Mariana Lekys neues BuchMan fühlt sich umarmt und getröstet

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Mariana Leky (1)

Mariana Leky

Mariana Leky hat einmal gesagt, jeder Mensch sei innerlich ein bisschen windschief. Es ist eine Formulierung, die wunderbar zum Ausdruck bringt, was die Schriftstellerin ausmacht: Sie hat ein Herz für die vom Leben Versehrten, für die, die zu kämpfen haben, die vielleicht ein bisschen anders sind, die unter Unsicherheiten und Ängsten leiden, die ihren Platz noch nicht gefunden haben – windschief eben. Und wenn wir ganz ehrlich sind, dann trifft das wohl wirklich auf die ein oder andere Art auf jeden von uns zu.

Leky hat das Talent, für diese vermeintlichen Makel, die vielleicht gar keine sind, Worte zu finden, von denen man sich beim Lesen umarmt und getröstet fühlt. Vielleicht war das – neben der besonderen, skurrilen Geschichte – das Erfolgsrezept ihres großen Bestsellers „Was man von hier aus sehen kann“, mit dem sie vor fünf Jahren für Furore sorgte.

Endlich Nachschub von der Bestsellerautorin

Nun gibt es endlich Nachschub für die vielen Fans der Kölnerin, die in Berlin lebt, aber ihrer Heimatstadt immer noch sehr verbunden ist. „Kummer aller Art“ ist allerdings kein Roman, sondern eine Sammlung von Kolumnen, die in „Psychologie heute“ erschienen sind.

Es sind kurze, rund dreieinhalb Seiten lange Geschichten, die schlaglichthaft sehr alltägliche Problemchen und ausgewachsenen Probleme beleuchten.

Die Ich-Erzählerin berichtet über die Nachbarn in ihrem Mietshaus, über Mitglieder ihrer Familie, Freunde und über sich. Frau Wiese etwa wohnt seit zwölf Jahren über ihr. Die beiden haben sich nie gegenseitig in ihren Wohnungen besucht, aber im Hausflur und auf Türschwellen haben sie doch vieles geteilt.

So sind beide Expertinnen in – nicht für – Schlafstörungen. Müde lesen hilft nicht, an langweilige Themen wie Tiefbau oder Guppys denken auch nicht, Schäfchenzählen noch viel weniger. Beim nächsten Mal wollen sie alle Nächte zählen, in denen sie nicht schlafen konnten: „Wir werden Expertinnen in Schlaf sein. Wir werden alles an die Wand schlafen.“ Frau Wiese verliebt sich übrigens irgendwann, deutet aber zunächst die Symptome falsch: „Sie haben eingehaltene Liebe“, sagt die Therapeutin.

Auf das Schönste psychologisiert Leky herum, was auch daran liegt, dass zumindest bei ihrem Kolumnen-Ich die Dichte an Therapeutinnen und Therapeuten in der Familie sehr hoch ist. Das hat Folgen. Wer hat schon mit elf seinen ersten Patienten?

Wenn alles nur cremeweiß ist

Ihre Cousine Lydia ist Psychotherapeutin und alles in ihrer Praxis – und leider auch in ihrem Leben – ist cremeweiß. Sie kann anderen helfen, traut sich aber selbst nicht, aus Angst vor Enttäuschungen, im Leben etwas zu wagen. Weil eine Liebe irgendwann auch wieder enden kann, lässt sie sich erst gar nicht auf eine ein. Und dieses eine Wort – cremeweiß – reicht aus, um zu verstehen, wo das Problem liegt.

Nie erhebt sich Mariana Leky über die Menschen, über die sie schreibt. Im Gegenteil: Große Empathie und Sympathie für deren kleine und große Verrücktheiten ziehen sich wie ein roter Faden durch jede Geschichte. Und ihr feiner Humor, der einen häufig lächeln und manchmal laut auflachen lässt, macht alles leicht, aber nie seicht.

Nie abgedroschen, nie seicht

Wenn sie darüber schreibt, dass ihr Alltag sich auf den Kopf gestellt hat, klingt das so: „Er ist dann ein Durcheinander von Bestandteilen, in deren Mitte man steht wie das Strichmännchen in IKEA-Aufbauanleitungen, auf den Bildern, die zeigen, wie man es nicht machen soll.“ Wer kennt dieses Gefühl nicht?

Es sind Bilder, die jeder sofort versteht und die dennoch nie abgedroschen sind. Mariana Leky gelingt das Kunststück, den Kummer des Alltags ernst und ihm gleichzeitig seine Macht zu nehmen. Er ist wie ein gruseliges Gespenst, das man hereinbittet, nur um dann festzustellen, dass es sich selbst auch ein bisschen fürchtet.

„Kummer aller Art“ ist eine wundervolle Sammlung kleiner Perlen, die man leider viel zu schnell durchgelesen hat. Und die die Sehnsucht nach einem neuen Roman nur noch vergrößert.

Mariana Leky: „Kummer aller Art“, DuMont Buchverlag, 176 Seiten, 22 Euro. 

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