Ausverkauftes Konzert in der Live Music HallThrice reisen mit Köln zurück in die eigene Adoleszenz

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Dustin Kensrue hat mit seiner Band Thrice ein ausverkauftes Konzert in der Live Music Hall anlässlich des 20-jährigen Jubiläums ihres Albums „The Artist in the Ambulance“ gespielt.

Thrice-Sänger Dustin Kensrue singt seine 20 Jahre alten Songs mit 43 Jahren besser als früher.

Die US-Rockband zelebriert in Köln ihr 20 Jahre altes Album „The Artist in the Ambulance“. 

Das Erwachsensein fängt offiziell zwar bereits mit 18 Jahren an, aber so richtig geht das doch erst in den Zwanzigern los. In der Entwicklungspsychologie spricht man von Adoleszenz. Heranwachsen. Eine Phase, die dazu dient, sich auszuprobieren, Höhen und Tiefen zu durchlaufen, Fehler zu begehen. Dinge zu machen, auf die man 20 Jahre später vielleicht eher peinlich berührt zurückblickt. 

Zugegeben, ganz so dramatisch ist das für Thrice nicht. Auch wenn es sich vielleicht schon etwas merkwürdig anfühlen muss, mit Anfang 40 ein Album in Gänze zu spielen, das man mit Anfang 20 geschaffen hat. Schließlich ist das eine lange Zeit, in der sich nur nicht das eigene Weltbild, sondern auch die künstlerische Identität verändert.

Thrice feiern 20 Jahre „The Artist in the Ambulance“

Spürbar ist das am Mittwoch (21. Februar) bei dem Konzert in Köln jedoch nicht. Weder von der Band noch von den rund 1500 Menschen, die sich in der ausverkauften Live Music Hall zusammengefunden haben. Gemeinsam wollen sie mit Thrice das zwanzigjährige Jubiläum ihres Albums „The Artist in the Ambulance“ zelebrieren.

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Das Post-Hardcore-Album aus dem Jahr 2003 führte zum Durchbruch der Kalifornier, aus dem sich eine bis heute beständige erfolgreiche Karriere manifestierte, auch wenn die Band älter geworden ist und sich seitdem musikalisch weiterentwickelt hat. Damals ließen sich Thrice noch von härteren Bands wie Converge, die verständlicherweise von manchen als fürchterlicher Krach empfunden werden können, inspirieren. Inzwischen sind Thrice näher an Radio-tauglichem Rock wie Nickelback – die wiederum objektiv gesehen gar nicht so schlecht sind wie ihr Ruf.

Die US-amerikanische Alternative-Rockband Thrice hat ein ausverkauftes Konzert in der Live Music Hall anlässlich des 20-jährigen Jubiläums ihres Albums „The Artist in the Ambulance“ gespielt.

Das Konzert von Thrice in der Live Music Hall war ausverkauft.

Als in Köln die ersten Zeilen von Sänger und Gitarrist Dustin Kensrue aus „Cold Cash and colder Hearts“ in das Mikro gebrüllt werden, fühlt es sich daher wie eine Zeitreise an. Thrice brettern mit Vollgas durch die zwölf Songs ihres 20 Jahre alten Langspielers. Zumindest kauft man den Kaliforniern ab, dass es ihnen sichtlich Spaß macht, „The Artist in the Ambulance“ aufleben zu lassen.

Thrice sind mit Anfang 40 besser als früher

Und das machen sie jetzt vielleicht sogar besser als mit Anfang 20. Unzählige Auftritte und Tourneen weltweit formten die seit 1999 in der gleichen Konstellation bestehende vierköpfige Band zu routinierten und erfahreneren Musikern. Die komplexen Gitarrenriffs von Teppei Teranishi sind zwar nicht vereinfacht worden, sie wirken aber aufgeräumter. Die Brüder Eddie (Bass) und Riley Breckenridge (Schlagzeug) liefern Stabilität, trotz ungewöhnlicher Taktarten und Rhythmuswechsel.

Aber vor allem Kensrue glänzt in Köln. Seine Stimme war schon 2003 beeindruckend, doch nun ist sie zwar rauer und tiefer, aber auch kräftiger und kontrollierter. Während der 43-Jährige früher noch mehr schrie, lässt er jetzt seiner Gesangsstimme mit einem natürlichen Vibrato mehr Raum. Das alles wertet die alten Songs von Thrice auf, weshalb sie im vergangenen Jahr auch „The Artist in the Ambulance“ neu aufnahmen.

Das im Schnitt bestimmt Anfang 40 Jahre alte Publikum wird ebenfalls zurück in die eigene Adoleszenz versetzt. Nicht nur musikalisch. In „Stare at the Sun“, einem der bekannteren Lieder von Thrice, besingt Dustin Kensrue die Unsicherheit bei der Suche nach dem Sinn des Lebens. Ein Gefühl, dass den Großteil des Publikums als Heranwachsende vor 20 Jahren umgetrieben haben dürfte. Vielleicht sogar auch noch jetzt.

Daher ist es wenig überraschend, dass sie eineinhalb Stunden lang – vierzig Minuten davon der nostalgische Rückblick auf „The Artist in the Ambulance“ – den öden Alltag vergessen. Manch einer ignoriert sogar Wehwehchen wie die durch einen Schreibtischjob induzierten Rückenschmerzen und versucht sich am Crowdsurfing. Ganz wie früher eben. Thrice liefern schließlich den Soundtrack dazu. 

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