Konzert im ausverkauften PalladiumMental Health statt Americana – Noah Kahan räumt in Köln mit Folk-Klischees auf

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Noah Kahan be einem Auftritt in der O2 City Hall in Newcastle.

Noah Kahan bei einem Auftritt in Newcastle. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ konnte aufgrund strenger Auflagen des Managements keine Fotos des Konzerts im Palladium machen.

Der US-amerikanische Newcomer ist auf dem Weg, ganz groß zu werden. Trotz der für Folk unüblichen Themen in seiner Musik.

Braucht die Welt wirklich noch einen weißen Typen mit einer Akustikgitarre? „Ja“, würde Noah Kahan vermutlich antworten. Auch wenn der 27-jährige Singer-Songwriter über das Klischee, das er erfüllt, selbst Witze macht, scheint er damit recht zu haben. Zumindest gemessen an der Reaktion der rund 4.000 Menschen im ausverkauften Palladium in Köln-Mülheim am Sonntagabend (18. Februar). Sie sind wie in Ekstase, als Noah Kahan die Bühne betritt. Er könnte genauso gut das neueste K-Pop-Phänomen sein.

Dabei spielt der junge Mann im Overall mit Vollbart und Man-Bun-Frisur Musik, die an Folk-Ikonen wie Bob Dylan und Paul Simon erinnert. Vielleicht etwas moderner und poppiger. Trotzdem gibt es Banjos, Slide-Gitarre und Mandoline. Direkt versetzt es einen in die Ferne zwischen Pickup-Trucks, Flanellhemden und den einsamen Straßen Neuenglands im Nordosten der USA. Nicht unbedingt die Art von Musik, die man mit dem überwiegend aus Teenagern bestehenden Publikum in Köln – den Altersdurchschnitt treiben die vielen Eltern in die Höhe – assoziieren würde. 

Noah Kahan war schon mit acht Jahren in Therapie 

Um zu verstehen, warum Noah Kahan mit seinem Folk-Pop von jungen Menschen bejubelt wird, muss man ihm nur zuhören. Der im US-Bundesstaat Vermont geborene Musiker bedient sich zwar einerseits der üblichen musikalischen Klischees, andererseits singt er statt von Americana von mentaler Gesundheit, etwa in „Growing Sideways“.

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Er habe realisiert, dass nichts von allein besser wird und man sich durchgehend schlecht fühlen kann, erzählt er im Palladium. In Köln möchte er wissen, ob die deutschen Krankenkassen Therapien bezahlen. In den USA sei das nämlich anders – er habe Glück gehabt, dass seine Eltern wohlhabend genug waren, um ihn schon als Kind zu einem Therapeuten zu schicken. Auch wenn das damals nicht wirklich viel gebracht habe. Er war erst acht Jahre alt und hat noch nichts von der Welt und seinen Gefühlen verstanden. Geschweige denn von Depression. Wie solle ihn sein Therapeut, ein alter Mann, dann schon verstehen?

Seine eigene Krankheitsgeschichte dient zwar nach wie vor als Inspiration, mittlerweile gehe es ihm aber deutlich besser. Und dafür bekommt er kräftigen Applaus vom Kölner Publikum.

Von Tiktok-Clips zur Grammy-Nominierung und einem Post-Malone-Feature

Offen und ehrlich vermeintliche Tabu-Themen in seiner Lyrik zu fokussieren, ohne übertriebenen Pathos und mit einer gesunden Portion Selbstironie, dürfte der Grund sein, warum Noah Kahan derzeit eine steile Karriere hinlegt. Mit seinen eingängigen, melancholischen Songs wurde er 2020 zunächst mit Tiktok bekannt. Auf der Social-Media-Plattform veröffentlichte er Songschnipsel, die zwei Jahre später in „Stick Season“ zusammen kamen. Das Album wurde wegen des großen Erfolgs danach neu veröffentlicht und unter anderem durch Gastmusiker wie Post Malone ergänzt. 2024 folgte eine Grammy-Nominierung als „Best New Artist“.

Den konnte er zwar nicht gewinnen, aber das ist nicht schlimm. Kahan nimmt sich selbst nicht zu ernst und ist begeistert, sich nun als „favorite Grammy-losing Artist“ nennen zu können, scherzt er in Köln. Es sei außerdem unmöglich, sich wie ein Loser zu fühlen, wenn so viele Menschen kämen, um ihn zu sehen.

Noah Kahan wird bald auf den großen Bühnen stehen

Bei seinem letzten Auftritt in Köln habe er noch jeden Fan im Anschluss persönlich begrüßen können. Inzwischen seien seine Konzerte aber so groß, dass das leider nicht mehr möglich sei. Vermutlich werden sie zukünftig noch größer werden. Denn in der vergangenen Woche spielte der Singer-Songwriter gleich zwei ausverkaufte Konzerte in der Londoner Wembley-Arena.

Dass Noah Kahan auf die ganz großen Bühnen gehört, wird auch bei dem knapp zweistündigen Konzert im kleineren Palladium deutlich. Es ist ein Selbstläufer. Jeder Ton sitzt, Kahan und seine vierköpfige Band ergänzen sich perfekt. Eine zu jedem Song passende Lichtshow und ein großer LED-Monitor, der wahlweise die Musiker oder Effekte zeigt, sorgen für Atmosphäre.

Die Fans sind ein textsicherer Chor, teilweise sogar lauter als Kahan. Vor allem bei seinen bekannteren Liedern wie „All My Love“, „Call Your Mom“ oder „Dial Drunk“. Für all das benötigt Noah Kahan eigentlich nur seine Akustikgitarre. Nicht selbstverständlich für einen Newcomer.

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