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Kölner Schauspielerin Nadja Becker über Druck auf Frauen„Ab einem gewissen Alter ist es ein Problem“

Lesezeit 5 Minuten
Schauspielerin Nadja Becker steht vor einer roten Wand mit gelber Schrift. Sie trägt eine weiße Bluse und eine schwarze Jacke.

Schauspielerin Nadja Becker kommt zum Sommerfest 2024 der Film- und Medienstiftung NRW.

Die Kölner Schauspielerin Nadja Becker spielt die Hauptrolle in der neuen ARD-Reihe „Feuerwehrfrauen“ und spricht über Druck, Schönheitsideale und MeToo.

Frau Becker, Sie spielen eine Hauptrolle in der neuen ARD-Reihe „Feuerwehrfrauen“. Im Mittelpunkt steht dabei die Freundschaft zwischen zwei sehr unterschiedlichen Frauen. Liebesbeziehungen hängen wir in Filmen und Serien sehr hoch, bei Freundschaften ist das oft anders, dabei begleiten die uns doch im Zweifel viel länger.

Genau das macht diesen Film besonders, dass es um zwei weibliche Hauptfiguren und ihre Freundschaft geht. Das hat sich in den letzten Jahren sehr verbessert. Es gibt deutlich mehr spannende Rollen für Frauen. Es gibt mehr Raum für Konflikte und Freundschaften. Liebesfilme werden so hoch gehängt, meist klassisch, immer mit Happy End, oft geht es um den Mann, und tendenziell opfert sich die Frau auf. Jetzt geht es wirklich auch um vielschichtige Beziehungen zwischen Frauen. Die Freundschaft zwischen Maike und Anja in diesem Film ist nicht einfach, sie ist komplex. Man fragt sich zwischendurch, warum sind die überhaupt befreundet. Aber irgendetwas verbindet sie miteinander.

Der Freitagabend im Ersten steht vor allem für Unterhaltung. Trotzdem behandeln die beiden Filme viele ernste Themen. War Ihnen das wichtig?

Ja, man kann auch in leichterer Stimmung ernste Themen behandeln. Man sagt, das Leichte wird immer so verlacht, in Deutschland ist es nichts wert, da kriegen meist die Drama-Schauspieler die Preise. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass Comedy und leichte Unterhaltung leicht aussehen, aber aus Erfahrung kann ich sagen, es ist nicht leicht. Timing, genau diese Gegensätze zu bespielen, diese ernsten Themen im Leichten zu behandeln und trotzdem gute Unterhaltung zu machen, ist schwer. Es klingt natürlich ein bisschen abgeschmackt, aber in den heutigen Zeiten finde ich es wichtig, dass die Leute sich zerstreuen dürfen.

Sie haben gesagt, dass Sie sich schon in der Schauspielschule für alle möglichen angsteinflößenden Übungen immer als Erste gemeldet haben. Ihr Motto sei „Augen zu und durch“. Ist das eine hilfreiche Einstellung für den Schauspielberuf?

Mir hilft das, weil ich sonst ins Grübeln komme und sich meine Angst nur verstärkt. Dann wird es nur schwieriger, da ich noch unsicherer werde. Für den Schauspielberuf ist „einfach machen“ oft die bessere Alternative. Meine Agentin hat letztens noch zu mir gesagt: „Wer viel macht, macht viele Fehler.“ Das war echt noch mal ein Aha-Moment. Es stimmt. Denn wer nichts macht, macht gar nichts, was der größte Fehler ist.

Viele Schauspieler beklagen, dass der Druck am Set größer geworden ist, weil es weniger Drehtage gibt als früher. Empfinden Sie das auch so?

Zeit ist Geld am Set, wie überall. Aber je mehr Zeit ich habe, umso besser kann ich fragen und suchen: Was wollen wir überhaupt? Und je mehr ich das auslote, umso lebendiger wird es oder vielleicht auch umso tiefer, wenn ich ein Drama mache. Der Kameramann kann zum Beispiel schönere Bilder machen, dadurch wird der Schnitt besser und lebendiger. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass mit mehr Geld immer bessere Filme entstehen, aber man kann auf jeden Fall entspannter arbeiten.

Nadja Becker als Anja in „Feuerwehrfrauen“.

Nadja Becker als Anja in „Feuerwehrfrauen“.

