Heftige Kritik an Apple-WerbespotWenn das Silicon Valley die Kreativität zerquetscht

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In der oberen Bildhälfte ist eine große graue Presse zu sehen, die sich langsam gen Boden senkt. Dazwischen reihen sich unzählige Gegenstände, zum Beispiel Farbeimer, Musikinstrumente und Emoji-Puppen.

Im neuen Werbespot "Crush!" zerstört eine gigantische Stahlpresse unzählige Gegenstände. Nur das neue iPod Pro 'überlebt' die Zerstörung unbeschadet.

Apples Werbespot „Crush!“ soll das neue iPad Pro vorstellen. Doch es hagelt heftige Kritik: Der Digital-Konzern zerstört sinnbildlich Kreativität und Künstler. Ein Kommentar.

Zuerst erwischt es eine hochkant stehende, goldglänzende Trompete. Erbarmungslos senkt sich die Presse nieder, staucht das Instrument zu Metallschrott zusammen. Als nächstes erwischt es ein Klavier, ein Bücherregal, ein Arcade-Videospiel. Und die Stahlplatte quetscht weiter. Zermalmt Farbeimer und Filmkameras, zerstört ein Schlagzeug und eine Gitarre, ein Ölbild und eine Büste. Einer Gliederpuppe wird der Rücken gebrochen, ein kleines Kuscheltier im Astronautenanzug schaut auf, kiekst erschrocken und wird umgehend zerdrückt.

Zuletzt ploppen einer Smiley-Puppe die Augen aus den Höhlen. Dann hört man nur noch Sonny & Cher singen: „All I ever need is you“, „alles, was ich jemals brauche, bist du“. Aus den zusammengepressten Stahlplatten läuft Farbe wie buntes Blut. Als sich die obere Platte wieder anhebt, liegt da nur noch ein iPad. Das dünnste und mächtigste, dass es je gab, verspricht der Text.

Für seinen sinnigerweise „Crush!“ betitelten Werbespot musste Apple heftige Kritik einstecken. „Die Zerstörung der menschlichen Erfahrung. Mit freundlicher Genehmigung des Silicon Valley“, kommentierte jedermanns Lieblingsmuffel Hugh Grant auf „X“. Schon klar, dass uns der Digitalriese eigentlich vermitteln wollte, wie vielfältig einsetzbar die neueste Version seiner Allesmaschine ist. Das neue, nur 5,1 Millimeter dünne iPad Pro ist das erste Apple-Gerät, in dem der neue Super-M4-Chip mit KI und Pipapo steckt. Toll.

Tech-Firmen unterdrücken die Kunst

Na gut, niemand bestreitet, dass iPads ungemein praktisch sind. Das gibt zum Beispiel auch der britische Regisseur Asif Kapadia („Senna“, „Amy“) zu, fügte aber im Hinblick auf den verunglückten Werbefilm hinzu: „Es ist die ehrlichste Metapher für das, was Tech-Unternehmen mit der Kunst, mit Künstlern, Musikern, Kreativen, Schriftstellern, Filmemachern machen: sie ausquetschen, sie ausnutzen, nicht gut bezahlen, alles nehmen und dann sagen, es sei alles von ihnen geschaffen.“ Viele fühlten sich an Ridley Scotts ikonischen Werbespot erinnert, mit dem Apple 1984 den Macintosh-Computer einführte: Eine blonde Olympionikin wirft einen Hammer auf einen grauen Bildschirm, der das Gesicht des Großen Bruders zeigt und beendet damit die graue Eintönigkeits-Diktatur des PCs: „Sie werden sehen, warum 1984 nicht wie 1984 sein wird.“

Damals verkaufte sich der Konzern als befreiende Kraft, heute zeigt er sich offen als unterdrückerische Macht, die kreative menschliche Äußerungen in beliebigen und algorithmisch wieder ausgespielten Content verwandelt, in eine 5,1 Millimeter dünne Kiste klemmt und diese dann teuer verkauft.

Die Entwertung der Kreativberufe durch die digitale Transformation betrifft selbstverständlich nicht Apple allein. Auch KI-Programme, die Texte oder Bilder nach Wunsch ausspucken, remixen nur, was Menschen zuvor gemacht haben. Hersteller von Übersetzungsprogrammen zahlen durch sie arbeitslos gewordenen Übersetzern einen Bruchteil von deren bisherigem Honorar, um ihre Programme weiter zu verbessern, durch die noch mehr Übersetzer arbeitslos werden. Tech-Firmen als Presswerke, die Kunst in Schrott verwandeln, wir hätten es nicht schöner sagen können. Danke, Apple!

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