Die Nordlondoner Rapperin und Schauspielerin feierte in Köln den Auftakt ihrer Europa-Tournee.
Little Simz im Carlswerk Victoria„An schlechten Tagen bin ich Jay-Z“

Little Simz im Carlswerk Victoria
Copyright: Michael Bause
Wenn Simbiatu Ajikawo auf roten Teppichen an Fotografen vorbei defiliert – etwa um sich den Mercury-Preis für ihr Album „Sometimes I Might Be Introvert“ abzuholen, oder zur Premiere einer neuen Staffel des Netflix-Drogendealer-Dramas „Top Boy“, in dem sie zur Stammbesetzung gehört – reißen sich Gucci und Prada darum, sie einzukleiden.
Derzeit ziert sie das Cover von „Harper’s Bazaar“, ebenfalls im Gucci-Kleid, mit reichlich Strass und Tüll: „Little Simz – Voice of a Generation“ titelt das Magazin, denn so nennt sich Ajikawo, wenn die 28-jährige Nordlondonerin als Rapperin auf der Bühne steht. Gestern eröffnete Little Simz ihre Europatournee im ausverkauften Carlswerk Victoria, ohne Haute Couture, in Freizeitanzug, Basecap und blickdichter Sonnenbrille, frei von jeglichem Schnickschnack.
Am Pult hinter ihr ruft Produzent OTG, der auch das Vorprogramm bestritten hat, die Tracks ab, sonst bleibt die Bühne leer, bis auf einen Halbkreis aus Leuchtdioden, und wenigen herein- und gleich wieder herausgetragenen Requisiten, wie einem Keyboard, auf dem Ajikawo dann exakt eine Note spielt.

Little Simz im Carlswerk Victoria
Copyright: Michael Bause
Mehr muss nicht sein: Worauf es hier ankommt, sind einzig Little Simz erstaunliche Sprechgesangsfähigkeiten. Ob jazzig dahergeleiert wie im Smokey Robinson sampelnden Eröffnungsstück „Two Worlds Apart“, oder im Höchst-Gang-Stakkato wie in den Grime-lastigeren Tracks vom 2019er-Album „Grey Area“: Die Worte fallen ihr aus dem Mund wie Tetris-Bausteine, jedes findet seinen exakten Platz im Beat, dazu bewegt sie sich kantig und doch gleitend wie eine Cartoon-Figur.
Eine Frau im Flow, man kann ihr bei der Selbsterfindung zusehen – sie wird zu dem, was sie spricht. Dieser quasi-alchemistische Prozess macht mehr Eindruck als eine ganze Batterie von Konfettikanonen und Flammenwerfern, das Publikum gerät völlig aus dem Häuschen, nutzt jede kleine Pause zu Jubelausbrüchen. Da schmilzt auch Little Simz dahin, legt Hoodie und Sonnenbrille ab, schenkt ihren Fans ein herzliches Lächeln und webt, wo es eben geht, „Cologne“ in ihre Verse ein.
Dabei kann man der Rapperin nun wirklich keine Gefallsucht vorwerfen: „An schlechten Tagen bin ich Jay-Z, an den schlimmsten Shakespeare“, witzelt sie in „Offence“, doch die Prahlerei maskiert nur, wie verletzlich sich Little Simz in ihren Geschichten macht. Wenn sie sich im Albumtitel als introvertiert bezeichnet, trifft das zwar nicht auf ihre selbstsichere Bühnenpersona zu, umso mehr jedoch auf die gnadenlosen Grübeleien, denen sie sich in ihren rhythmisierten Selbsterkundungen unterzieht.
Dass man mit schonungsloser Offenheit auch Arenen füllen kann, hat unter anderem Kendrick Lamar bewiesen, der Little Simz unlängst noch als eines der größten Talente zurzeit bezeichnet hat. Da hat er nicht untertrieben. Wenn sie im schwelgerischen R’n’B-Song „Woman“ zum Lob ihrer Geschlechtsgenossinnen anhebt, klingt sie wie die Erbin von Lauryn Hill, kurz darauf fackelt sie mit einem neuen Trap-Track die Bude ab.
Simbiatu Ajikawo alias Little Simz kann alles und lässt das kinderleicht aussehen. Kleidet sie in Prada und Gucci, haltet die Kameras hoch: Hier kommt ein Superstar.

