Konzert in der Live Music HallWie Knocked Loose Köln mit „Arf Arf“ animalisch werden lässt

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Die US-Hardcoreband Knocked Loose hat ein nahezu ausverkauftes Konzert in der Kölner Live Music Hall gespielt.

Die US-Hardcore-Band Knocked Loose hat ein nahezu ausverkauftes Konzert in der Kölner Live Music Hall gespielt.

Der Hype um die US-Hardcore-Band ist so groß, dass sie sogar schon auf dem Coachella auftrat. Dabei ist ihre Musik alles andere als massentauglich. 

Hundebellen und Wolfsheulen sind am Montagabend (26. Februar) aus vielen Ecken der beinahe ausverkauften Live Music Hall zu hören. Eine Art Vorbote für das, was wenige Sekunden später passiert. Als die ersten schrillen Töne der Gitarre in „Counting Worms“ ertönen, übernehmen Knocked Loose die Rolle des Dompteurs – und das Kölner Konzertpublikum wird zu einem wilden Rudel. 

Doch vorher erklärt Sänger Bryan Garris, worum es in dem wohl bekanntesten Song der Hardcore-Band aus Kentucky geht. Mit einer Stimme, die wie eine Mischung eines heiseren Jungen vor dem Stimmbruch, krächzenden Papageis und bellenden Chihuahuas klingt, schreit er in das Mikrofon: „Ich schrieb ein Lied, über das besser werden – es ist ein Gefühl, an das ich mich nicht erinnere.“

Unisono antwortet das ganze Kölner Rudel darauf mit einem lauten „Arf Arf“. Hundelaute, nur auf Amerikanisch. Sie leiten animalische Zustände ein: Der Moshpit eskaliert, Fäuste und Beine fliegen, Menschen springen auf Menschen.

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Die Härte von Knocked Loose ist kathartisch

„Counting Worms“ ist etwa eine Minute lang pures Chaos. Ein stumpfes Geknüppel mit tiefen Gitarrenriffs, schepperndem Bass und brachialen Drums. Und eben Geschrei. Garris brüllt die titelgebenden Worte, eine Umschreibung für ein Begräbnis, bevor der Song zunächst langsamer und dadurch noch intensiver wird, bis er schließlich ausklingt.

Bryan Garris Stimme klingt wie eine Mischung eines heiseren Jungen vor dem Stimmbruch, krächzenden Papageis und bellenden Chihuahuas.

Bryan Garris Stimme klingt wie eine Mischung eines heiseren Jungen vor dem Stimmbruch, krächzenden Papageis und bellenden Chihuahuas.

Eine von vielen ähnlichen Szenen in dem etwa einstündigem Set von Knocked Loose. Das mag für viele jetzt zunächst nach einem schlimmen Konzerterlebnis klingen, doch hinter der augenscheinlichen Dauer-Schlägerei, die von ohrenbetäubendem Krach untermalt wird, steckt viel mehr.

Nicht nur, weil Musikgeschmäcker verschieden sind, genauso wie Kunst im Auge des Betrachters liegt – oder in den Ohren des Hörenden. Viel mehr, weil Kunst und Emotionen symbiotisch sind. Gefühle werden im Schaffen verarbeitet, Erleben lässt sie spüren. Wie auf Kunst reagiert wird, ist genauso divers wie sie selbst.

Sie sind aber auch eine Art Ventil. Nicht umsonst haben traurige Lieder, in denen es um Liebeskummer geht, auch einen gewissen befreienden und heilenden Effekt bei Herzschmerz. Weil sie eben die Gefühlswelt eleganter ausdrücken, als es die eigenen Worte könnten. Aristoteles nannte das Katharsis. Die ist genau das, was die Härte der Musik von Knocked Loose so reizvoll für viele machen dürfte. Zumal die Texte auch Dinge wie Trauer, Tod oder Depressionen thematisieren.

Knocked Loose wollen Gewalt im Publikum sehen – aber keine Straftaten

Wenn Gitarrist Isaac Hale vor einem Breakdown Dinge wie „Ich will sehen, wie ihr jemanden den Kopf abreißt“, wiederholt „Gewalt, Gewalt, Gewalt“ oder noch einfacher „Kill“ in das Mikrofon brüllt, möchte er das Publikum natürlich nicht zu Straftaten animieren.

Gitarrist Isaac Hale animierte das Kölner Publikum zur Eskalation – mit teilweise drastischen, aber nicht ernst gemeinten Ansagen.

Gitarrist Isaac Hale animierte das Kölner Publikum zur Eskalation – mit teilweise drastischen, aber nicht ernst gemeinten Ansagen.

Sie sind nicht wortwörtlich gemeint. Die Menschen sollen dazu aufgefordert werden, die Musik zu spüren, sich in dem Moment fallen zu lassen und vielleicht eben, ohne jemanden zu verletzen, etwas ausgiebiger zu tanzen – wenn man das so nennen möchte.

Es ist übrigens der allgemeine Konsens auf Konzerten dieser Art. Das müssen Knocked Loose deshalb auch nicht direkt sagen.  Die völlig übertriebenen Zwischenrufe sind nur Teil der Show. Kunst eben.

Knocked Loose sind auf Erfolgskurs – auch dank eines Memes

Mit der die Band ziemlich erfolgreich ist. Ein Faktor dafür dürfte das Internet-Phänomen sein, das rund um das „Arf Arf“ entstand. Allerdings haben sich Knocked Loose seit der Veröffentlichung von „Counting Worms“ und dem Album „Laugh Tracks“ aus dem Jahr 2016 weiterentwickelt. Ihre Musik sprengt immer wieder die Grenzen des Hardcore-Punks, wird immer Metal-lastiger, brutaler, aggressiver – und damit besser.

Das zeigt auch die Single aus dem vergangenen Jahr „Deep in the Willow“, mit der die Band das Konzert in Köln eröffnet und mit der ihr erneut ein unter anderem auf Tiktok viraler Hit gelang. Auch dank der Zeile „Knocked Loose Motherfucker“ vor dem explosionsartigen Finale des Songs, die Sänger Garris brüllt.

Der Hype ist bei allem, was Knocked Loose machen, garantiert. Diese Entwicklung werden sie sicherlich mit „You Won't Go Before You're Supposed To“ fortsetzen. Einen Tag nach dem Konzert in Köln kündigte die Band ihr neues Album an, dass am 10. Mai 2024 erscheinen soll. Die erste Single, „Blinding Faith“, spielten sie bereits in der Live Music Hall.

Sicherlich wird mit neuer Musik der Erfolgskurs für die fünfköpfige Gruppe anhalten. Schon jetzt sind ihre Konzerte schnell ausverkauft und werden immer größer. Tatsächlich spielten sie im vergangenen Jahr sogar schon auf dem Coachella – das Festival ist eher für Pop und Influencer in Pseudo-Hippie-Outfits bekannt. Aber selbst die kommen scheinbar nicht mehr an Knocked Loose vorbei.

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