Kölner YouTuber Valentin Rahmel„Sarazar“ hat tausend Talente und Millionen Fans

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Sarazar (vorne) mit seinem Reise-Team. 

Köln – Valentin Rahmel ist kein Avatar. Das muss erwähnt werden, weil er mehrere Leben zu haben scheint. Der 38-Jährige ist DJ, veröffentlicht eigene Songs und organisiert Partys und Festivals.

Außerdem produziert er Reisereportagen für den WDR. Das bedeutet: Er fährt regelmäßig mit zwei Freunden um die Welt und die drei machen alles selbst: filmen, schneiden, vertonen. Aber vor allem waghalsige Aktionen wie Bungee-Sprünge, Wildwasser-Fahrten oder an einer Zipline über die Baumwipfel rasen.

Dann hat er mit ein paar Kumpels noch eine Produktions- und Veranstaltungsagentur gegründet - „Aerochrone“. Und  Geschäftsführer einer eigenen Firma ist er auch: „WhiteMandala“. Wer sich ihn jetzt als gestressten Businesstypen vorstellt, liegt völlig falsch. Bei alldem schafft er es nämlich erstaunlicherweise, so zu wirken, wie der nette Typ im Zelt nebenan auf dem Campingplatz.

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"Roadrip mit Sarazar" nach Schweden.

Mit „White Mandala“ vermarktet er unter anderem Influencer oder – etwas gediegener  - „Creatoren“. Denn Influencer ist Valentin Rahmel alias „Sarazar“ auch noch. Zusammen mit  Erik Range (besser bekannt als Gronkh) prägte er auf YouTube eine ganze Gamer-Generation.

Den Begriff Influencer gab es vermutlich noch gar nicht, als er mit seiner eigenen Webseite angefangen hat. „Ich mach das ja ohne Witz jetzt 23 Jahre“, sagt er. 15 war er damals, Anfang der Nuller Jahre, als YouTube gerade erst richtig groß wurde und noch kein Mensch von Instagram sprach, geschweige denn von TikTok oder Twitch. 

 „Mein Bruder ist zehn Jahre älter und konnte programmieren. Der hat mit mir die Webseite gebaut und da habe ich dann angefangen, irgendwelche Artikel zu schreiben, vor allem über Online-Games.“ Dieses Magazin wurde immer größer und Valentin Rahmel und Erik Range bauten es zu einem Gaming-Universum auf.

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YouTuber Valentin Rahmel. 

Richtige Zeit, richtiger Ort, richtige Idee

Was dann passierte, konnte niemand ahnen oder planen. Da gab es plötzlich diese neue Plattform - YouTube - und immer mehr Leute wollten lieber Videos statt klassischer Artikel. „Und dann haben wir halt damit angefangen einfach Videos hochzuladen wo wir Spiele spielen und kommentieren.“

Richtige Zeit, richtiger Ort, richige Idee: Das Format explodierte, Millionen schauten ihre „Let’s play“-Videos. Sarazar war ein Star – einer von denen, bei denen die Massen ausrasten, wenn sie auf der Gamescom auftauchen. 

Heute folgen im immer noch zwei Millionen bei YouTube – obwohl er dort längst nicht mehr so aktiv ist wie früher und kaum noch „Let’s Play“-Videos hochlädt. Dafür aber eben seine Reise-Reportagen.

Vom Gamer zum Outdoor-Freak? Das wirkt wie ein Bruch. Aber Valentin Rahmel lebte nie das Klischee des im Halbdunkel dahinvegetierenden Spiele-Nerds. Und lustige Reisevideos hatte er schon lange zusammen mit Erik Range als „Superhomies“ gedreht.

Dass er aber kaum noch Videos zu Computerspielen macht, ist tatsächlich ein Einschnitt. Denn was so leicht und cool klingt – mit Spielen haufenweise Geld verdienen -  ging bei ihm irgendwann an die Substanz: „Ich habe das fünf Jahre lang durchgezogen ohne Ende. Drei bis vier Videos am Tag mit Gaming, da sitzt Du natürlich zwölf Stunden am Tag da und das sieben Tage die Woche, um die Dinger alle zu produzieren. Vor allem hast Du auch einen extremen Leistungsdruck, weil ja jeder von Dir erwartet, dass Du immer noch besser performst. Die Leute unterschätzen das extrem.“

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YouTuber Valentin Rahmel. 

"Die echte Welt ist schöner"

Vor fünf Jahren beschloss er: „Ich muss mich nicht mehr da rein zwingen.“  Was nicht heißt, dass er irgendwie kürzer getreten wäre. „Ich bin auf jeden Fall jemand, der gerne viel arbeitet.“ Aber durch seine frühe, krasse Karriere hat er jetzt die Freiheit, nur noch das zu tun, was er wirklich will. „Gaming macht mir Spaß und ich mache das gerne auch nochmal im live Stream. Aber wirklich nur just for fun. Es ist jetzt nicht so, dass ich die echte Welt nicht ein bisschen schöner finde.“

Die echte Welt ist also jetzt sein Fokus, beziehungsweise der angenehme Teil davon: Reisen, Partys, Musik. „Dafür bin ich YouTube unglaublich dankbar, dass Du die Möglichkeit hast, Dich in verschiedene Richtungen zu entwickeln.“ Und auch wenn er inzwischen für einen öffentlich-rechtlichen Sender arbeitet, sieht er sich immer noch vor allem als YouTuber.

