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Große Bühne für junge Ausnahmetalente

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Bratschistin Haesue Lee

Bratschistin Haesue Lee spielt am Samstag mit dem Gürzenich-Orchester in der Kölner Philharmonie.

Eine neue Kooperation des Gürzenich-Orchesters mit der Kronberg Academy bringt junge Ausnahmetalente nach Köln. Am Samstag feiert das Format Premiere.

„Mit so großartigen Musikern zu spielen, ist für mich ein Traum.“ Nun, der Traum wird für Haesue Lee am kommenden Samstag in Erfüllung gehen: Dann spielt die junge koreanische Bratschistin mit dem Gürzenich-Orchester unter dem Kölner Generalmusikdirektor Andrés Orozco-Estrada in der Philharmonie das 1929 komponierte und seinerzeit von Paul Hindemith uraufgeführte Violakonzert des Briten William Walton. Die Künstlerin im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Stückwahl: „Ich glaube, dass das Publikum die melancholischen und gefühlvollen Melodien des Konzerts zu schätzen wissen wird – besonders bei diesem kalten und eisigen Wetter.“

Indes können sich auch die Gürzenich-Musiker darauf freuen, mit Haesue Lee zusammenzuspielen – und das nicht nur, weil für die Solistin Konzerte wie das von Walton schließlich „eine Form von Kammermusik“ sind, sondern vielmehr, weil sie eine kommende Größe ihres Metiers ist: Mit zwölf Jahren debütierte sie in der New Yorker Carnegie Hall, und mit dem ersten Preis im Münchener ARD-Wettbewerb anno 2023 nahm ihre Solokarriere so richtig Fahrt auf. Bei einem von Haus aus eher unauffälligen Mittelstimmeninstrument wie der Bratsche will das immer noch etwas heißen.

Haesue Lee: eine kommende Größe ihres Metiers

Die Verbindung zum Kölner Orchester kam freilich nicht über ihre zahlreichen Preise und Auftritte mit internationalen Spitzenorchestern zustande, sondern weil Haesue Lee nach einer abgeschlossenen Ausbildung bei der deutschen Star-Bratschistin Tabea Zimmermann an der Hans-Eissler-Musikhochschule in Berlin derzeit Studierende an der Kronberg Academy im gleichnamigen Taunus-Luftkurort vor den Toren Frankfurts ist – in der Klasse von Zimmermann. Orozco-Estrada und das Gürzenich-Orchester wiederum starten in der laufenden Saison eine langfristig angelegte exklusive Partnerschaft mit der Academy, in deren Rahmen jeweils drei ihrer Studierenden einmal im Jahr die Möglichkeit erhalten, solistisch im Rahmen eines Abokonzerts in Kölns Philharmonie aufzutreten.

Am Samstag, 20 Uhr, ist nun also Premiere, im nämlichen Konzert treten neben Haesue Lee die Kronberger Dmytro Udovychenko (er spielt das Violinkonzert von Sibelius) und Lionel Martin (Schostakowitschs erster Cellokonzert) auf. Das Orchester steuert als reines Ensemblestück noch Tschaikowskys Nussknacker-Suite op. 71a bei. „Junge Menschen sind“, so begründet Orozco-Estrada seinen Einsatz für das neue Projekt, „immer inspirierend, und diese Ausnahmetalente auf Ihrem Weg unterstützen zu können, ist für mich etwas ganz Besonderes.“

Diese Ausnahmetalente auf Ihrem Weg unterstützen zu können, ist für mich etwas ganz Besonderes.
Andrés Orozco-Estrada

