Michel Abdollahi warnt bei der lit.Cologne Spezial vor den Strategien der Rechtsextremen - und sagt, wie man diesen begegnen sollte.
lit.Cologne SpezialMit kleinen Schritten gegen die Angst

Michel Abdollahi spricht bei der lit.Cologne Spezial in Köln über sein Buch „Es ist unser Land“.
Copyright: IMAGO/Panama Pictures/Christoph Hardt
Michel Abdollahi geht dahin, wo es weh tut. 2015 lebte er einen Monat lang in einer Hütte auf einer Wiese der Gemeinde Jamel in Mecklenburg-Vorpommern. In dem sogenannten Nazidorf haben Rechtsextreme das Sagen. Jemand wie Abdollahi, geboren in Teheran, kann nach deren Blut-und-Boden-Propaganda nie zu Deutschland gehören. Der Journalist suchte dennoch das Gespräch. Und ist vor kurzem in das Dorf, in dem Wegweiser nach Stalingrad und Adolf Hitlers Geburtsstadt Braunau am Inn zeigen, zurückgekehrt.
Seine Holzhütte durfte er nun nicht mehr auf der Gemeindewiese aufstellen, die Bürgermeisterin verbot es ihm, ohne Gründe zu nennen, wie er am Montagabend bei der lit.Cologne Spezial in der Volksbühne Moderator Fatih Çevikkollu erzählte. Die örtliche Kirchengemeinde beherbergte ihn daraufhin. Mit Neonazis wie Sven Krüger kam er dennoch wieder ins Gespräch.
Abdollahi will Deutschland nicht den Rechten überlassen
Abdollahi will Deutschland nicht den Rechten überlassen. So lautet der Untertitel seines im vergangenen Monat erschienenen Buches „Es ist unser Land“, über das er mit dem Kölner Kabarettisten und Schauspieler Çevikkollu sprach. Der 44-Jährige versuchte sich an diesem Abend an einem schwierigen Spagat. Er wolle niemandem Angst machen, sagte er mehrfach. Gleichzeitig malte er – berechtigterweise – ein düsteres Bild der politischen Lage in Deutschland.
Anders als häufig behauptet, seien es nicht die Senioren, die die AfD wählen: „Erstwähler machen die AfD stark.“ Junge Menschen seien per Social Media sehr leicht zu erreichen und zu radikalisieren. Die AfD mache vor, wie das geht, sie habe mehr Follower als alle anderen Parteien zusammen. „Aber wenn man Leute radikalisieren kann, kann man sie auch entradikalisieren“, sagte er. Er appellierte an Eltern und Lehrer, sich mit den Algorithmen von TikTok und Instagram zu beschäftigen, um zu verstehen, wie und welche Informationen junge Menschen dort in ihre Timeline gespült werden. Diese Videos seien sehr gut gemacht, damit müsse man sich auseinandersetzen.
Im Kopf dagegen zu sein, reicht im Jahr 2025 nicht mehr aus
Seine Jugend in den 1990er Jahren sei bunt und weitgehend sorgenfrei und unpolitisch gewesen, erinnerte er sich. Heute sei das anders. Er sei häufig an Schulen unterwegs und mache da, egal, wohin er komme, dieselbe Erfahrung: „Die Kinder sind überfordert. Die würden Social Media in der Schule verbieten.“ Resignation ist für den Hamburger bei aller Verunsicherung aber die falsche Reaktion. Man müsse vielmehr lernen, wie die Mechanismen funktionieren, die Rechtsextreme so erfolgreich machen.
Es gehe ihm um Vereinfachung, Verknappung, Emotionalisierung – aber alles basierend auf Fakten, das sei dann eben der große Unterschied zu Hass und Hetze. „Wir sollten nicht die Narrative und die Lügen übernehmen, aber den einfachen Zugang“, lautet sein Appell. Und der sei auch darüber möglich, sich mit einer Bratwurstbude auf ein Volksfest zu stellen. Das klinge banal, aber genauso machten es Rechtsextreme wie Sven Krüger in Jamal. Sie seien vor Ort, ansprechbar. Und dann geschieht es eben, dass ein Rechtsextremer bei der Wahl zum Gemeinderat die meisten Stimmen erhält.
Mit Menschen wie ihm reden will Abdollahi dennoch weiterhin. Auch wenn es manchmal weh tut. Es gebe Menschen, die könne man nicht mehr erreichen, aber viele eben doch. Überhaupt sei es wichtig, ins Handeln zu kommen. „Im Kopf dagegen zu sein, reicht im Jahr 2025 nicht mehr aus.“ Unsere Demokratie ist laut Abdollahi noch immer stabil und bietet uns genug Handlungsspielraum. Jeder und jede müsse sich aber fragen, wann er oder sie den zuletzt genutzt habe.
Man solle Leserbriefe schreiben, Bundestagsabgeordnete kontaktieren, aufmerksam bleiben. „Es ist ein zäher Weg, das wird dauern“, sagte er. Aber eine andere Lösung gebe es nicht. Und seine Kernbotschaft wiederholte Abdollahi an diesem Abend mehrfach: „Keine Angst haben. Kleine Schritte gehen.“