KlassikLeif Ove Andsnes brilliert mit Musik von Jean Sibelius

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Es wurde höchste Zeit, dass sich - lange nach Glenn Gould - mal wieder ein Pianist von Rang für die Klaviermusik des Finnen Jean Sibelius starkmachte. Dem schlechten Image einer faden Salonromantik tritt Leif Ove Andsnes mit seiner jüngsten CD-Veröffentlichung bei Sony Classical markant entgegen. Fünf Miniaturen daraus ließ der norwegische Pianist nun auch in der Kölner Philharmonie hören: Musik, die auf spannende Weise zwischen glatter Konvention und spröder Originalität changiert und in ihren sprunghaften Charakteren vom Interpreten sinnfällig eingefangen wurde.

Andsnes hatte die fünf Stücke in ein kluges Programmkonzept gebettet, das sich um die Idee der Romantik rankte - vorbereitet durch Beethoven, erfüllt bei Schubert und Chopin, aus der historischen Ferne beschworen von Jörg Widmann. Der schrieb unter dem Titel "Idyll und Abgrund" 2009 sechs "Schubert-Reminiszenzen", die im Widerspiel von gefälliger Stilkopie und modernistischem Störmanöver eine leider allzu vordergründige Dialektik aufbauen - als hätte Schubert im Original nicht schon genug Abgrund zu bieten. Gerade in dieser Hinsicht hielt sich Andsnes bei den drei späten Klavierstücken D 946 aber auffällig zurück. Dass sich da Musik abwechselnd zu Tode hetzt und dann wieder in einen undurchdringlichen Klangkokon einspinnt - man konnte es in der pianistisch glänzenden, aber eher gemessen Darstellung nur erahnen.

Souveräner Erzählfluss

In Beethovens "Sturmsonate" op. 31/2 mied Andsnes geflissentlich die Vorstellung einer aufs Klavier projizierten Theatermusik. Die sehr maßvoll gesetzten "Sforzato"-Akzente des Kopfsatzes waren stattdessen in einen nahtlosen, souverän gesteuerten Erzählfluss integriert. Im Hauptthema ließ Andsnes das kernig anspringende Akkordmotiv der linken Hand von der rechten bleischwer schleppend abwehren; eine rhetorische Spannung, die den gesamten Satz prägte. Durch das zerklüftete Adagio verlief eine dichte Melodielinie, die trotz sparsamer Pedalgabe für stabilen Zusammenhalt sorgte.

Diese völlig uneitle, stets sinnstiftende, den Hörer behutsam durch den Formverlauf der Stücke führende Haltung wahrte der Norweger auch in Chopins erster Ballade, der er die dritte als Zugabe folgen ließ. Andsnes inszenierte hier keine bravourösen Schaustücke, nutzte vielmehr seine hohe pianistische Elastizität, seinen effizienten Kraftumsatz für eine detailpräzise, bis in die orchestrale Steigerung hinein gelöste und federnde Darstellung.

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