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Kölner Kinder- und JugendtheaterComedia trennt sich von Gastro, vergrößert Spielfläche

3 min
Drei Schauspielende in mittelalterlichen Kostümen lehnen sich zur Rast aneinander.

Szene aus dem Fantasy-Abenteuer "Balkis - Eine magische Mission" in der Comedia

Die Comedia, Kölns größtes Haus für junges Publikum, wird sich noch einmal vergrößern.

Die Comedia, Kölns größtes Theater für junges Publikum, wird noch ein bisschen größer. Das Haus an der Vondelstraße wird sich von seinem Gastro-Pächter trennen, die lange Theke abreißen und die 600 Quadratmeter große Wagenhalle der ehemaligen Feuerwache ab kommenden Februar selbst bespielen, als sogenannten Third Space.

Von solchen dritten Orten, in denen sich Menschen entspannen oder begegnen können, ist seit einigen Jahren oft die Rede – nur findet man sie selten in der Stadt. Manuel Moser, künstlerischer Leiter der Comedia, stellt sich einen Treffpunkt für eine breitere, diversere Stadtgesellschaft vor, einen Raum ohne Konsumzwang, der sich ständig verändert, den jeweiligen Bedürfnissen des Publikums anpasst. „Hier wird man morgens Kaffee trinken können, hier werden die Schulklassen, die zu den Theatervorstellungen kommen, Sitzgelegenheiten und auch Möglichkeiten zum Toben finden.“

Offene Bühne und günstiges Mittagessen

Nach dem Theater möchte man den Klassen und auch den Büroangestellten der Umgebung ein günstiges Mittagessen anbieten. Vor allem aber soll dann im gesamten Haus Kultur stattfinden, mit Ausstellungen, einer Lesebühne und einer Open Stage für selbstverfasste Texte von jungen Menschen, dazu Jamsessions von Nachwuchskräften der Musikhochschule und DJ-Sessions. Die Theaterkasse wird nach außen verlegt, das Kabinett hinter der Glasscheibe zum Installationsraum. Bereits in Planung ist die dreitägige Reihe „Köfte & Karaoke“ mit der Schauspielerin und Aktivistin Kübra Sekin und die „Synth-City“, in der Jana Maria Heinz und Roland M. Dill Alt und Jung dazu einladen, mithilfe von Möbelstücken im Form riesiger Drehknöpfe selbst Klänge zu generieren, eine niedrigschwellige Mitmach-Installation für alle.

49.000 Besucher konnte die Comedia in der vergangenen Spielzeit empfangen, dabei kooperierte das Kinder- und Jugendtheater mit 20 weiterführenden und zehn Grundschulen. „Wir arbeiten mit der Absurdität“, sagt Moser, „dass unser Publikum zu uns kommen muss“, sagt Moser. Daraus ergebe sich aber auch für die Comedia eine Verpflichtung: nämlich intellektuelle Barrieren abzubauen und die Themen aufzugreifen und zu behandeln, die den Schülerinnen und Schülern auf den Nägeln brennen.

Kölns Wohnungsnot, für Sechsjährige aufbereitet

In „Riesen Probleme“, der ersten Premiere der neuen Spielzeit unter dem Motto „Wir küssen dein Herz“, wird die aktuelle Wohnungsnot in Köln und anderswo dramatisiert, für Menschen ab sechs: Ein Elefant und der größte Mensch der Welt müssen auf engsten Raum zusammenleben, während eine „Security-Schnecke“, die selbst ihr Haus verloren hat, die angrenzende leere Fläche für einen abwesenden Besitzer bewacht. Andere Barrieren sollen mit den Stücken „Träum weiter!“ und „Monster / wild things“ abgebaut werden, beide entwickelt das Theater mit „integrierter künstlerischer Audiodeskription“. Soll heißen, dass bereits die Inszenierung die Bedürfnisse blinder und sehbeeinträchtigter Zuschauer berücksichtigt.

In der vergangenen Saison hatte der Jules-Verne-Klassiker „In 80 Tagen um die Welt“ in einer Version, die Laut- und Gebärdensprache in die Handlung integrierte, Premiere gefeiert – so verbindet die Comedia regelmäßig ihren Anspruch eines „Theaters für alle“ mit formalen Innovationen. Verstärkt setzt das Theater auch auf Kooperationen. Das, sagt Manuel Moser, entspreche einfach der Zeit – und auch der angespannten Finanzlage.

Mit „Imagine – Welt ohne uns“ wird etwa das Analog-Theater sein erstes Kinderstück produzieren, es geht um den Zukunftsentwurf einer menschenlosen Welt mit „haarigen Wollwesen“ und „kriechenden Wurmglühchen“. Für „Freikugeln“ kooperiert die Comedia erneut mit der Kinderoper, Carl Maria von Webers „Freischütz“ soll als Musiktheater für taubes und hörendes Publikum neu gedacht werden.

Es wird überhaupt viel gedacht und experimentiert in der Vondelstraße und auch in der Köln-Mülheimer Dependance „Comedia 510“, immer im Dialog mit dem jungen Publikum. Aus knapp 50 Bewerbungen für eine Residenz hat man das Hamburger Estupefacta Kollektiv ausgewählt, das queeres, partizipatives Theater auch für Kinder entwickeln will. Das Nicht-ganz-Reinpassen in die vorgestanzte Welt dürfte wohl fast jeder und jede Aufwachsende kennen.