Sie haben eine Tochter. Wie schwer ist es, Drehen und Familie als Schauspielerin unter einen Hut zu bringen?

Es ist schon sehr, sehr schwer. Wenn im Drehplan steht, dass wir am 5. September drehen, muss ich drehen, auch wenn ich vielleicht angeschlagen bin. Als wir „Die Wanderhure“ gedreht haben, hatte ich zum Beispiel eine Lebensmittelvergiftung, dennoch habe ich gedreht. Es haben zwar alle Rücksicht auf meine Situation genommen, aber das war schon hart. Wenn man dann ein Kind hat, das klein und vielleicht selbst krank ist, ist das eine Herausforderung alles zu managen. Manche Kolleginnen geben einfach ihr halbes Gehalt gleich wieder für eine Nanny aus.

Kolleginnen von Ihnen haben vergangenes Jahr die Kampagne „Let’s Change the Picture“ gestartet, in der sie mehr und bessere Rollen für ältere Frauen fordern. Verändert sich da etwas in Ihrer Branche?

Ich bin 45 und habe den Druck noch nicht so sehr gemerkt, weil sich die Zeiten ein bisschen geändert haben, weil ich vielleicht auch ein jüngerer Typ bin. Aber ich denke, dass es wirklich ein Problem ist ab einem gewissen Alter. Es gibt de facto weniger Rollen für Ältere. Der Schönheitsdruck ist da. Body-Positivity und -Diversity sind absolut hip gerade, und das ist auch richtig und wichtig. Trotzdem sind Frauen immer noch einem gewissen Schönheitsideal ausgesetzt.

Wie groß ist dieser Druck auf Schauspielerinnen? Es gibt fantastische Schauspielerinnen in Hollywood, die sind 55 und haben keine einzige Falte. Und auch wenn es ihr gutes Recht ist, Eingriffe vornehmen zu lassen, wäre es doch schön, wenn das Älterwerden auch dort möglich wäre, oder?

Das ist ein sehr komplexes Thema. Wir leben in Zeiten von Social Media, da sehen erstmal alle glatt aus wegen der 100 Filter, die da drüber kommen. Das hat die Sehgewohnheiten schon verändert. Hollywood ist nochmal ein spezielles Thema, dass da alle gemacht und gebotoxt sind, kann ich nachvollziehen. Der Druck ist groß. Man kann sich, glaube ich, überhaupt nicht vorstellen, wie krass es ist, Julia Roberts zu sein. Ich habe letztens die unfassbar gute Serie „The Bear“ gesehen, in der Jamie Lee Curtis die Mutter spielt. Die ist gar nicht unterspritzt, und das finde ich so toll, aber ich merke auch, dass unsere Sehgewohnheiten andere sind. Ich hoffe auf jeden Fall, dass wir den Zenit überschritten haben, was Social Media angeht.

Ein anderes wichtiges Thema, das Ihre Branche beschäftigt hat in den vergangenen Jahren, war #MeToo. Hat das nachhaltig zu Verbesserungen geführt?

Ich merke, dass vor allem bei jüngeren Regisseuren und Regisseurinnen ein Bewusstsein da ist, dass ich gefragt werde: Brauchst du einen Intimacy-Coach? Brauchst du eine Probe? Wie stehst du zu dieser Szene, wo Gewalt vorkommt? Ich glaube, dass die Strukturen am Set sehr hierarchisch sind, und dementsprechend manchmal schwierig. Ja, es hat sich etwas geändert, aber eine gelernte Struktur aufzubrechen und zu durchbrechen ist schwer.

Liegt es auch daran, dass man dominantes und cholerisches Verhalten mit Kreativität und Künstlertum verwechselt?

Es ist schon so, dass ich immer wieder von Cholerikern und schwierigen Drehs höre. Alle stehen unter einem wahnsinnigen Druck, das ist auch der Grund, warum viele ein Stück weit mitmachen. Ich stand schon mehr als einmal am Set und hab gedacht „Wow, es ist nur ein Film“. Aber es geht auch um Existenzen. Ich habe viel darüber nachgedacht, warum solches Verhalten mit Kreativität verwechselt wird. Ich weiß nicht, warum das so ist, warum solche Menschen so lange beschützt und beschäftigt werden. Mit Cholerikern am Set ist es schwer für alle. Es dreht sich so viel leichter, wenn man den Menschen mit Respekt und auf Augenhöhe begegnet.