. Das habe man nun zu gut 80 Prozent geschafft. Prompt kommt der Einwand von Louis Klamroth, dass viele Ampel-Beschlüsse oder Vorhaben wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gefährdet sind. Demnach dürfen 60 Milliarden Euro, die für die Bekämpfung der Corona-Pandemie vorgesehen waren, nicht wie geplant in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Verlinden zeigt sich aber optimistisch, dass die Ampel dafür Lösungen finden wird.

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„Hart aber fair“: Carla Hinrichs von der „Letzten Generation“ kritisiert die Ampel-Regierung

Peter Altmaier ist da skeptisch - und nimmt sich selbst aus der Schussbahn, indem er der CDU-Regierung unter Merkel eine positive Bilanz in Sachen Klimaschutz attestiert. Auch wenn die nicht alle Ziele erreicht habe, verteidigt er den pragmatischen Kurs: „Es ist kein Land in der Welt imstande, aus Atom, aus Kohle, aus Öl und aus Gas gleichzeitig auszusteigen.“

Klimaaktivistin Carla Hinrichs folgt Altmaiers Deutung der CDU geführten Vorgängerregierung nicht, legt den Fokus aber auf die Gegenwart. Sie weist auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, das die Regierung zu mehr Klimaschutz verpflichtete, weil sie Klimagesetze bricht. In die Weltklimakonferenz steckt die Aktivistin ebenfalls nicht viel Hoffnung. „Ich denke, dass wir uns alle ein bisschen zurücknehmen müssen und uns angucken müssen, was hier gerade passiert“, so Hinrichs. „Wir werden verarscht. Wir werden verarscht von dieser Konferenz, von der internationalen Gemeinschaft, aber auch von unserer eigenen Regierung.“ 

Kritik gibt es auch für die „Letzte Generation“. Verlinden und Altmaier meinen, ihre Aktionen hätten es schwerer gemacht, Klimaschutz mehrheitsfähig zu machen. Carla Hinrichs kontert, dass eine Mehrheit etwa beim Tempolimit bereits da sei. Wenn die Regierung trotzdem nicht handelt, sei Druck zu erzeugen die einzige Möglichkeit.

„Hart aber fair“: Klimaschutz global betrachtet anstatt national

Doch die Klimakrise ist ein globales Problem, kein nationales. Der Ökonom Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, appelliert dazu, es als solches auch anzugehen. Zudem warnt er, dass ein Ausstieg aus den fossilen Energieträgern allein nicht ausreiche. Wenn die Nachfrage nach Kohle nachlässt, würde die nämlich immer günstiger werden und so Anreize für die Transformation schwächen. Er sieht in der CO₂-Bepreisung das richtige Werkzeug. 

Auch Sven Plöger meint: Es muss eine Vereinbarung her, dass derjenige, der die Umwelt beschmutzt, nicht reicher werden darf als der, der sie saubermacht. „Wir sind als menschliche Gesellschaft offensichtlich nicht reif dafür, ein Problem in der Weise anzugehen, das unser aller Zukunft betrifft. Wir müssten als Eltern auf unsere Kinder zugehen und sagen: Dir muss es irgendwann schlechter gehen als mir.“ 

Kontrovers wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin Brandenburg diskutiert, das die Regierung wieder dazu verpflichtet, einzelne Sektoren auf die Einhaltung konkreter Klimaziele zu überprüfen und Sofortmaßnahmen für die Sektoren Verkehr und Gebäude fordert.

Die Ampel will das Gesetz entschärfen und die Betrachtung der einzelnen Sektoren aufheben, um stattdessen nur die gesamten Emissionen zu betrachten. Peter Altmaier kritisiert die Ampelregierung dafür; das würde nur dazu führen, dass die Sektoren sich „das faule Ei“ gegenseitig zuschieben können. Die eigenen Klimaziele zu reißen sei ein fatales Signal für andere Länder, weswegen er hoffe, dass die Ampel das korrigiert.

Sven Plöger appelliert bei „Hart aber fair“ dazu, das Problem in machbare Teile zu gliedern

Verlinden beharrt darauf, dass eine Aufweichung der Sektorziele mehr Flexilbilität mit sich bringe. Außerdem komme es letztlich darauf an, dass die Regierung ihr Gesamtziel erreicht. Fuest schlägt in die gleiche Kerbe: Es sei nur sinnvoll, dort am meisten CO₂ zu reduzieren, wo es am günstigsten ist.

Die Überforderung durch eine Häufung von Krisen und die Größe des Problems kann schnell zu Apathie führen. Sven Plöger rät deshalb dazu, das Problem in kleinere, machbare Teile zu zerlegen. „Wo kann ich konkret den nächsten Schritt tun? Wo kann ich ihn für mich tun?  Wo kann ich ihn politisch tun? Wo kann der Bürger konstruktiv und aktiv mit der Politik in Austausch treten?“

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