„Unser Roadtrip ist ja auch ein bisschen Crossover aus YouTube und TV. Wir filmen alles selber und ich schneide die Videos auch noch selbst. Aber wir versuchen natürlich auch ein Qualitätslevel zu produzieren, was man im TV senden kann. Dass da nicht einfach so eine verwackelte Kamera rumeiert...“ 

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Roadtrip mit Sarazar nach Polen.

YouTuber werden heute ernster genommen

Das WDR-Format „Roadtrip mit Sarazar“ ist ein Beispiel dafür, wie grundlegend sich der Umgang der traditionellen Medien mit den Stars der sozialen Medien gewandelt hat: „Früher wurden wir immer so belächelt: Die YouTuber?! Kann man damit Geld verdienen?! Was ist da los?!“, erinnert sich Valentin Rahmel. „Und heute werden wir komplett ernst genommen, auch von den TV Sendern.“

Die Öffentlich-Rechtlichen, meint er, hätten inzwischen erkannt, dass die Nutzer ihre Inhalte jenseits von einem starren Programmschema wählen wollen. „Und da sind YouTuber natürlich definitiv interessant. Bei YouTube lernst Du ja wirklich alles: Wie mache ich ein Script, wie benutze ich eine Kamera, wie bewege ich mich davor.“

"Das Authentische geht immer mehr verloren"

Doch obwohl er bekennender YouTube-Fan ist, hat die Professionalisierung und Kommerzialisierung auch unschöne Spuren auf der Plattform hinterlassen, findet er. „Wir wären nicht so erfolgreich gewesen, wenn wir nicht sehr authentisch gewesen wären“, ist er sicher. „Aber das Authentische geht immer mehr verloren.“

Wenn ein 38-Jähriger sich an die guten alten Zeiten erinnert, zeigt das, in welchem rasanten Tempo sich die sozialen Medien entwickelt haben: „Der Spirit war damals der Hammer. Das war ultra-kreativ, man hatte extrem viele Leute, die einfach was probiert haben aus ihrem Wohnzimmer. Und da hat sich YouTube extrem gewandelt aber auch die ganzen Sozialen Medien.“

YouTube, Facebook, Instagram, TikTok, Twitch – heute müsse man als Influencer viel mehr Plattformen bespielen. Man brauche man ein Management und ein Netzwerk. Und es werde genau konzipiert: „Was ist das jetzt für ein Charakter oder wie soll der wirken auf die Leute?“

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Sarazar (rechts) mit seinem Reiseteam im Eishotel in Schweden.

Ständige Überwältigung

Hat er keine Angst, dass dem Reisen das gleiche Schicksal droht wie den Computerspielen? Dass er es nicht mehr genießen kann, wenn er es professionell macht? „Wenn Du einen normalen Urlaub machst, ist es ja eher so: Du machst eine coole Aktion und dann liegst du ja erstmal wieder zwei, drei Tage am Strand. Und bei uns ist es halt die ständige Überwältigung – und Du musst dabei ja auch noch drehen.“

Nachts kopieren sie dann noch die Dateien, um garantiert nichts zu verlieren, erzählt er – „das ist auf jeden Fall Stress. Aber ich kann die Reisen trotzdem genießen.“ Das liegt aber auch daran, dass er aufpasst – was er bei seinen früheren Reisevideos noch nicht gemacht hat: „Da habe irgendwann gemerkt: „Oh, oh, ich sehe meine Erinnerungen nur noch durch ein Display!“ Nicht mehr die eigentliche Erinnerung von diesem Sonnenuntergang, sondern ich sehe den Videoshot!“ Seitdem legt er in besonders schönen Augenblicken die Kamera kurz weg.

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Sieben „Roadtrips mit Sarazar“ hat Valentin Rahmel inzwischen für den WDR gedreht – trotz aller Widrigkeiten der Pandemie. „Wir haben uns ganz, ganz tolle Reisen ausgedacht und am Ende war es dann so: O.k. – nach Griechenland könnten wir es vielleicht schaffen… Ich glaube, Corona hat uns alle gelehrt, dass Flexibilität ein ganz, ganz großes Ding ist.“ Für ihn war das  keine neue Nachricht.

Als wir uns verabschieden sagt er noch nebenbei: „Morgen springe ich aus dem Flugzeug, das muss heute auch noch alles vorbereitet werden. Für das nächste YouTube Video!“

Die Roadtrips durch Europa mit Sarazar sind unter anderem auf YouTube bei „WDR Reisen“ zu sehen.

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