Ausnahmetalente – die Bezeichnung trifft den Status der Kronberger Studenten in jeder Hinsicht. Um an der Academy aufgenommen zu werden, muss man nicht nur gut, sondern sehr gut sein. Als international führende Ausbildungsstätte für junge Virtuosen der Violine, der Bratsche, des Cellos und des Klaviers präformiert sie seit drei Jahrzehnten Karrieren bedeutender Künstlerinnen und Künstler, bringt junge Hochbegabte mit bereits etablierten Stars ihres Fachs zusammen. Der Begriff Kaderschmiede wird immer wieder benutzt, geht mit seinem martialischen Beiklang freilich an der Sache vorbei. „Immer wenn ich nach langen Reisen nach Kronberg zurückkehre, habe ich“ – so beschreibt Haesue Lee den Kronberger Spirit – „das Gefühl, dass ich hier durch das Wiedersehen mit Freunden und Mentoren neue Energie tanken kann. Der Ort strahlt eine friedliche, erdende Energie aus.“

Nun gibt es zweifellos auch anderweitig institutionell etablierte musikalische Ausbildungsstätten, etwa die Meisterklassen der Hochschulen unter der Ägide weltbekannter Lehrer. Was also ist anders an der – 1993 als „Internationale Kammermusik-Akademie“ gegründeten, 2004 in die Rechtsform einer gemeinnützigen Stiftung überführten – Kronberg Academy, an der illustre Lehrer wie Christian Tetzlaff, Antje Weithaas, Janine Jansen, Mihaela Martin, Wolfgang Emanuel Schmidt, Frans Helmerson und András Schiff 40 Studenten aus 20 Nationen unterrichten? Operativ ist das Studium in Kronberg, so Friedemann Eichhorn, Geiger und Künstlerischer Direktor, „dual angelegt: Die Kronberg Academy geht auf die Konzerttätigkeit der jungen Solisten ein und bietet maßgeschneiderte Studiengänge. Gleichzeitig ermöglichen wir Konzertauftritte wie eben jetzt in der Kooperation mit dem großartigen Gürzenich-Orchester und seinem Spitzen-Dirigenten.“ Zu diesen Unternehmungen gehören auch das jährlich im Herbst stattfindende Kronberg Festival und das Kammermusikprojekt „Chamber Music connects the world.“

Kronberg Academy mit beeindruckendem Output

Und der „Spirit“? Der lässt sich Eichhorn zufolge in die Begriffe „Exzellenz und Verantwortung“ fassen: „Im Sinne unserer Leitfigur Pablo Casals fühlen wir uns seinen humanitären Werten verbunden. Er hat eine besondere Verantwortung für Mensch und Erde vorgelebt, und wir versuchen, diese Werte zu realisieren.“ Nach Casals ist auch der 2022 errichtete Konzertsaal mit angegliedertem Studien- und Verwaltungszentrum benannt – er verfügt über ein zertifiziertes Nachhaltigkeits-Management. Haesue Lee fasst ihre Kronberg-Erfahrungen so zusammen: „Ich kann mit Überzeugung sagen, dass die Kronberg Academy einer der ganz besonderen Orte für Musiker ist. Ich habe dort so viele meiner Vorbilder und wunderbare Kollegen getroffen, die mich inspiriert und mir geholfen haben, sowohl musikalisch als auch beruflich zu verstehen, was für eine Musikerin ich werden möchte.“

Der Kronberger Output gibt dem Konzept offensichtlich recht: Viele Alumni sind als geschätzte Solisten auf internationalen Bühnen unterwegs: Vilde Frang, Alina Ibragimova, Anastasia Kobekina, Pablo Ferrández, Kian Soltani. Zahlreiche Absolventen lehren als Professoren an Musikhochschulen oder begleiten Spitzenpositionen in Orchestern, etwa als Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, Solobratschist der Berliner Philharmoniker oder Solocellist des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Da mag sich das Gürzenich-Orchester zu Recht glücklich schätzen, wenn es jetzt womöglich aktiver Zeuge von großen Künstlerkarrieren im Aufgang wird.


Sinfoniekonzert Kronberg Academy, 29. November, 20 Uhr, Kölner Philharmonie. Weitere Informationen und Tickets unter guerzenich-orchester.de.