Kölner PhilharmonieDas Orchester sitzt dem Solisten im Nacken

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Klarinettist Andreas Ottensamer von den Berliner Philharmonikern. Er trägt schwarze Kleidung, der Hintergrund ist unscharf.

Klarinettist Andreas Ottensamer spielte mit dem Luzerner Sinfonieorchester in Köln

In der Kölner Philharmonie spielte das Luzerner Sinfonie-Orchester mit Andreas Ottensamer als Solo-Klarinettist.  Auf dem Programm standen Werke von Berios, Brahms und Scartazzini.

An Klarinettenkonzerten aus Meisterhand herrscht nicht gerade Überfluss. Besonders in der Romantik sieht es nach Weber und Spohr mit einschlägigen Werken eher mau aus. Gelegentlich wurde versucht, dem Mangel durch Bearbeitungen abzuhelfen; in diesem Zusammenhang ist auch Luciano Berios Orchesterfassung von Johannes Brahms’ später Klarinettensonate f-Moll zu sehen. Nun ist ein Konzert aber etwas anderes als eine orchestrierte Sonate, und bei allem Respekt vor Berios Könnerschaft - so richtig funktionierte die Nummer im philharmonischen Meisterkonzert nicht.

Andreas Ottensamer, Solo-Klarinettist der Berliner Philharmoniker, spielte das Stück ganz zurecht so, wie er es an der Seite eines Klavierpartners auch tun würde: sanft, gedämpft und in herbstlichen Ockertönen, die selbst das heitere Ländler-Scherzo mit dem Charakter wehmütiger Erinnerung umgaben. Allerdings saß ihm das Luzerner Sinfonieorchester unter Leitung seines Chefdirigenten Michael Sanderling dabei so massiv im Nacken, dass er über weite Strecken hinweg schlicht unterging. Deutlich besser hob sich die Klarinette in der Zugabe ab, einem seidigen Arrangement von Mendelssohns Venezianischem Gondellied op. 30/6.

Luzerner Sinfonieorchester zeigt in Köln hohes Niveau

Der Brahms-Berio-Hybrid passte indes perfekt zwischen die flankierenden Werke des Programms, das mit Andrea Lorenzo Scartazzinis neuem Orchesterstück „Wunde(r)“ begann. Der Schweizer Komponist (Jahrgang 1971) ist vor allem im Bereich des Musiktheaters bekannt geworden; die Qualitäten des übersichtlich gebauten, insgesamt sehr gefälligen Stückes liegen vor allem im Bild- und Stimmungshaften, wobei in den Rahmenteilen auch mal die Grenze zum Kitsch gestreift wird.

Das - auch im europäischen Vergleich - bemerkenswert hohe Spielniveau der Luzerner wurde vor allem im großen Schlussstück deutlich, Brahms’ Sinfonie Nr. 4. Sanderling gab seinen Musikern viel Zeit, Phrasen ein- und ausschwingen zu lassen und den musikalischen Fluss weich zu beatmen. Dieser Charakter einer organischen, frei schwingenden Pulsation zog sich durch alle vier Sätze, bei gleichbleibend hoher Einsatzpräzision und einer gut austarierten Klangbalance, aus der nur die etwas überpräsenten Hörner gelegentlich ausscherten. Die Zugabe, Brahms’ Ungarischer Tanz Nr. 5, war nicht gerade originell gewählt, wurde aber mit husarenhafter Verve gespielt und entsprechend begeistert aufgenommen.

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